Shortseller-Attacken fordern das Management heraus
Shortseller-Attacken fordern
das Management heraus
Durchdachte und koordinierte Reaktion auf Vorwürfe ist unerlässlich
Von Daniel Zapf
und Stefan Bressler *)
Bei Shortsellern handelt es sich um spekulative Kapitalmarktinvestoren, die auf fallende Kurse eines Börsenwertes setzen und zugleich investigative Berichte im Hinblick auf das betroffene Unternehmen veröffentlichen. Diese Berichte greifen in der Regel vermeintliche Missstände auf und führen zu den erwünschten negativen und für den Shortseller gewinnbringenden Kursentwicklungen. Dies unterscheidet den Shortseller deutlich vom „klassischen“ aktivistischen Aktionär, der typischerweise in ein Unternehmen investiert, um durch entsprechende Einflussnahme auf das Management kurz- bis mittelfristig Wertpotenziale zu heben.
Die Berichte der Shortseller versuchen durch eine mehr oder weniger gute Faktenunterfütterung dem Vorwurf einer Marktmanipulation entgegenzuwirken. Die Qualität der vorgebrachten Fakten sowie der daraus oftmals sehr spekulativ gezogenen Annahmen und Schlussfolgerungen variiert jedoch stark. So mögen Shortsellerberichte hin und wieder durchaus sehr berechtigte Kritikpunkte aufgreifen. Das darf jedoch nicht den Blick darauf verstellen, dass das Geschäftsmodell der Shortseller nicht die altruistische und neutrale Aufklärung des Kapitalmarkts ist.
Der Kapitalmarkt und andere Stakeholder wie Finanzierungspartner, Wirtschaftsprüfer oder auch die öffentliche Hand tendieren mittlerweile schon aus Vorsicht dazu, die in den Shortsellerberichten (oft bewusst reißerisch) dargestellten Vorwürfe zunächst ernst zu nehmen. Dies hat erhebliche Konsequenzen für die betroffenen Unternehmen, wie etwa eine deutlich negative Kursentwicklung.
Im Teufelskreis
Der Teufelskreis der negativen Auswirkungen verstärkt sich zudem noch, wenn Finanzierungspartner aufgrund der Vorwürfe die Gewährung von notwendigen Finanzierungen verzögern oder dem Abschlussprüfer ohne detaillierte Aufklärung die Erteilung eines (uneingeschränkten) Abschlussvermerks schwerfällt. Die Versagung bzw. Einschränkung eines Abschlussvermerks hat dann wiederum Wechselwirkungen (z.B. Kündigungsmöglichkeiten unter laufenden Finanzierungen oder kommerziellen Verträgen), die die Abwärtsspirale beschleunigen.
In dieser Gemengelange sehen sich die Unternehmen genötigt, innerhalb kürzester Zeit auf die Vorwürfe zu reagieren, diese zu bestreiten und noch weitergehend, die Substanzlosigkeit darzulegen. Shortseller provozieren so kurzfristige Reaktionen, was jedoch immer die Gefahr von Ungenauigkeiten und überhitzten Antworten birgt. Zudem folgen auf den ersten Bericht oft weitergehende Vorwürfe seitens des Shortsellers, um die Glaubwürdigkeit der Unternehmen weiter zu untergraben.
So ist es mittlerweile öfter zu beobachten, dass Shortseller mehrere Berichte in Abständen weniger Wochen veröffentlichen (teilweise schon angekündigt, teilweise als (Gegen-)Reaktion auf die Antworten des Unternehmens) – ebenfalls schon vorgekommen ist die gezielte Ansprache von Finanzierungspartnern oder den Abschlussprüfern des Unternehmens durch den Shortseller.
Aktives Krisenmanagement
Eine durchdachte und koordinierte Reaktion auf solche Vorwürfe ist daher unerlässlich. Das Krisenmanagement sollte in Abstimmung mit allen relevanten Akteuren erfolgen. Zu diesen Akteuren gehören unter anderem finanzierende Banken, Abschlussprüfer, Aktionäre, wesentliche Geschäftspartner und andere Marktteilnehmer.
Eine umfassende Untersuchung durch unabhängige externe Berater und eine offene Kommunikation hierüber ist empfehlenswert. Dabei sollte sorgfältig überlegt werden, ob zum Beispiel der eigene Abschlussprüfer aus Effizienzgründen einbezogen werden sollte. Dies kann zu Friktionen führen, selbst wenn innerhalb der Häuser eine Trennung (Ethical Walls) der Abteilungen erfolgt. „Gegenangriffe“ auf den Shortseller selbst (z.B. auch durch das Stellen von Strafanzeigen) sollten gut überlegt und abgewogen werden. Eine umfassende Aufklärung und transparente Kommunikation gegenüber den Stakeholdern können nicht nur mögliche Marktverzerrungen revidieren, sondern auch, falls Unregelmäßigkeiten oder notwendige Governance-Verbesserungen festgestellt werden, das Vertrauen in das Unternehmen stärken. Allein der Umstand einer unabhängigen Aufklärung führt kurzfristig in der Regel zu einer positiven Reaktion am Markt.
Um sich gegen Shortseller-Attacken zu wappnen, sollten Unternehmen bereits im Vorfeld präventive Maßnahmen ergreifen. Dazu gehört die kontinuierliche Überwachung und Analyse von Markttrends (wie etwa vermehrte Shortsellerangriffe auf vergleichbare Unternehmen) sowie die Erstellung eines Notfallplans, der im Falle eines Angriffs sofort in Kraft treten kann.
Transparenz entscheidend
Transparenz und Offenheit gegenüber den Stakeholdern sind dabei entscheidende Faktoren, um das Vertrauen zu bewahren. Unternehmen sollten proaktiv und regelmäßig informieren. Dies schafft Vertrauen und zeigt, dass das Unternehmen die Vorwürfe ernst nimmt und sich um eine umfassende Aufklärung bemüht.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist, möglichst wenig „Angriffsfläche“ zu bieten. Dies umfasst die Implementierung robuster Compliance-Systeme, die Überwachung von Geschäftspraktiken und die Sicherstellung, dass gesetzliche und regulatorische Anforderungen, auch etwa mit Blick auf die Vermeidung des Vorwurfs des „Greenwashings“, erfüllt werden. Dabei empfiehlt sich, durch interne Risikobewertungen, mögliche Einfallstore (auch Branchenrisiken) für Shortseller zu identifizieren. Ein starke Governance kann somit nicht nur dazu beitragen, Shortseller-Attacken abzuwehren, sondern auch das Vertrauen der Investoren und anderer Stakeholder langfristig zu stärken.
*) Dr. Daniel Zapf und Dr. Stefan Bressler sind Partner der Kanzlei White & Case.