Linklaters-Deutschlandchef Staffan Illert

„Mein Kalender ist seit Mai noch besser gefüllt“

Seit Mai ist Staffan Illert Deutschlandchef der Kanzlei Linklaters. Das prägende Thema seiner dreijährigen Amtszeit: Künstliche Intelligenz. Das klassische Geschäftsmodell, bei dem die Arbeit von Juristen allein nach Stunden abgerechnet wird, sieht er auf dem Prüfstand.

„Mein Kalender ist seit Mai noch besser gefüllt“

„Mein Kalender ist seit Mai noch besser gefüllt“

Für die Kanzlei Linklaters brachte das jüngste Geschäftsjahr einen Rekord: Getrieben von starkem US-Wachstum hat die Wirtschaftskanzlei von Mai 2024 bis April 2025 weltweit 2,32 Mrd. Pfund umgesetzt, ein Plus von 11% im Vergleich zum Vorjahr. Für Deutschland nennt Linklaters ein Umsatzwachstum um 15% auf umgerechnet 280 Mill. Euro.

Mit dem Wechsel des Geschäftsjahres hat die Kanzlei das Deutschlandgeschäft in neue Hände gegeben. Staffan Illert verantwortet es seit Anfang Mai als German Senior Partner. „Es gibt auch in Deutschland Bereiche, in denen wir noch wachsen können – zum Beispiel im Geschäft mit Finanzinvestoren sehe ich noch mehr Potenzial“, sagt er.

Strategie und Umsetzung

Der 49-Jährige hat das Amt von Kurt Dittrich übernommen. Zuvor war Illert bereits sechs Jahre lang als regionaler Vertreter im Partnership Board vertreten, das die strategischen Entscheidungen trifft. „In der neuen Rolle bin ich nun dafür verantwortlich, dass die Strategie konkret umgesetzt wird“, sagt Illert. Zugleich arbeitet er weiter im Mandatsgeschäft. „Mein Kalender ist seit Mai noch besser gefüllt.“

Berufliche Basis des Gesellschaftsrechtlers ist das Büro in Düsseldorf, die meisten Mandate haben aber einen internationalen Bezug. Illert, der Auslandsstationen in New York und London absolviert hat, schätzt genau das an seiner Arbeit. „Der Austausch innerhalb der Kanzlei ist enorm eng“, sagt er. Deutschland ist nach England die zweitgrößte Jurisdiktion der Kanzlei.

Künstliche Intelligenz wird unsere gesamte Branche wesentlich verändern.

Staffan Illert, Linklaters

Auch wenn seine dreijährige Amtszeit gerade erst begonnen hat, kann Illert das prägende Thema bereits absehen: „Künstliche Intelligenz wird unsere gesamte Branche wesentlich verändern. Es ist atemberaubend, mit welcher Schnelligkeit sich die Möglichkeiten derzeit weiterentwickeln.“ Er sieht es als seine Aufgabe, die Kanzlei dabei gut zu positionieren. „Wir sind im Markt vorne dabei und müssen uns hier kontinuierlich weiterentwickeln“, sagt Illert.

Schon heute unterstütze KI etwa bei Standardpassagen in Verträgen oder der einheitlichen Erstellung von Berichten. Mit Mandanten spricht Illert regelmäßig darüber, inwieweit sich KI-Anwendungen im Rahmen der anwaltlichen Beratung nutzen lassen. „Viele Mandanten fordern den Einsatz von KI mittlerweile.“

KI verändert Geschäftsmodell

Noch sei es sehr unterschiedlich, in welchem Umfang sich KI bei einem Mandat einsetzen lässt. Illert ist sich jedoch sicher, dass sich das klassische Geschäftsmodell, bei dem anwaltliche Tätigkeiten allein nach Stunden abgerechnet werden, verändern wird. In Bereichen mit stark standardisierten Verträgen „geht die Tendenz teilweise schon zu anderen Abrechnungsmodellen, man spricht dann eher über Festpreise als über stundenweise Abrechnung“, sagt er. Ein einheitliches Modell habe sich bislang aber im Markt noch nicht herausgebildet.

In Deutschland ist Illert als German Senior Partner für rund 300 Juristen zuständig, sogenannte Berufsträger, darunter 63 Partnerinnen und Partner. Wachstum sei in Zeiten von KI künftig nicht mehr automatisch mit einem Personalaufbau gleichzusetzen – er halte es „derzeit für wenig wahrscheinlich, dass wir personell deutlich größer werden“, sagt Illert. „Meine Erwartung ist, dass wir kontinuierlich gewisse Arbeiten automatisierter und effizienter werden erledigen können.“ Dennoch werde Beratung von spezialisierten Anwälten weiter gefragt bleiben, zumal an Entscheidungen oft eine zivil- oder strafrechtliche Verantwortung hänge. „Dieser komplexe Teil, das Ringen um Lösungen und Kompromisse, die noch nicht gedacht wurden und für die es keine Präzedenzfälle gibt, das wird keine KI leisten können.“

Jura mit diplomatischem Einschlag

Illert hat sich in der Mittelstufe dazu entschieden, Jura zu studieren. Zum Studium ging er zunächst nach Passau, später nach Bonn. „Ich bin in München geboren und habe in Kiel Abitur gemacht – studieren wollte ich in einer kleineren Stadt in Süddeutschland“, berichtet er. Der dreifache Vater hält Jura nach wie vor für „ein tolles Studium“. Sachverhalte abwägen und Gedanken strukturieren zu können, seien Fähigkeiten, die auch den Alltag leichter machten. Als alternativen Berufsweg hätte er sich den diplomatischen Dienst vorstellen können – wobei er durchaus Schnittmengen zu seinem gewählten Karriereweg sieht. „Diplomatie und Verhandlungsgeschick kann man auch als Anwalt gut gebrauchen.“

Von Sabine Reifenberger, Frankfurt
BZ+
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