Investmentfonds - Gastbeitrag

Britische Aktien profitieren von Asiens Konsum

Börsen-Zeitung, 19.11.2010 Die Wahlen im Mai 2010 haben die politische Landschaft in Großbritannien sehr verändert. Die Einigung von Konservativen und Liberaldemokraten bescherte dem Land erstmals seit 65 Jahren eine Koalitionsregierung. Die neue...

Britische Aktien profitieren von Asiens Konsum

Die Wahlen im Mai 2010 haben die politische Landschaft in Großbritannien sehr verändert. Die Einigung von Konservativen und Liberaldemokraten bescherte dem Land erstmals seit 65 Jahren eine Koalitionsregierung. Die neue Regierung hat den Abbau des Staatsdefizits zur Priorität erklärt. Ein absolut notwendiger Schritt, da das britische Haushaltsdefizit den höchsten Stand seit 70 Jahren erreicht hat. Die von der Regierung vorgestellten Ausgabenkürzungen werden dazu beitragen, das Vertrauen in den britischen Haushalt zu verbessern. Dennoch bleibt eine gewisse Unsicherheit, bis man weiß, ob die Koalition ihren Zusammenhalt nicht verliert, sobald die Kürzungen zu greifen beginnen.Für den Aktienmarkt bedeuten die Maßnahmen der Regierung nur wenig. Denn britische Unternehmen erzielen im Auslandsgeschäft höhere Erträge als im Inland. Folglich hat eine Änderung im amerikanischen S & P 500 Index eine größere Auswirkung auf den britischen Aktienmarkt als ein Regierungswechsel. Die Unternehmen, die im FTSE 100 gelistet sind, erzielen einen großen Anteil ihres Umsatzes im Ausland, insbesondere in wichtigen Sektoren wie Bergbau, Tabak, Pharma, Bankwesen und Öl. Sie sind weltweit aktiv und bieten ein diversifiziertes Bild in Bezug auf die Verteilung der Umsätze und der Währungsbewegungen. Viele Firmen mit hoher Börsenkapitalisierung, die sogenannten Large Caps, sind gut aufgestellt, da sie mit bekannten Marken und einem starken Management aufwarten können. Die deutliche Erholung der Gewinne britischer Unternehmen ist maßgeblich auf die Belebung der Weltwirtschaft zurückzuführen. Viele britische Anbieter sind in den rasch wachsenden Emerging Markets aktiv. Wachsende NachfrageHierbei spielt die wachsende Konsumnachfrage Asiens eine wichtige Rolle. Erst rund 43 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) entfallen in Asien (ex Japan) auf den Konsum, in den USA sind es dagegen 71 Prozent. Besonders positiv entwickelt sich die Binnennachfrage in China. Die wachsende Binnennachfrage, die in ganz Asien (ex Japan) zu spüren ist, wird aller Voraussicht nach zu höheren Ausgaben für das Gesundheitswesen und Finanzdienstleistungen führen, was sich wiederum vorteilhaft auf britische Pharma- und Finanztitel auswirkt.Die Entwicklung in den USA ist ein gutes Beispiel: Als dort das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf den Wert von 25 000 Dollar überschritten hatte, stiegen die Ausgaben für Finanzdienstleistungen. Inzwischen steuern viele asiatische Länder auf dieses Niveau zu. HSBC und Standard Chartered gehören zu den britischen Unternehmen, die dank ihrer Positionierung von diesem Trend profitieren könnten.Auch Bergbauunternehmen aus Großbritannien sind gut positioniert, um vom globalen Wachstum zu profitieren. Trotz zunehmender Sorgen um steigende Lagerbestände könnte China Metallvorräte als besseres Mittel zur Wertaufbewahrung betrachten als Papiergeld – insbesondere weil viele Industrienationen auf eine quantitative Lockerung bei der Geldpolitik setzen. Die Infrastrukturinvestitionen im chinesischen Eisenbahnsektor sind ein gutes Beispiel für das hohe langfristige Wachstumspotenzial bei Rohstoffen durch