ASSET MANAGEMENT - GASTBEITRAG

Der europäische ETF-Markt hat Potenzial

Börsen-Zeitung, 29.1.2013 Während die Finanzindustrie als Ganzes heftigen Gegenwind spürt, verzeichnen Exchange Traded Products (ETP) nach wie vor Wachstum. 2012 brachte europaweit rund 20 Mrd. Euro an Zuflüssen, wodurch das verwaltete Vermögen auf...

Der europäische ETF-Markt hat Potenzial

Während die Finanzindustrie als Ganzes heftigen Gegenwind spürt, verzeichnen Exchange Traded Products (ETP) nach wie vor Wachstum. 2012 brachte europaweit rund 20 Mrd. Euro an Zuflüssen, wodurch das verwaltete Vermögen auf rund 272 Mrd. Euro zunahm – eine ermutigende Entwicklung.Auffällig ist auch der stetig steigende Anteil von ETP an der gesamten Fondsindustrie. Dennoch: Während 9,1 % des in den USA in Investmentfonds investierten Kapitals auf ETP entfallen, liegt der Anteil auf dem alten Kontinent trotz des robusten Wachstums der vergangenen Jahre gerade einmal bei 3,3 %. Selbst wenn die Assets under Management (AuM) von Investmentfonds insgesamt nicht weiter steigen sollten, verfügt der europäische Markt über ein Potenzial von 615 Mrd. Dollar, falls der Marktanteil der ETP auf das US-Niveau steigen sollte. Allerdings setzt Wachstum weitere Verbesserungen im Handel voraus – dieser wichtige Punkt wird häufig außer Acht gelassen. Zersplitterte LandschaftEine zersplitterte Börsenlandschaft, Mehrfach-Listings, die Vielzahl an Anbietern sowie unterschiedliche Anteilsklassen und Handelswährungen sind nicht gerade förderlich, um das konzentrierte und hohe Liquiditätsniveau zu erreichen, welches den US-Markt auszeichnet. Gegenwärtig sind in Europa 1 748 Produkte (ETF und ETC) an 23 Börsenplätzen notiert. Im Schnitt bringt es jedes Produkt auf 3,4 Listings. Die Folge: Während das durchschnittliche tägliche Handelsvolumen in den USA rund 5 % der AuM erreicht, liegt diese Kennzahl in Europa im Bereich von nur 1 %.Das Wachstum kommt im europäischen ETP-Markt zusehends von differenzierten Ansätzen wie Smart Beta und aktiven Strategien. Wir sind davon überzeugt, dass diese Produkte auch in Zukunft ein Wachstumstreiber sein werden. Es kommt jedoch entscheidend darauf an, dass die Fülle an börsengehandelten Investmentstrategien weiter zunimmt. Dabei spielen aktiv verwaltete sowie Smart-Beta-Strategien eine zentrale Rolle. Zwar verbinden viele Investoren ETF mit der passiven Indexreplikation. Doch gerade wegen der vielen Vorteile dieses Formats gewinnen Investmentstrategien im ETF-Mantel für Investoren zusätzlich an Reiz. Inhalt und StrukturInhalt und Struktur sind die Grundbausteine eines jeden Investmentprodukts. Einfach ausgedrückt stellt die Strategie den Inhalt dar, den der Investor in einer bestimmten Verpackung respektive Struktur kauft. Bei einem ETF auf den S & P 500 ist der Index der Investmentinhalt, und der Fonds – ein offenes Anlagevehikel, das ausgegeben und zurückgenommen wird, volle Portfoliotransparenz bietet, Sekundärmarkttransaktionen ermöglicht und an einer Börse gelistet ist – bildet die Struktur.Die Verpackung ist wichtig. Sie kann Liquidität, Finanzierungskosten, Besteuerung, buchhalterische Behandlung, Kapitalverwendung, Betriebskosten, Gegenparteirisiko und den Abwicklungsprozess beeinflussen, um nur einige wesentliche Punkte zu nennen. Investoren, die sich im S & P 500 positionieren möchten, finden eine Reihe von Alternativen vor: ETF, Investmentfonds, Futures, Swaps, Schuldverschreibungen und so weiter.Die Attraktivität der ETF-Struktur basiert für viele Investoren auf mehreren Attributen, wovon das Börsenlisting nur ein wichtiges ist. Typischerweise bieten ETF tägliche und vollständige