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Gute Voraussetzungen für einen Boom im transatlantischen M&A-Markt

Technologische Veränderungen und ESG-Themen bieten gute Voraussetzungen für einen Boom auf dem transatlantischen M&A-Markt.

Gute Voraussetzungen für einen Boom im transatlantischen M&A-Markt

Chancen für Boom im transatlantischen M&A-Markt

Tech-Deals als wesentliche Impulsgeber – ESG zunehmend wichtiger Orientierungspunkt für strategische Entscheidungen

Von Timo Engelhardt, George Casey und Heiko Schiwek *)

Am 10. März 2023 kollabierte die Silicon Valley Bank. Es war die dritte Bankenpleite in den USA binnen Monatsfrist und die zweitgrößte in der Geschichte des Landes. Neun Tage später wurde auf der anderen Seite des Atlantiks die staatlich-orchestrierte Übernahme der Crédit Suisse durch die UBS öffentlich. Dadurch konnte der Ausfall der damaligen Nummer 19 der europäischen Bankenwelt abgewendet werden. Diese Entwicklung vollzog sich nur wenige Wochen nach dem Abschuss chinesischer Heißluftballons über US-Territorium und dem ersten Jahrestag des russischen Einfalls in das ukrainische Kernland. Zur selben Zeit bekämpften westliche Zentralbanken die anschwellende Inflation mit immer neuen Zinserhöhungen.

Zwischen Januar und März 2023 brach denn auch die weltweite M&A-Aktivität um 50% ein. Es war das schwächste erste Quartal seit einem Jahrzehnt. Das Kalenderjahr endete mit einem deutlich unter dem Durchschnitt der letzten Dekade liegenden globalen Gesamttransaktionswert. Am stärksten betroffen war Europa gefolgt von den USA. Grenzüberschreitende Transaktionen trugen dabei ungeachtet ihrer tendenziell höheren Komplexität erneut rund 35% zum Gesamtwert bei. Davon war ein knappes Drittel transatlantisch und es gibt gute Gründe, warum dieser Anteil weiter steigen dürfte.

KI krempelt ganze Branchen um

Technologischer Fortschritt ist seit jeher ein wichtiger Treiber für Unternehmenszusammenschlüsse. Dabei ist insbesondere künstliche Intelligenz (KI) gerade im Begriff, ganze Branchen umzukrempeln. Bei Tech-Deals war Europa nach Anzahl in den letzten drei Jahren globaler Spitzenreiter, während die Vereinigten Staaten gemessen am Transaktionswert klar vorne lagen. Die zwei Regionen vereinten in beiden Kategorien drei Viertel des globalen Marktes auf sich. Ihre Innovationskraft ist ungebrochen. Acht der zehn ersten Plätze auf dem Globalen Innovationsindex 2023 der Weltorganisation für Geistiges Eigentum (WIPO) gehen auf ihr Konto.

Mögen auch viele Transaktionen in diesem Marktsegment größenbedingt im nationalen Umfeld spielen, gibt es doch auch hier signifikante Aktivität über den Atlantik hinweg. So verkaufte 2023 etwa SAP ihre Qualtrics-Mehrheitsbeteiligung an CPPIC und Silver Lake. Letztere stockte zudem ihre Anteile an der deutschen Software AG um 2,6 Mrd. Dollar auf. Eine ganz ähnliche Entwicklung ist im Bereich Biotechnologie zu beobachten. Dort übernahm beispielsweise Ironwood Pharmaceuticals aus Boston im Dezember für knapp 1,2 Mrd. Dollar die Schweizer Vectiv Bio.

Nachhaltigkeit im Fokus

Zusätzliche Dynamik beschert der Trend zu klimafreundlichen Technologielösungen. Bei der Umsetzung ganzheitlicher Strategien zur Dekarbonisierung gibt dabei Europa den Ton an: Von dort kommen zwölf der zwanzig bestplatzierten Länder auf dem Climate Change Performance Index (CCPI) 2024. Zwar rangieren die USA hier noch weit hinten. Massive neue „grüne“ Subventionen, insbesondere auf Grundlage des Inflation Reduction Acts (IRA), zeigen aber deutlich Wirkung, wenn es um die Anziehung und Strukturierung von Investitionen in kohlenstoffärmere Sektoren wie E-Mobilität und erneuerbare Energien weltweit geht.

Zahlreiche US-Investoren haben die Net-Zero Agenda für sich entdeckt. Auch dies führt zu großvolumigen transatlantischen Unternehmenskäufen wie der gerade erst vollzogene Erwerb von Viessmann Climate Solutions durch Carrier Global für 12 Mrd. Euro. Daneben werden Umwelt-, Sozial- und Corporate-Governance (ESG)-Aspekte immer wichtiger für strategische Unternehmensentscheidungen. Dies liegt an einer Kombination aus entsprechendem Anlegerverhalten, veränderten Verbraucherwünschen und entsprechender Gesetzgebung, wie etwa dem deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LKSG).

