Klimatransitionsplanung: Handlungsbedarf bei der Harmonisierung der Regulierung
Klimaschutzplanung war in der Vergangenheit primär eine staatliche Aufgabe. Unternehmensbezogene Klimaschutzpläne basierten daher meist auf freiwilligen fachlichen Standards. Die Mitgliedstaaten sind dafür verantwortlich, die EU-Klimaschutzziele – insbesondere das Ziel der Klimaneutralität bis 2050 und das Zwischenziel der Emissionsreduktion um 55% bis 2030 – in nationale Strategien und Maßnahmen zu übersetzen und umzusetzen. Um die Klimaschutzziele zu erreichen, spielen große Unternehmen mit erheblichen Treibhausgasemissionen eine zentrale Rolle.
Überführung in Klimaneutralität
Mit Einführung der EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung – der Corporate Sustainability Reporting Directive [CSRD, Richtlinie (EU) 2022/2464] – sind große kapitalmarktorientierte Unternehmen nun verpflichtet, über gegebenenfalls festgelegte Klimaschutzziele zu berichten und, falls solche geplant sind, mögliche Maßnahmen zur Überführung des Geschäftsmodells in die Klimaneutralität in einem sogenannten Klimaübergangsplan offenzulegen. Zur Konkretisierung dieser Berichtspflicht hat die European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) rechtlich verbindliche Standards entwickelt. Ein Klimaübergangsplan muss demnach im Wesentlichen folgende Inhalte aufweisen: 1. Angabe der Dekarbonisierungsziele des Unternehmens und deren Vereinbarkeit mit dem 1,5-Grad-Ziel des Pariser Abkommens, 2. Erläuterung der wichtigsten Klimaschutzmaßnahmen, 3. Erläuterung der finanziellen Mittel zur Umsetzung dieser Maßnahmen und 4. Angaben, wie der Plan in die allgemeine Geschäftsstrategie und Finanzplanung des Unternehmens eingebunden ist und ob er von dessen Verwaltungs-, Leitungs- und Aufsichtsorganen genehmigt wurde.
Rechtlich betrachtet wird mit der CSRD und den Vorgaben der EFRAG den von der CSRD erfassten Unternehmen keine Handlungspflicht zur Aufstellung eines Klimaübergangsplans auferlegt. Es geht um eine reine Berichtspflicht im Hinblick auf die Frage, ob ein Unternehmen einen solchen Plan aufgestellt hat oder nicht. Ein Unternehmen kann auch berichten, dass es keinen solchen Plan hat; dann muss es lediglich mitteilen, ob und gegebenenfalls, wann es einen solchen Plan aufstellen will. Wenn sich ein Unternehmen allerdings entscheidet, einen Klimaübergangsplan im Sinne der CSRD aufzustellen, muss dieser die in der CSRD und den EFRAG-Standards genannten Anforderungen erfüllen. Besonders wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass der Klimaübergangsplan nach der CSRD nicht zwingend „Paris-compliant“ sein muss. Daher stellt es keinen Verstoß gegen die Vorgaben der Richtlinie dar, wenn die Dekarbonisierungsziele eines Unternehmens nicht geeignet sind, die Klimaschutzziele von Paris (und dabei insbesondere das ambitionierte 1,5-Grad-Ziel) zu erreichen. In einem solchen Fall muss das Unternehmen darauf hinweisen, dass sein Plan nicht zur Zielerreichung geeignet ist.
Strengere Pflichten bei CSDDD
Inzwischen sind allerdings weitergehende Anforderungen an Klimaschutzpläne für Unternehmen in Kraft getreten, sofern diese unter die EU-Lieferkettenrichtlinie [Corporate Sustainability Due Diligence Directive – CSDDD, Richtlinie (EU) 2024/1760] fallen. Nach deren Artikel 22 Absatz 1 müssen die EU-Mitgliedstaaten sicherstellen, dass diese Unternehmen über einen Klimawandelminderungsplan verfügen. Dabei gehen die Anforderungen der CSDDD über den Klimaübergangsplan nach der CSRD hinaus: So normiert die CSDDD eine unmittelbare Handlungspflicht des Unternehmens zur Klimaschutzplanung (und keine bloße Reporting-Pflicht). Unternehmen müssen hiernach nicht nur einen Klimawandelminderungsplan aufstellen, sondern diesen auch umsetzen. Die Inhalte eines solchen Plans sind zwar in weiten Teilen deckungsgleich mit den einzelnen Komponenten des Klimaübergangsplans nach der CSRD. In zentralen Punkten, insbesondere hinsichtlich der unternehmensseitig zu setzenden Klimaschutzziele, geht die CSDDD allerdings über die CSRD-Vorgaben hinaus. So verpflichtet sie Unternehmen ausdrücklich im Wege einer „best efforts“-Klausel, das Unternehmen am 1,5-Grad-Ziel sowie dem Ziel der Klimaneutralität bis 2050 auszurichten. Zudem muss der Plan auf „schlüssigen wissenschaftlichen Erkenntnissen“ beruhen. Darüber hinaus müssen Zwischenziele für 2030 sowie in Fünfjahresschritten bis 2050 angegeben werden und – jedenfalls „sofern zweckmäßig“ – auch absolute Zielvorgaben für die Scope-1-, Scope-2- und Scope-3-Emissionen für jede erhebliche Kategorie. Dieses umfassende Pflichtenprogramm stellt betroffene Unternehmen daher vor große Herausforderungen.
