GastbeitragCorporate Finance

Sachkapitalerhöhungen gewinnen an Attraktivität

Sachkapitalerhöhungen führten in Deutschland lange ein Schattendasein. Der neue Regulierungsrahmen im Zukunftsfinanzierungsgesetz macht das Instrument zu einem attraktiven Corporate Finance Tool.

Sachkapitalerhöhungen gewinnen an Attraktivität

Sachkapitalerhöhungen gewinnen an Attraktivität

Zukunftsfinanzierungsgesetz beseitigt Transaktionsrisiken − Prospektrechtliche Erleichterungen

Von Michael Schlitt und Tim Oliver Brandi *)

Sachkapitalerhöhungen haben in Deutschland bei börsennotierten Unternehmen bislang ein Schattendasein gefristet. Dies überrascht, da diese Transaktionsform börsennotierten Gesellschaften ermöglicht, ihre Aktien als Akquisitionswährung einzusetzen. Indem die Unternehmen bei Share-for-Share Deals den Unternehmenserwerb nicht in bar, sondern durch Ausgabe neuer Aktien finanzieren, schonen sie ihre Liquidität. Da die neuen Aktien nur von dem Veräußerer des Unternehmens gezeichnet werden, gehen solche Sachkapitalerhöhungen zwingend mit einem Bezugsrechtsausschluss einher.

Grund für die seltene Nutzung dieses Instruments waren die Transaktionsrisiken, die insbesondere aus einer möglichen Wertverwässerung der Aktien der außenstehenden Gesellschafter resultierten. Der Gesetzgeber hat es sich im Rahmen des Zukunftsfinanzierungsgesetzes zur Aufgabe gemacht, dieses Hindernis zu beseitigen.

Transaktionsstrukturen

Im Zuge von Sachkapitalerhöhungen können die neuen Aktien durch Ausnutzung eines genehmigten Kapitals oder durch einen Hauptversammlungsbeschluss im Wege einer ordentlichen Kapitalerhöhung geschaffen werden. In der Regel wird für solche Transaktionen das genehmigte Kapital genutzt. Besteht eine solche Ermächtigung, können Vorstand und Aufsichtsrat eine Kapitalerhöhung kurzfristig beschließen und eine Akquisition abschließen.

Demgegenüber stellen Direktbeschlüsse der Hauptversammlung in der Praxis den Ausnahmefall dar. Zwar ist bei ordentlichen Kapitalerhöhungen das Volumen der neu emittierten Aktien nicht wie beim genehmigten Kapital auf 50% des Grundkapitals beschränkt. Außenstehende Aktionäre haben in der Vergangenheit solche Hauptversammlungsbeschlüsse allerdings häufig nicht nur unter Berufung auf formale Fehler (unrichtiger bzw. unvollständiger Vorstandsbericht oder Verletzung des Informationsrechts in der Hauptversammlung), sondern auch unter Hinweis auf eine vermeintliche falsche Bewertungsrelation angefochten. Aufgrund dieser Bewertungsrüge kritischer Aktionäre bestand ein hohes Transaktionsrisiko, das auch durch das aktienrechtliche Freigabeverfahren nicht maßgeblich reduziert werden konnte.

Maßgeblichkeit des Börsenkurses

Bei Sachkapitalerhöhungen ist eine Bewertungsrelation zwischen dem Wert der neuen Aktien und dem Wert der Sacheinlage herzustellen. Dabei war nach bisheriger Rechtslage ungesichert, inwieweit der Börsenkurs maßgeblich ist. Infolge des Zukunftsfinanzierungsgesetzes ist nunmehr vorgegeben, dass bei im regulierten Markt notierten Gesellschaften die Bewertung der neu auszugebenden Aktien nach dem Aktienkurs zu erfolgen hat. Dabei ist grundsätzlich der gewichtete Durchschnittskurs während der drei Monate vor dem Entscheidung über die Aktienausgabe maßgeblich.

Indessen besteht Einigkeit, dass je nach den transaktionsspezifischen Umständen (Unternehmenserwerbe, Sanierungsfälle und Umtauschangebote) Abschläge auf den Börsenkurs von über 5% weiterhin zulässig sind. Konsens besteht auch darüber, dass andere Methoden zur Ermittlung des tatsächlichen Unternehmenswerts berücksichtigt werden können. Dies gilt etwa, wenn eine nicht börsennotierte Unternehmensbeteiligung eingebracht wird. So kann aufgrund des Grundsatzes der Methodengleichheit (zumindest) eine ergänzende Betrachtung des intrinsischen Werts der kapitalerhöhenden Gesellschaft (insb. Ertragswert- oder DCF-Methode) erforderlich sein, wenn die Sacheinlage nicht nach dem Börsenkurs zu bewerten ist.

In Hinblick auf die Bewertung der Sacheinlage war nach bisheriger Rechtslage grundsätzlich ihr tatsächlicher, nach allgemeinen Bewertungsmethoden zu ermittelnder Wert maßgebend. Ist das zu erwerbende Unternehmen börsennotiert, legt das Postulat der Methodengleichheit nahe, den Wert der Sacheinlage grundsätzlich auch nach dem Börsenkurs zu bestimmen. Gleichwohl bleibt beim Umtauschangeboten die Gewährung eines marktüblichen Premiums weiterhin möglich.