den Ausbau der Infrastruktur. Die Investitionen entsprechen auf einer Pro-Kopf-Basis aktuell 2 % des Niveaus, das in den USA in den 1920ern verzeichnet wurde. Das wird die Rohstoffnachfrage auf lange Sicht treiben.Allerdings müssen britische Unternehmen, die im inländischen Konsumsektor tätig sind, dieses Jahr mit Gegenwind rechnen, da Steuererhöhungen vorgenommen werden und die Arbeitslosigkeit voraussichtlich ansteigt. Der britische Plan zum Defizitabbau führt wahrscheinlich zu Bemühungen zur Effizienzverbesserung, sodass Outsourcing in stärkerem Maße in Anspruch genommen werden könnte. Unternehmen wie Capita, die in diesem Sektor führend ist, können davon profitieren.Nach dem wirtschaftlichen Abschwung waren britische Unternehmen flexibel genug, um rasch zu reagieren. Viele haben ihre Betriebskosten gesenkt und die Liquiditätsbeschaffung verbessert. Die britischen Unternehmen, die nicht im Finanzsektor tätig sind, haben in ihren Bilanzen hohe liquide Mittel aufgebaut, die im Durchschnitt rund 11 % ihrer Marktkapitalisierung entsprechen. Bilanzen wurden saniert und Cash-flows verbessert. Die Aktienrückkäufe lagen im vergangenen Jahr fast 100 % unter dem Stand von 2008. Die Investitionen, gemessen in Prozent vom Umsatz, fielen auf das tiefste Niveau seit 15 Jahren. Eine Verbesserung der Eigenkapitalrendite verspricht vermehrte Fusions- und Akquisitionstätigkeit. Nach der Verbesserung ihrer Liquiditätslage stellt sich die Frage, welche Strategie die Unternehmen nun verfolgen: Aktienrückkäufe, Erhöhung der Dividende, Ausweitung der Geschäftsinvestitionen oder Ausloten von Fusions- und Akquisitionschancen. Sechs schwache Quartale Insgesamt verzeichnete Großbritannien bis zum vierten Quartal 2009 sechs Quartale mit negativen Wachstumsraten in Folge – was noch nie vorkam – und begab sich als letztes G 7-Land wieder auf den Wachstumspfad. Für das britische BIP werden Wachstumsraten von 1,25 % im laufenden und 3,25 % im kommenden Jahr erwartet, während die Kreditaufnahme im öffentlichen Sektor von 11,8 % des BIP im Fiskaljahr 2009/10 auf 4 % des BIP in fünf Jahren fallen soll. Die Konsumzurückhaltung der privaten Haushalte könnte das Wachstum ebenso belasten wie die Ausgabenkürzungen im öffentlichen Sektor. Für Aktieninvestoren ist jedoch bedeutender, dass die Erholung in Großbritannien wahrscheinlich von Investitionen und vom Exportwachstum getragen wird. Die Kombination aus günstigen Aktienbewertungen und positiven Ergebnisrevisionen spricht für britische Aktien. Zudem ist der britische Markt insofern ausgewogen, als er auch relativ defensive Eigenschaften bieten kann. Denn Anleger finden hier große Unternehmen in bedeutenden Sektoren wie der Öl- und der Pharmaindustrie, der Tabak- und der Telekommunikationsbranche.Das schwächelnde Pfund spielt für Aktieninvestoren eine wichtige Rolle, da ein Großteil der Ergebnisse und Dividenden in Dollar ausgewiesen werden. Die Valuta hat in vergangenen Monaten stark nachgegeben. Doch nach den Schwächetendenzen der britischen Währung erscheint die Gefahr einer weiteren Verschlechterung geringer, da die neue Regierung erste Maßnahmen ergreift, um das Defizit in den Griff zu bekommen. Vor dem Hintergrund dieser relativ günstigen Währungsrelationen können europäische Investoren auf attraktiven Bewertungsniveaus Zugang zu einem der international diversifiziertesten Märkte erhalten. Eine Anlage in einen Aktienfonds, der in Aktien britischer Unternehmen investiert, kann eine sinnvolle Diversifizierung für bereits im Euroraum engagierte Investoren sein.