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Deutsche Standardwerte werden zum Renner

Aktien schützen in der Krise - Dax-Titel gut aufgestellt für Aufschwung und Nachfrage aus Schwellenländern - Vorsicht bei Versicherern, Infineon und Telekom

Deutsche Standardwerte werden zum Renner

Von Stephan Balling, Frankfurt Es liegt noch nicht viele Jahre zurück, da waren die Aussichten für den Wirtschaftsstandort Deutschland düster: zu viel Regulierung, zu hohe Kosten, zu viel Bürokratie. Doch in den vergangenen Jahren hat sich dieses Bild gewandelt, zumindest was die Situation der großen deutschen Konzerne angeht. Trotz Krise bescheinigen ihnen Ökonomen und Analysten positive Aussichten. Im internationalen Vergleich stehen die deutschen Standardwerte damit sehr gut da. Dax-Werte gehören jetzt in jedes Depot.Der deutsche Leitindex hat in den vergangenen zwölf Monaten 44 % zugelegt und liegt damit im internationalen Vergleich nicht schlecht. Der US-Index S & P 500 rückte um 40 % vor, der Nikkei 225 um 27 %, der spanische Ibex 35 um 37 %, der Schweizer Swiss Market Index um 38 % und der britische FTSE 100 um 46 %. Auch die Bewertung der deutschen Blue Chips ist vergleichsweise günstig. Das Kurs-Buchwert-Verhältnis von 1,47 ist deutlich niedriger als das der US-Indizes, die allesamt weit über 2 liegen. In Europa ist der Schweizer Markt Leitindex mit 2,5 am höchsten bewertet, am günstigsten der FTSE mit 1,01. Beim Kurs-Gewinn-Verhältnis liegt der Dax mit 21,45 allerdings am oberen Ende.Für die deutschen Werte spricht aber vor allem ihre internationale Positionierung. “Der deutsche Aktienmarkt scheint insgesamt solider als andere Märkte in Europa”, sagt Matthias Born, Leiter des Bereichs für europäische Aktien bei Allianz Global Investors (AGI). “Die Schulden des Staates, der Konsumenten und der Unternehmen sind hier immer noch geringer”, so der Experte. Stockpicking angesagtWaren Aktienengagements nach dem Börsentief vor einem Jahr vor allem eine Wette auf die Konjunktur, müssen Anleger nun genauer hinschauen, wenn sie Einzeltitel kaufen wollen. Klar ist aber: Aktien gehören derzeit in jedes langfristig angelegte Depot. Schließlich handelt es sich bei den Dividendenpapieren um Sachwerte. Und unabhängig davon, welches weitere makroökonomische Szenario, das Volkswirte und Analysten derzeit malen, Sachwerte wie Aktien bieten das beste Chance-Risiko-Profil. “Mir ist um Aktien nicht bange”, sagt auch Fidel Helmer, Leiter des Wertpapierhandels bei der Privatbank Hauck & Aufhäuser. “Gerade in der Krise, die uns ja noch einige Jahre beschäftigen wird, empfehle ich Sachwerte, und da bieten sich Aktien nun mal an”, so Helmer.Aktien bieten Schutz vor Inflation und versprechen im Konjunkturaufschwung die beste Rendite. Auch im Fall einer Stagflation sind Anleger mit Aktien besser positioniert als die Halter von langlaufenden Anleihen. Es gibt nur ein Szenario, bei dem es für Aktionäre ungemütlich werden kann: eine lange anhaltende Deflation, ein japanisches Jahrzehnt. Das aber dürfte Deutschland bei allen Problemen nicht bevorstehen. Schließlich gibt es hierzulande anders als im Japan von 1989 keinen vollkommen überhitzten Immobiliensektor.”Ich bin für den deutschen Aktienmarkt sehr optimistisch, was die nächsten Monate angeht, aber die Zeit, als man einfach