Biotechnologie

Der Chef von Morphosys muss noch liefern

Die jüngsten Studiendaten von Morphosys kamen an der Börse nicht gut an. Das Unternehmen und Vorstandschef Jean-Paul Kress haben noch einen weiten Weg vor sich.

Der Chef von Morphosys muss noch liefern

Der Chef von Morphosys muss noch liefern

Von Joachim Herr, München

Das hatte sich Jean-Paul Kress bestimmt ganz anders vorgestellt. Von den Ergebnissen der Phase-3-Studie für den Krebswirkstoff Pelabresib erhoffte sich der Vorstandsvorsitzende von Morphosys wie die 540 Mitarbeiter eine positive Reaktion an der Börse. Doch statt zumindest ein kleines Kursfeuerwerk zu erleben, ging es am Dienstag vor einer Woche im Frankfurter Xetra-Handel mit dem Aktienwert gleich mal um ein Drittel abwärts. Minus 21% waren es am Ende des Tages.

Seitdem hat sich der Kurs etwas erholt und 14% zugelegt. Aber der Gewinn seit Beginn dieses Jahres ist auf gut 40% geschmolzen, nachdem sich der Wert bis Anfang November mehr als verdoppelt hatte.

"Sehr, sehr zufrieden"

Der 58 Jahre alte Kress kommentierte trotz eines auffälligen Makels tapfer das Studienresultat voller Optimismus. „Wir sind sehr, sehr zufrieden mit den Ergebnissen“, sagte er in einer Telefonkonferenz. Es seien die eindrucksvollsten Verbesserungen, die in klinischen Studien an Patienten mit Myelofibrose bisher beobachtet worden seien.

Kress hält an seiner Zuversicht fest, dass Pelabresib zur Behandlung von Myleofibrose, einer Form von Knochenmarkkrebs, die Marktzulassung erhalten wird. Er bekräftigte die Absicht, die Anträge in den USA und Europa zur Mitte des nächsten Jahres einzureichen.

Einige Aktienanalysten zweifeln allerdings daran. Manche erwarten, dass nur eine beschränkte Anwendung von Pelabresib genehmigt wird. Die Studienergebnisse für eine Verkleinerung des Milzvolumens der Patienten fielen zwar recht überzeugend aus. Eine FoIge der Myleofibrose ist ein Wachstum der Milz. Das zweite wichtige Resultat für die Verringerung der Symptome wie Knochenschmerzen, Fieber und starke Müdigkeit ist dagegen weniger eindeutig.

Der entscheidende Meilenstein

In der Gruppe der Hochrisikopatienten reduzierten sich die Symptome sogar weniger stark als im Vergleichssegment. In diesem wurden die Patienten ebenfalls mit dem Wirkstoff Ruxolitinib, der schon auf dem Markt ist, behandelt – aber nicht in Kombination mit Pelabresib, sondern mit einem Placebo. „Das ist eine Anomalie“, kommentierte Forschungsvorstand Tim Demuth das Ergebnis. „Wir müssen dies besser verstehen und werden es untersuchen.“

Pelabresib ist der entscheidende Meilenstein für die Zukunft von Morphosys. Von dem Wirkstoff erhofft sich Kress einen Umsatz von mehr als 1 Mrd. Dollar im Jahr. Ein Erfolg oder Scheitern von Pelabresib ist auch der Maßstab, um die Leistung des französischen Vorstandschefs zu bewerten. Kress ist seit September 2019 Chef des Biotechnologieunternehmens in Planegg, südwestlich von München.

Wechsel nach 27 Jahren

Der promovierte Mediziner, der zudem Biochemie und Pharmakologie studiert hat, kam von Syntimmune in den USA. Kress ist der direkte Nachfolger von Simon Moroney, der lange die Geschichte und Geschicke von Morphosys prägte. Der Neuseeländer gehört zu den Gründern des Unternehmens und stand von 1992 bis 2019 an der Spitze.

Vor gut zwei Jahren sorgte Kress für Wirbel in der Branche: Morphosys übernahm für 1,7 Mrd. Dollar Constellation Pharmaceuticals in den USA. Pelabresib stammt aus der Pipeline von Constellation. Mit der Mega-Akquisition veränderte Kress das Geschäftsmodell erheblich, auch wenn der damalige Finanzvorstand Sung Lee nur von einer Beschleunigung der Strategie Moroneys sprach. Allerdings beschleunigte sich auch der Abstieg des Aktienkurses.

Mehr Risiko

Zuvor hatte Morphosys vor allem Entwicklungen an Pharmakonzerne wie GSK, Roche und Johnson & Johnson lizenziert und dafür Meilensteinzahlungen und eine Umsatzbeteiligung erhalten. Mit Constellation brachte Kress das Unternehmen auf eine höhere Risikostufe. Nun entwickelt es eigenständig Medikamente und will sie auch vermarkten.

Das zweite Medikament

Noch aus Moroneys Zeit stammt der weiterentwickelte Wirkstoff Tafasitamab gegen Blutkrebs, der seit 2020 in den USA mit dem Medikamentennamen Monjuvi von Morphosys und dem Partner Incyte vermarktet wird. Morphosys erwartet für Monjuvi in diesem Jahr einen Nettoumsatz von 85 Mill. bis 95 Mill. Dollar.

Viel höhere Erwartungen hat Kress an Pelabresib. Wenn sein Kalkül aufgeht, der Wirkstoff zugelassen wird und sich als Blockbuster etabliert, hätte Morphosys zwei Medikamente in der hämatologischen Onkologie auf dem Markt. So will das Unternehmen 2026 die Gewinnschwelle erreichen. Doch bis dahin ist es auch für Kress ein weiter Weg. Den Beweis, dass seine Strategie aufgeht, hat der Vorstandschef noch nicht geliefert.

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