Christian Bruch

Schwerstarbeit im Maschinenraum

Christian Bruch muss sich als Chef von Siemens Energy viel mit der Tochter für erneuerbare Energien beschäftigen. Dort schickt er die Manager in den Maschinenraum.

Schwerstarbeit im Maschinenraum

Von Michael Flämig, München

Christian Bruch hätte es sich leicht machen können an diesem Tag. Kein Mensch kann verlangen, dass der Vorstandschef von Siemens Energy inmitten der vierten Pandemie-Welle den Journalisten seine Bilanz von Angesicht zu Angesicht vorlegt. Doch Bruch wählt für die Jahrespressekonferenz die Form einer Präsenzpressekonferenz. Dem promovierten Ingenieur ist nichts zu schwer –  auch nicht die Präsentation des zweiten Jahresverlustes in Folge, der getrieben wird auch von der desaströsen Performance der Windkraftanlagentochter Siemens Gamesa im Geschäft mit landgestützten Windrädern.

Dass Bruch (Jahrgang 1970) jede Menge Rückgrat hat, offenbarte bereits seine Entscheidung im Jahr 2020, von Linde zu Siemens Energy zu wechseln. Führungs-Tohuwabohu und eine bevorstehende Börsennotierung erwarteten ihn bei den Münchnern – nicht unbedingt verlockend, wenngleich der Wechsel den Aufstieg von einem untergeordneten Vorstandssprecher-Posten auf den CEO-Sessel ermöglichte. Was Bruch nicht wusste: Wie viel Arbeitskraft er in den hauseigenen Spezialisten für erneuerbare Energien würde stecken müssen.

Siemens Gamesa beackert mit dem Bau von Windkraftanlagen ein Zukunftsfeld – eigentlich. Doch der Konzern reiht Fehlschlag an Fehlschlag. Siemens Energy hält zwar 67%, hat aber nicht das unmittelbare Sagen. Siemens Gamesa ist börsennotiert, außerdem bringt es aus der ehemaligen Fusion mit Gamesa eine eigenständige Unternehmenskultur mit, die auf der operativen Ebene trotz Austausch des Führungspersonals unverändert Wirkung zeigt.

Gamesa-Unkultur

Nicht nur ermöglicht diese Kultur einem Landesfürsten, bei der Einführung einer neuen Produktgeneration Sonderkosten in dreistelliger Millionenhöhe zu produzieren. Die Kultur hält vielmehr auch bizarr anmutende Kommunikationsformen für angemessen. So wird die Jahresbilanz am vergangenen Freitag kurz vor 18 Uhr veröffentlicht, nur wenige Minuten später müssen sich die Analysten in die Telefonkonferenz mit dem Vorstand einwählen, sollen dort nur eine Frage pro Person stellen und werden schon nach einer Stunde abgewürgt. Und dies, obwohl um Verständnis für wiederholte Fehlschläge und eine gesenkte Prognose zu werben gewesen wäre – verbunden mit einer Erläuterung, warum der Vorstand meint, die richtigen Konsequenzen aus dem Desaster gezogen zu haben.

Kein Wunder, dass Bruch fünf Tage später allerlei Fragen zu Siemens Gamesa beantworten muss. Ob er sich eine andere Eigentümerstruktur wünschen würde? „Wenn ich es mir hätte aussuchen können, hätte ich es anders gemacht“, wiederholt er seine bekannte Position mit Blick auf frühere Entscheidungen. Die Frage sei, ob man mit 100% Siemens-Gamesa-Besitz mehr Wert für die Aktionäre generiere: „Sobald wir da was Aktuelles haben, werden wir sofort Bescheid geben.“ Aber zum jetzigen Zeitpunkt gebe es keine Neuigkeiten.

Im August noch hatte Bruch trotzdem den großen Hammer aus der Tasche geholt. Er sei nicht zufrieden mit der Vorhersagbarkeit der Projektergebnisse, wetterte Bruch nach der Siemens-Gamesa-Prognosesenkung. An das Management gerichtet sagte er: „Da heißt es: in die Details reingehen, im Maschinenraum sein.“ Bruch selbst ist das perfekte Rollenmodell für diese Art des Managements. Mit Power-Point-Präsentationen lässt er sich nicht abspeisen. Leicht macht er es sich eben nicht.

Drei Monate später signalisiert Bruch allerdings Zufriedenheit. Wenn er die Reports sehe, müsse er sagen, dass das Management einen guten Job gemacht habe – „auch in den Maschinenraum reinzugehen und wirklich überall zu gucken“. Es sei aber nicht so, dass alles gelöst sei. Es dauere, bis gewisse Dinge im Projektgeschäft durchgearbeitet seien.

Bruch diagnostiziert neben hausgemachten Problemen auch branchenweite Schwierigkeiten. Wenn der Stahl teuer werde und die Turbinen ständig billiger werden sollten, dann funktioniere das nicht.

Wichtig für Bruch: Die Gamesa-Sparte Offshore und der Service liefen über Plan. „Das ist das Verrückte: Eigentlich weiß die Firma, wie es geht.“ Nun darf sie es sich im Maschinenraum nicht mehr zu leicht machen – so wie es der ferne De-facto-Aufseher seit langem praktiziert.