Damit wächst der Druck auf Marktteilnehmer, ihr unternehmerisches Handeln auch an solchen „weichen“ Faktoren auszurichten. Dies umso mehr als diese auch für die Rekrutierung von Fachkräften und die allgemeine gesellschaftliche Wahrnehmung wichtig sind. Unternehmen, die belegen können, dass sie hier an vorderster Linie stehen, erzielen häufig höhere Bewertungen. Und gerade dies gelingt europäischen und amerikanischen Unternehmen oftmals besser als der übrigen Konkurrenz.

Kanalisierungseffekt

Zusätzliche Sogwirkung in transatlantische Richtung brachten jüngere regulatorische Aktivitäten. Die EU-Verordnung über ausländische Subventionen (FSR) trat vergangenen Juli in Kraft. Sie dient der Bekämpfung von Wettbewerbsverzerrungen durch Drittstaaten. Ins Visier geraten sind staatliche Subventionen, Zuschüsse, Darlehen, Steueranreize, F&E-Finanzierung sowie Aufträge und Konzessionen. Nicht-EU-Investoren mit mehr als 500 Mill. Euro Umsatz können von Transaktionen ausgeschlossen werden. Dabei ist das FSR-Regime neben die in den letzten Jahren bereits zahlreicher und strenger gewordenen nationalen Kontrollmechanismen für ausländische Direktinvestitionen getreten.

Darüber hinaus hat die EU-Kommission gerade erst am 24. Januar 2024 eine Konsultation über ein künftiges Screening-Instrument für Investitionen im Ausland begonnen. Sie folgt damit den USA. Dort wurde nach einer Verschärfung der CFIUS-geführten und CHIPS-Act-basierten Kontrollsysteme ein Gesetz zur Transparenz von Auslandsinvestitionen von US-Unternehmen auf den Weg gebracht. In der Praxis werden dadurch Investitionen und Transaktionen insbesondere mit chinesischer Beteiligung noch schwerer umsetzbar. Diese waren infolge der Pandemie und zunehmender westlicher China-Skepsis ohnehin bereits stark zurückgegangen. Auch das eröffnet mehr Raum für Interaktion zwischen Europa und den USA.

Ausweichbewegungen

Geopolitische Spannungen haben noch an anderer Stelle einen, wenngleich indirekten, Anreiz für transatlantische M&A-Aktivitäten geschaffen. Die Sanktionswellen gegen Russland nach dem 24. Februar 2022 führten primär zu einem massiven Rückzug des Westens aus dem russischen Markt. Der faktische Wegfall Russlands und in gewissem Maße auch der Ukraine als Rohstofflieferant für westliche Volkswirtschaften zwang betroffene Marktteilnehmer dazu, ihre Geschäftsaktivitäten neu zu ordnen, auch durch Schmieden neuer Allianzen.

Dies wird dazu beigetragen haben, dass sich 2023 der US-Agrarriese Bunge mit dem niederländischen Unternehmen Viterra zusammenschloss, dass der irische Wellpappehersteller Smurfit Kappa mit der in Georgia ansässigen WestRock Company fusionierte und der türkische Haushaltsgerätehersteller Arcelik eine umfassende Kooperation mit Whirlpool einging.

Angesichts weiter zunehmender internationaler Spannungen und eines sich beschleunigenden Übergangs von Globalisierung hin zu Blockbildung und „Friend-shoring“, ist für 2024 zu erwarten, dass sich diese Entwicklung fortsetzt.

Makro-Umfeld hellt sich auf

Schließlich deuten auch makroökonomische Indikatoren auf eine Belebung gerade des transatlantischen Geschäfts mit Unternehmenskäufen hin. Der Verbraucherpreisindex für die Eurozone ist seit Januar 2023 binnen Jahresfrist von 8,6% auf 2,8% gesunken. Im gleichen Zeitraum sank die Inflation in den USA von 6,4% auf 3,1%. Folglich haben sowohl die EZB als auch die Fed ihre Serie von Zinserhöhungen beendet.

Die allseits erwarteten Abwärtsschritte würden sowohl die Bewertungs- als auch dies Finanzierungssituation entspannen. Dies könnte insbesondere Private Equity Akteuren helfen, Handlungsdruck abzubauen. Denn es hat sich nicht nur die Anzahl und Haltedauer ihrer Portfoliounternehmen erheblich vergrößert. Die Branche sitzt auch auf nicht investiertem Kapital (dry powder) in Rekordhöhe und zwar vornehmlich in den USA und in Europa.

Damit sind bereits eine Vielzahl von Voraussetzungen für einen Boom auf dem transatlantischen M&A-Markt gegeben. Hoffen wir noch auf weise Entscheidungen des Wählers in diesem Jahr, vor allem in der EU, dem Vereinigten Königreich und den USA.

*) Dr. Timo Engelhardt ist Partner und Global Sector Leader Industrials bei Linklaters in München, George Casey ist Partner und Global Chairman of Corporate bei Linklaters in New York, Heiko Schiwek ist Partner und Global Sector Leader Chemicals bei Linklaters in New York.

Dr. Timo Engelhardt ist Partner und Global Sector Leader Industrials bei Linklaters in München, George Casey ist Partner und Global Chairman of Corporate bei Linklaters in New York, Heiko Schiwek ist Partner und Global Sector Leader Chemicals bei Linklaters in New York