Portfoliotransparenz. Sie unterstützt neben dem robusten Sekundärmarkt und dem Risikomanagement der Investoren auch die Portfolioabsicherung und -bewertung. Darüber hinaus sind Investoren in der Lage, schnell auf Veränderungen im Markt zu reagieren und können ihr Investment während des Handelstages anpassen. Dabei verfügen sie wie im Aktienhandel über Stop-Loss oder Limit-Orderausführungen. Außerdem können größere Orders während des Handelstages ausgeführt werden.Zum Beispiel haben institutionelle Investoren bei ETF die Möglichkeit, eine Order volumengewichtet auszuführen. Eine solche Orderausführung berücksichtigt die Liquidität in dem vom Fonds abgebildeten Markt und reduziert die Transaktionskosten, in dem die Order nicht als Ganzes, sondern eben in Teilen abgewickelt wird.ETF verteilen Kosten zudem nach dem Verursacherprinzip. Das bedeutet, dass Kosten für die Ausgabe oder Rücknahme neuer Anteile nicht wie bei Publikumfonds üblich von den im Fonds verbleibenden Investoren getragen werden, sondern immer von dem jeweiligen Käufer beziehungsweise Verkäufer. Gegenüber OTC-Instrumenten bieten ETF dabei die operative Erleichterung hinsichtlich der Verbuchung, der täglichen Bewertung und der regulatorischen Erfordernisse. Geringe HandelsaktivitätEs mag den einen oder anderen überraschen, dass viele erfolgreiche ETF eine relativ geringe Handelsaktivität erreichen. Erstaunen kann auch, dass erfahrene Anleger intensiv von passiven Indexfonds Gebrauch machen, dabei jedoch kaum auf den Vorteil des Börsenlistings zurückgreifen. Diese Investoren kaufen ETF häufig zu den Schlusskursen und halten sie dann über einen längeren Zeitraum. Für solche Anleger machen gerade die skizzierten Eigenschaften und nicht allein die Möglichkeit des Börsenhandels den Reiz dieser Produkte aus.Die Ausführungen zur Bedeutung und den Vorteilen der Verpackung machen deutlich, dass ETF weitaus mehr zu bieten haben als die einfache Indexreplikation. Zugespitzt ausgedrückt lässt sich sogar sagen, dass der ETF-Mantel dem gewöhnlichen, täglich gehandelten Investmentfonds in den meisten Belangen überlegen ist. Mehr Flexibilität, höhere Transparenz, niedrigere Steuern und größerer Komfort – wer möchte das nicht? In den USA haben sich jedenfalls nicht weniger als 31 Assetmanager bei den nationalen Regulatoren um eine Zulassung für die Auflage von aktiv verwalteten ETF bemüht.Im Zuge dieser Entwicklung sind die Grenzen zwischen aktivem und passivem Management fließend. Beispielsweise realisierte Man GLG seine Europe-Plus-Strategie im ETF-Mantel. Im zweiten Jahr nach der Auflage erreicht der Fonds bereits ein verwaltetes Vermögen von mehr als 615 Mill. Euro. Gleichzeitig erreichte er in den vergangenen zwölf Monaten gegenüber dem breiten europäischen Aktienmarkt (bezogen auf den MSCI Europe TR Index) eine Outperformance von 3,9 %. Grenzen für das FormatNatürlich sind dem ETF-Format Grenzen gesetzt. Gerade wegen der Transparenzanforderungen und der Erwartungen an die Liquidität ist es nicht für alle Investmentstrategien geeignet. Beispielsweise würden Private-Equity- und physische Immobilienstrategien nicht in der Lage sein, ausreichend Liquidität für einen ETF zu erreichen. Gleichzeitig könnte eine Strategie, die auf signifikante Positionen in Small-Cap-Aktien angewiesen ist, Schwierigkeiten bekommen, tägliche Transparenz zu bieten.Es ist etwas in Vergessenheit geraten, dass es auch für diese Art von Investmentstrategien eine passende ETF-Version gibt. Seit mehr als 100 Jahren sind geschlossene, börsengehandelte Fonds im Umlauf. Sie verfügen damit über eine deutlich längere Historie als die aufstrebenden offenen Fonds.