Angesichts der erweiterten Anforderungen ist besonders Artikel 22 Absatz 2 CSDDD relevant: bei Unternehmen, die einen Plan zur Minderung der Folgen des Klimawandels im Einklang mit den CSRD-Vorgaben vorlegen, wird davon ausgegangen, dass sie die Verpflichtung zur Annahme des Klimawandelminderungsplans nach der CSDDD erfüllt haben. Diese Vorschrift stellt aufgrund der darin geregelten Ersetzungsfunktion eine erhebliche Erleichterung für die Erfüllung der unternehmensbezogenen Pflichten der CSDDD dar. Allerdings ist unklar, ob diese Erleichterung auch dann greift, wenn ein CSRD-Klimaübergansplan im konkreten Fall – etwa im Hinblick auf die Paris-Ziele – hinter den strengeren Vorgaben der CSDDD zurückbleibt. Der Wortlaut des Artikels 22 Absatz 2 CSDDD und die Erwägungsgründe sind insoweit nicht eindeutig. Die Frage wird daher kontrovers diskutiert, was zu erheblichen Rechtsunsicherheiten für unternehmensbezogene Klimaschutzplanungen führt.
Omnibus bei Auslegungsfragen
Vor diesem Hintergrund bietet es sich an, derartige Rechtsunsicherheiten angesichts der aktuell auf EU-Ebene geplanten Änderungen zur Entbürokratisierung der Nachhaltigkeitsberichterstattung (sogenannte Omnibus-Initiative) zu lösen. Tatsächlich sieht der derzeitige Gesetzesentwurf auch Änderungen an Artikel 22 CSDDD vor – jedoch nicht an Absatz 2. Die genannten Unklarheiten zur Ersetzungsfunktion bleiben somit bestehen. Insofern wäre hier eine Klarstellung dringend erforderlich. Im Übrigen wird vorgeschlagen, in Artikel 22 Absatz 1 CSDDD nicht mehr die „Annahme und Umsetzung“ eines Klimawandelminderungsplans zu fordern, sondern stattdessen die „Annahme und Aufnahme von Umsetzungsmaßnahmen“. Dieser Vorschlag stößt insbesondere in der Wissenschaft auf Kritik, da er als zu weitgehende Abschwächung der Unternehmenspflichten gewertet wird, zumal bereits die bisherige Umsetzungsverpflichtung als reine Handlungspflicht und nicht als Erfolgspflicht zu verstehen ist. Diese Einwände erscheinen allerdings nicht durchschlagend. Denn schon nach geltender Rechtslage erfassen die Sanktionsregelungen der CSDDD lediglich die Pflicht zur Annahme, nicht aber zur Umsetzung des Plans. Die geplante Aufhebung der Umsetzungspflicht dürfte daher zumindest in der Praxis keine weitreichenden Auswirkungen haben. Dass Unternehmen ihre in einem Klimawandelminderungsplan gesetzten Ziele und Maßnahmen im großen Stil nicht umsetzen, ist schon aus unternehmerischem Eigeninteresse und im Hinblick auf mögliche Greenwashing-Vorwürfe nicht zu erwarten.
Klimatransitionsplanung wichtig
Die verschiedenen Regularien zur Klimatransitionsplanung sind komplex und insbesondere das Zusammenspiel von CSRD und CSDDD wirft einige Auslegungsfragen auf, deren Klärung anlässlich der aktuellen Omnibus-Initiative wünschenswert wäre. Fraglich ist zudem, ob kleinteilige Ausarbeitungen wie die Vorgaben der EFRAG sowie weitere bereits geplante und komplexe Umsetzungshilfen geeignet sind, das Ziel der Unternehmenstransformation zu erreichen. Handwerklich besser wären abgestimmte Regelwerke, deren Anforderungen sich auf ein „vernünftiges Maß“ beschränken, ohne die eigentliche Regelungsintention – das Ziel der Klimaneutralität und die Vermeidung einer zukünftigen „Vollbremsung“ grundrechtlicher Freiheiten aus Gründen des Klimaschutzes – aus den Augen zu verlieren. Denn klar ist auch: Die Auswirkungen des Klimawandels werden allein durch die aktuelle geopolitische Situation und den weltweiten ESG-backlash nicht weniger, sondern im Gegenteil wird sich das Problem in den kommenden Jahren noch verstärken. Für eine verantwortungsvolle Unternehmensführung ist es daher weiterhin zentral, die Klimatransitionsplanung ernst zu nehmen und daran mit Nachdruck weiterzuarbeiten.
*) Prof. Dr. Markus Appel, LL.M. ist Partner für Umwelt- und Planungsrecht bei Linklaters in Berlin.