PortraitChristoph Seibt

Mit Blick für neue Zusammenhänge

Als Jurist begleitet Christoph Seibt komplexe Unternehmenstransaktionen, in seiner Freizeit ist er aktiver Kunstsammler. An beidem reizt ihn, Bekanntes in neue Zusammenhänge zu stellen.

Mit Blick für neue Zusammenhänge

Mit Blick für neue Zusammenhänge

sar Frankfurt
Von Sabine Reifenberger, Frankfurt

Kunst- und Kanzleiwelt haben auf den ersten Blick nicht allzu viel gemein. Juristen gelten als strukturierte, regelbasiert denkende Menschen, Künstler als kreative Freigeister. Spannend wird es, wenn beides zusammenkommt, sagt Christoph Seibt. Der Jurist ist seit gut 25 Jahren Partner bei Freshfields und gilt als einer der bekanntesten Juristen für Gesellschaftsrecht und M&A in Deutschland. In seiner Freizeit ist Seibt begeisterter Kunstsammler. Seine Profession könne sich von den Künstlern manches abschauen, findet er. „Man muss manchmal den Mut haben, Themen neu zu denken und zu überlegen, ob es vielleicht in anderen Rechtsgebieten oder Ländern Lösungen gibt, die sich übertragen lassen.“

Auf Seiten der Zielgesellschaft

Seibt hat in den vergangenen Jahren regelmäßig Unternehmen in Sondersituationen beraten – seien es Sanierungsverfahren wie bei Conergy oder Praktiker, Angriffe aktivistischer Investoren wie bei Stada oder auch Übernahmeofferten, etwa bei Continental durch Schaeffler. Dabei hat sich eine Rollenverteilung ergeben: „Meist stehe ich auf Seiten der Zielgesellschaft.“ Auch bei der Offerte für Continental, die er als sein bislang spannendstes Mandat bezeichnet, begleitete Seibt die Hannoveraner.

Kreativität war bei der Ausgestaltung des Vertragsmodells gefragt. Es war vereinbart, dass Conti zunächst nicht in das Schaeffler-Imperium integriert werden dürfe. Um dies zu überwachen, sah der Vertrag eine unabhängige Kontrollinstanz als „Garantor“ vor, die Rolle übernahm damals Altbundeskanzler Gerhard Schröder. Die Inspiration für dieses Vorgehen fand Seibt in einem anderen Rechtsgebiet: „Bei Compliance-Verstößen gibt es regelmäßig Monitorships, um Veränderungen zu begleiten.“

Julian Charrière im Museum Tinguely in Basel: Ein Werk des Künstlers hat Seibt seiner Sammlung kürzlich hinzugefügt.
Julian Charrière im Museum Tinguely in Basel: Ein Werk des Künstlers hat Seibt seiner Sammlung kürzlich hinzugefügt.
picture alliance/KEYSTONE | GEORGIOS KEFALAS

Bekanntes in neue Zusammenhänge zu setzen, reizt Seibt auch in seinem Hobby als Kunstsammler. Der Jurist, der am Sonntag seinen 60. Geburtstag feiert, hat sich auf Minimal Art spezialisiert. Sein erstes Werk erstand er nach dem Abitur. Auf seinen Sammlungsschwerpunkt will er sich aber nicht beschränken.

Ich probiere gern neue Kompositionen aus, außerhalb dessen, was man in Museen sieht.

Christoph Seibt

Zuletzt ergänzte er diesen um eine Arbeit von Julian Charrière, der in seinen Werken die Bereiche Umweltwissenschaften und Kulturgeschichte verbindet. Zwar habe der Künstler mit Minimal Art nichts zu tun, die Ästhetik des Werks – eine 2,20 Meter große „Vending Machine“ – erinnere aber an technisch minimale Kunstwerke, erklärt Seibt. „Es ist das Privileg des Sammlers, aus einer informierten Liebhaberperspektive heraus agieren zu dürfen, ohne sich an etablierte Standards halten zu müssen“, sagt er. „Ich probiere gern neue Kompositionen aus, außerhalb dessen, was man in Museen sieht.“

Über die Jahre hat Seibt mehr als 650 Arbeiten von Künstlern wie Donald Judd, Dan Flavin, Fred Sandback, Carl Andre und Imi Knoebel zusammengetragen. Regelmäßig verleiht er Teile seiner Sammlung an Museen für Ausstellungen. Auf die im Videocall gestellte Frage nach seinem ersten Kauf trägt Seibt den Laptop spontan einige Räume in den „Kindertrakt“ weiter und erläutert seinen Ersterwerb: eine Arbeit von A.R. Penck, der in den 80er Jahren zu den „Neuen Wilden“ zählte. In einigen Jahren will Seibt ein Ausstellungshaus eröffnen, das Teile seiner Sammlung für die Öffentlichkeit zugänglich macht.

Liebe zu Japan

Beim Erwerb neuer Arbeiten hat er die Wertentwicklung zwar im Blick – „ich habe aber noch kein Werk allein aus Renditegesichtspunkten gekauft“, betont er. Auch junge Künstler fördere er regelmäßig. Nachwuchsförderung ist ihm auch in der juristischen Praxis ein Anliegen, viele seiner Teammitglieder hat er bereits im Studium oder Referendariat betreut. Regelmäßig hält Seibt Lehrveranstaltungen an der Bucerius Law School in Hamburg. Als Gastprofessor war er auch bereits an der Universität Kyoto tätig – die Liebe zu Japan begleitet ihn seit den 80er Jahren.

Neben Jura und Philosophie studierte Seibt damals im Nebenfach Japanologie. „Mich haben die Sprache und Kultur interessiert. Auch die klare, minimale Ästhetik hat mir gefallen“, sagt er. 2010 war Seibt während eines Sabbaticals vier Monate lang in Japan und hatte dort auch eine eher ernüchternde berufliche Erfahrung als Kurzzeit-Praktikant in einem Sushi-Restaurant. Mindestens zehn Jahre dauert die Ausbildung zum Sushi-Meister, als unerfahrener Neuling musste Seibt sich daher mit weniger anspruchsvollen Aufgaben begnügen. „Ich durfte die meiste Zeit nur Wasser holen“, erinnert er sich lachend.

Ein neues Kunstwerk zum Geburtstag

Als Jurist hat Seibt es hingegeben bei Übernahmeschlachten oder Sanierungen oft mit hochkomplexen Situationen zu tun, kontroverse Verhandlungen sind an der Tagesordnung. Seibt setzt dabei auf Authentizität und Ruhe: „Rumpoltern oder mittendrin aus der Verhandlung rausstürmen, das ist nicht meine Art“, sagt er. „Ich will schon gewinnen – aber lieber mit 3:2 als mit 5:0.“

Seinen nun bevorstehenden 60. Geburtstag will der Jurist im kommenden Frühjahr in Hamburg „kunstvoll“ feiern, unter dem Motto „Quel Bordel/What a Mess“. „Das verbinden einige Gäste vermutlich zunächst nicht mit mir“, sagt Seibt. Zum Geburtstag will er sich auch selbst ein Geschenk machen. Wenig überraschend wird es ein Kunstwerk, allerdings außerhalb des bisherigen Sammlungsschwerpunkts, Seibt liebäugelt mit dem Bereich Digital Art. „Der 60. Geburtstag ist ein guter Anlass, noch einmal eine neue Facette hinzuzufügen.“