RECHT UND KAPITALMARKT - IM INTERVIEW: MANUEL LORENZ

Börse in Schanghai will multinationale Konzerne anziehen

Anfängliche Kandidaten sind "Red Chip"-Unternehmen - Zweitlisting kommt

Börse in Schanghai will multinationale Konzerne anziehen

– Herr Dr. Lorenz, in China gibt es Pläne, ein internationales Börsensegment für ein Listing ausländischer Unternehmen einzurichten. Wie weit sind die Vorbereitungen gediehen?In China gibt es Wertpapierbörsen in Schanghai und Shenzhen. Grundsätzlich können dort nur Unternehmen mit Gesellschaftssitz in China gelistet werden. Die Börse von Schanghai plant nun die Einrichtung eines International Board für Listings ausländischer Gesellschaften.- Mit welchem Ziel?Damit soll der Öffnung der chinesischen Wirtschaft für ausländische Unternehmen Rechnung getragen werden. Ausländische Unternehmen sollen in diesem Segment Kapital in der nationalen Währung RMB aufnehmen können. Gleichzeitig soll die Bedeutung des RMB auf den internationalen Devisenmärkten gefördert werden. Auch sollen weitere Anlagemöglichkeiten für die in China angesammelten immensen Ersparnisse geschaffen werden. Dadurch erschließt sich ein Betätigungsfeld für lokale Investmentbanken und Beratungsunternehmen rund um den Börsengang.- Wie ist der Stand der Dinge?Derzeit sind Arbeitsgruppen der Börse und der chinesischen Wertpapieraufsicht eingesetzt, die Umsetzungsvorschläge erarbeiten sollen. Es ist jedoch auch eine Änderung des gesetzlichen Rahmens erforderlich, wofür der Volkskongress und der Staatsrat zuständig sind. Ein klarer Zeitplan wurde bislang weder von den gesetzgebenden Organen, noch von der Wertpapieraufsicht bekannt gegeben. Shang Fulin, der Vorsitzende der chinesischen Wertpapieraufsicht, sagte allerdings kürzlich, dass die Einführung dieses Segments näher und näher rückt.- Welche Kandidaten kommen für das International Board in Betracht?Anfängliche Kandidaten für ein Listing am International Board wären Red-Chip-Unternehmen – also Unternehmen, die aus China stammen, die aber eine nichtchinesische Holdinggesellschaft haben und die schon an einer nichtchinesischen Börse notiert sind, wie China Mobile oder Lenovo. Weiter hat man notierte multinationale Konzerne mit Aktivitäten und Kapitalbedarf in China, wie HSBC, Coca-Cola, Wal-Mart oder Volkswagen, im Visier.- Es sollen schon mehr als 60 Unternehmen Interesse an einem Listing am International Board bekundet haben. Gibt es Hinweise, welche Listingvoraussetzungen ein Unternehmen erfüllen muss?Nach Angabe des Vorsitzenden der Börse in Schanghai, Geng Liang, sollen jedenfalls anfänglich nur Neuemissionen von Aktien und nur in der chinesischen Währung RMB in Frage kommen. Ansonsten gibt es noch keine Klarheit über die Grundvoraussetzungen. In den chinesischen Medien wird kolportiert, dass eine Marktkapitalisierung von mindestens 30 Mrd. RMB (etwa 3,25 Mrd. Euro) und Gewinne von mindestens 3 Mrd. RMB (325 Mill. Euro) in den vergangenen drei Jahren gefordert werden.- Ein Zweitlisting in den USA hat für viele Konzerne nicht die erhoffte Liquidität in der Aktie gebracht, warum sollte dies in China besser laufen?Red Chips sind im chinesischen Markt bereits als Unternehmen aktiv und dort sehr populär. Daneben erfreuen sich jedenfalls multinationale Unternehmen mit zugkräftigen Marken hoher Beliebtheit in China. Das lässt auf eine hohe Investitionsbereitschaft der chinesischen Investoren schließen, besonders auch weil die Chinesen enorme Beträge als Ersparnisse gehortet haben. Sinnvoll sein kann eine Kapitalaufnahme in diesem Segment aber wegen der geplanten Beschränkung auf Emissionen in RMB nur, wenn die betreffenden Unternehmen die Mittel auch in dieser Währung zum Wachstum in China benötigen.- Können deutsche Unternehmen heute schon aktiv chinesische Investoren ansprechen?Nein. Für eine aktive Ansprache in Hinblick auf einen Börsengang in Schanghai sind die Pläne im Moment noch nicht weit genug gediehen. Derzeit beschränken sich die Möglichkeiten auf einen Börsengang in Hongkong, wobei sich die regulatorischen Rahmenbedingungen von denen in China radikal unterscheiden und keinen Zugang zu RMB geben. Eine Reihe europäischer Emittenten hat den Weg dorthin schon beschritten, etwa die russische Rusal, das Kosmetikunternehmen L’Occitane oder Prada.—-Dr. Manuel Lorenz ist Partner im Bereich Capital Markets von Baker & McKenzie.Die Fragen stellte Sabine Wadewitz.