Ausschluss der Bewertungsrüge

Wesentliche Neuerung ist, dass Anfechtungsklagen gegen den Hauptversammlungsbeschluss der kapitalerhöhenden Gesellschaft nicht mehr auf eine vermeintlich fehlerhafte Bewertung gestützt werden können. Mit einer Anfechtungsklage können damit grundsätzlich. nur noch formale Fehler, wie etwa Informationsrechtsverletzungen, geltend gemacht werden. Die Bewertungsrelation kann nur noch im Zuge eines Spruchverfahrens überprüft werden, in dessen Rahmen die Aktionäre einen Barausgleich erhalten, wenn der auf eine Aktie entfallende Wert der Einlage unangemessen niedrig ist. Der Anspruch entfällt, wenn der Ausgabebetrag den Börsenkurs nicht wesentlich unterschreitet.

Um die Liquiditätsbelastung durch Barabflüsse zu vermeiden, kann die Gesellschaft im Kapitalerhöhungsbeschluss festlegen, dass sie als Alternative zum Barausgleich einen Ausgleichsanspruch in Aktien anbietet. Schuldner des Ausgleichsanspruchs ist nur die Gesellschaft. Anders als dies noch der Regierungsentwurf des Zukunftsfinanzierungsgesetzes vorgesehen hatte, besteht kein Freistellungs- bzw. Erstattungsanspruch gegen den Inferenten.

Der Erbringer der Sacheinlage unterliegt zwar bei einer Überbewertung des von ihm eingebrachten Gegenstandes der (regelmäßig auf 1 Euro pro Aktie beschränkten) Differenzhaftung. Er soll aber nach dem Willen des Gesetzgebers nicht das Risiko einer fehlerhaften Bewertung durch die Organe der Gesellschaft tragen.

Erfolgt die Sachkapitalerhöhung durch Ausnutzung des genehmigten Kapitals, sind die oben skizzierten Bewertungsgrundsätze trotz des nicht eindeutigen Gesetzeswortlautes ebenfalls anwendbar. Die Rechtsschutzmöglichkeiten der außenstehenden Gesellschafter sind in diesem Fall noch eingeschränkter, da mangels Anfechtungsmöglichkeit kein Barausgleich und kein Spruchverfahren zur Verfügung steht. Für die Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat verbleibt freilich das Risiko einer Organhaftung, so dass es sich für die Gesellschaft weiterhin empfiehlt, ein Bewertungsgutachten einzuholen.

Prospektrechtliche Erleichterungen

Dass bei Sachkapitalerhöhungen in den meisten Fällen ein umfangreicher Prospekt erstellt werden musste, hat ebenfalls nicht zur Popularität dieses Instrument beigetragen. Insoweit hat der EU Listing Act erfreulicherweise zu deutlichen Erleichterungen geführt.

So wurde aber eine für die Praxis wichtige volumenabhängige Ausnahme eingeführt. So muss überhaupt kein Dokument veröffentlicht werden, wenn die Aktien aus der Kapitalerhöhung mit den bestehenden, am selben geregelten Markt zugelassenen Wertpapieren des Emittenten fungibel sind sowie die Schwelle von 30% der bereits gehandelten Wertpapiere im selben Markt über einen 12-Monats-Zeitraum nicht übersteigen.

Zusätzlich besteht eine volumenunabhängige Ausnahme, die vor allem bei besonders großvolumigen Übernahmen relevant ist. In diesem Fall bedarf es nur eines prospektbefreienden, 11-seitigen Dokuments. Dieses weist einen deutlich geringeren Inhalt und Umfang als  ein „Standard“-Prospekt auf.

Komplexere Situation

Etwas komplexer erweist sich die Situation beim Erwerb börsennotierter Unternehmen. Auch insoweit steht eine für Übernahmen anderer Unternehmen zugeschnittene volumenunabhängige Ausnahme zur Verfügung. Diese setzt die Veröffentlichung eines prospektbefreienden Dokuments nach Maßgabe der Delegierten Verordnung der EU 2021/528 voraus, das ebenfalls kürzer als ein „Standard“-Prospekt ist. Die darin enthaltenden Informationen sind in die im Zuge des Übernahmeangebots zu veröffentlichenden Angebotsunterlage aufzunehmen.

Zudem besteht auch insoweit die oben genannte volumenabhängige Ausnahme: Übersteigt die Kapitalerhöhung nicht mehr als 30% des Grundkapitals innerhalb von 12 Monaten würde es an sich ausreichen, ein prospektbefreienden 11-seitigen Dokument zu erstellen, das keine Angaben zur Zielgesellschaft enthalten muss. Allerdings hat der Gesetzgeber den Mindestinhalt der Angebotsunterlage nach der WpÜG-Angebotsverordnung noch nicht an diese Prospektausnahme angepasst, so dass weiterhin eine umfangreichere Unterlage nach der Delegierten Verordnung zu erstellen ist.

Abgesänge auf das Instrument der Sachkapitalerhöhung sind mithin zu früh erfolgt. Im Gegenteil haben die aktienrechtlichen und prospektrechtlichen Änderungen Sachkapitalerhöhungen zu einem attraktiven Corporate Finance Tool gemacht. 

*) Prof. Dr. Michael Schlitt und Dr. Tim Oliver Brandi sind Partner von Hogan Lovells.

Prof. Dr. Michael Schlitt und Dr. Tim Oliver Brandi sind Partner von Hogan Lovells.