Autoindustrie

Spekulationen über Nachfolger für VW-Chef Diess

In den vergangenen anderthalb Jahren wurde schon mehrfach über eine mögliche Ablösung von Diess spekuliert. Diese Spekulationen nehmen nach ergebnislosen Beratungen des Aufsichtspräsidiums am Dienstagabend wieder zu.

Spekulationen über Nachfolger für VW-Chef Diess

Reuters

Der Ausgang des Machtkampfs um Volkswagen-Chef Herbert Diess ist weiter offen. Die Mitglieder des paritätisch besetzten Aufsichtsratspräsidiums gingen Insidern zufolge am Dienstagabend nach mehrstündigen Beratungen ohne Be­schluss dazu auseinander. „Das Thema ist so heiß, es steht Spitz auf Knopf. Ich kann dazu nichts sagen“, sagte eine mit den Beratungen vertraute Person. Eine andere Person erklärte: „Die konstruktiven Gespräche dauern an.“ Anleger reagierten skeptisch auf die Nachricht: Stärker als der Gesamtmarkt gab die VW-Vor­zugsaktie am Mittwoch nach.

In den vergangenen anderthalb Jahren wurde schon mehrfach über eine mögliche Ablösung von Diess spekuliert, weil er mit den bei VW traditionell starken Gewerkschaften aneinandergeraten war. Spekulationen über eine Nachfolge an der Spitze von Europas größtem Autobauer nehmen nun wieder zu.

Genannt wird Oliver Blume (53). Der Chef der Stuttgarter VW-Tochter Porsche gilt schon länger als möglicher künftiger Konzernchef. Seit dem Einstieg bei Audi 1994 hat ihn seine Karriere zu verschiedenen Marken und in die Konzernzentrale geführt. Der studierte Maschinenbauer aus Braunschweig hat sich durch die Produktion bei Audi, Seat und der Kernmarke Volkswagen gearbeitet, ehe er 2015 Vorstandschef der Sportwagenschmiede wurde. Der womöglich vorletzte Schritt an die Spitze folgte 2018, als er in den Konzernvorstand aufrückte und die Verantwortung für die konzernweite Produktion und die Luxusmarken Bugatti und Bentley übernahm. Porsche ist mit einer Rendite von 15% der profitabelste deutsche Autobauer und eine Cash Cow für VW.

Als Porsche-Chef hütet Blume das Kronjuwel, die Heimat der VW-Gründerfamilien Porsche und Piëch. Einsparungen handelte er bislang geräuschlos mit dem Betriebsrat aus. Personalabbau in größerem Stil war allerdings in den vergangenen Jahren kein Thema. Zum letzten Machtwechsel bei VW hieß es, Blume müsse bei Porsche den Wandel zu Elektromobilität hinbekommen und mit dem ersten Modell Taycan sein Meisterstück abliefern. Hieran kann er einen Haken setzen: Der 2020 gestartete Taycan verkauft sich sogar besser als die Marken-Ikone 911er.

Der nächste Kandidat: Ralf Brandstätter. Das VW-Eigengewächs ist schon einmal in Diess’ Fußstapfen getreten. Als nach heftigen internen Auseinandersetzungen dessen Job als Konzernchef vor eineinhalb Jahren auf der Kippe stand, übernahm der 53-Jährige die Führung der Hauptmarke VW, die Diess bis dahin in Personalunion geleitet hatte. Der studierte Wirtschaftsingenieur arbeitet fast sein gesamtes Berufsleben bei dem Autobauer und kennt sich gut aus mit den Besonderheiten der Mitbestimmung. Nach Stationen in der internationalen Projektsteuerung der Beschaffung, als Vorstandsreferent im Generalsekretariat und als Projektleiter für neue Fahrzeugprojekte wechselte der Niedersachse 2005 zur spanischen Konzerntochter Seat. Von 2012 an leitete er die Konzernbeschaffung für Fahrzeuganläufe und wurde 2015 Generalbevollmächtigter der Volkswagen AG. Im gleichen Jahr stieg er in den Vorstand der Marke VW Pkw auf.

Brandstätter war im Zuge der Debatte um die Zukunft von Konzernchef Diess Insidern zufolge als Leiter der wichtigen Markengruppe Volumen (VW, Skoda, Seat und VW-Transporter) vorgesehen, als solcher würde er auch Mitglied des Konzernvorstands. Einem größeren Publikum wurde Brandstätter 2021 bekannt, als er die Strategie verkündete, mit der VW autonomes Fahren massentauglich machen will. Dafür steht das Projekt „Trinity“, mit dem die Produktion in Wolfsburg revolutioniert werden soll.

Quereinsteiger Duesmann

Als potenzieller Nachfolger an der VW-Konzernspitze gilt ferner Markus Duesmann. Der Chef der VW-Premiumtochter Audi ist für Wolfsburger Verhältnisse ein Quereinsteiger: Bevor der 52-Jährige im April 2020 an die Spitze der vom Dieselskandal geschüttelten Marke mit den vier Ringen rückte, war er beim Konkurrenten BMW Einkaufschef und davor beim Mercedes-Mutterkonzern DaimlerChrysler und für die For­mel-1-Entwicklung bei Mercedes-Benz tätig. Duesmann saß gleichzeitig mit Diess im BMW-Vorstand und wurde von ihm aus München abgeworben. Der Maschinenbau-Ingenieur ist im Konzernvorstand für die Forschung und Entwicklung verantwortlich sowie für die Luxusmarken Bentley, Lamborghini und die Motorradmarke Ducati. Eine Corona-Infektion im Frühjahr hatte Duesmann zu einer längeren Auszeit gezwungen.

Spekuliert wird aber auch über Thomas Schmall. Der 57-Jährige leitet seit Jahresanfang im Konzernvorstand das Technikressort. Der Experte für Arbeits- und Organisationspsychologie arbeitet ebenfalls seit jungen Jahren bei VW. Als Technikchef ist er verantwortlich für die Zuliefersparte mit weltweit 75000 Mitarbeitern. Die Sparte vermarktet die von Volkswagen entwickelten Baukästen und ist für Entwicklung und Herstellung der Batteriezellen und die dazugehörige Beschaffung sowie die Bereiche Laden und Ladesysteme für E-Autos zuständig. In Schmalls Verantwortung fällt auch der von Volkswagen geplante Bau von sechs Batteriezellfabriken in Europa. Seine Berufung in den Vorstand hatten die Arbeitnehmer bei der Beilegung des Führungsstreits vor einem Jahr unterstützt.

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