nur auf den Gesamtmarkt setzen konnte, ist meines Erachtens aber vorbei”, sagt Matthias Born und ergänzt: “Anders als im vergangenen Jahr, als auch Aktien von Unternehmen mit minderer Qualität gut gelaufen sind, ist jetzt die Auswahl von qualitativ hochwertigen Geschäftsmodellen entscheidend.” Born rät etwa zu Werten, die vom Wachstum in Schwellenländern profitieren oder die in ihren Branchen über eine Technologieführerschaft verfügen. Finanztitel seien ebenfalls nicht generell abzulehnen. Banken etwa könnten interessant werden, sobald klar sei, wie genau die künftige Regulierung aussieht: “Selbst eine harte Regulierung kann dabei langfristig gut für Bankaktien sein, denn wichtig ist, dass endlich Klarheit herrscht.” Es gebe immer wieder Phasen, in denen Branchen unter einem schwebenden Staatseingriff litten, wie Ende der 1990er Jahre die Tabak-Industrie. “Wenn dann Klarheit kommt, ist oftmals der Weg frei für Kurssteigerungen, da neben den Risiken auch die Chancen wieder besser bewertet werden können”, so Born. Empfehlung für Bankaktien Fidel Helmer stößt ins gleiche Horn. Deutsche Bank oder Commerzbank seien durchaus Kaufwerte. Auf die Frage nach seiner Lieblingsaktie muss er aber nicht lange überlegen: VW-Vorzüge. Am Freitagabend gingen die Dividendentitel des Wolfsburger Autobauers für 68,40 Euro um. Mit einem KGV von 29 liegen VW trotz der Kapitalerhöhung immer noch relativ weit oben im Dax. Trotzdem hält Fidel Helmer den Wert für günstig: “VW ist auf dem Weg, der größte Autobauer der Welt zu werden und hat mittlerweile 11 Marken unter seinem Dach.” VW in China gefragtAuch bei J.P. Morgan Asset Management (JPMAM) sind europäische Aktien derzeit en vogue. VW wird als “gefragteste Automarke in China” bejubelt. Unter dem Motto “We love Europe” will der Vermögensmanager den Fokus weg vom direkten Investment in Schwellenländern hin zum alten Kontinent lenken. Gerade die Flaggschiffe der deutschen Industrie profitieren vom Boom in Asien. Beispiel Siemens: “Siemens ist der deutsche Wert schlechthin. In einer freundlichen Dax-Phase werden Siemens natürlich steigen”, sagt Fidel Helmer. Tatsächlich ist der Mischkonzern in drei der fünf erfolgreichsten Aktienfonds mit Fokus Deutschland der größte Einzelposten (siehe Tabelle). Mit einem KGV von 25 ist zwar auch dieser Wert nicht wirklich billig. Doch wenn es stimmt, dass die globale Konjunktur weiter an Fahrt gewinnt – JPMAM glaubt, dass die deutsche Wirtschaft in diesem Jahr um 1,7 % wächst -, dann dürften auch die Unternehmensgewinne weiter steigen und die KGV sinken.Die Gesundheitsreform in den USA nutzt auch der deutsche Pharmaindustrie. “Da gibt es bald 33 Mill. neue Kunden”, jubelt Fidel Helmer. Sein Favorit trotz der jüngsten Kursrally von 11,4 % seit Jahresbeginn ist Fresenius Medical Care. “Eine Hammeraktie”, so Helmer, die immer noch Potenzial habe. Zum Vergleich: Der Dax hat seit Jahresbeginn 2,9 % zugelegt. Aus dem Gesundheitsbereich sind bei Analysten derzeit auch Bayer beliebt: Eine gute Position in den Schwellenländern, neue Herz- und Krebsmedikamente in der Zulassung, Wachstumspotentiale in unterschiedlichen Stadien des Wirtschaftszyklus und schließlich der neue Vorstandsvorsitzende seien Gründe, die Aktie “zu lieben”, heißt es bei JPMAM. Hochtief mit mehr PotenzialEin Kandidat aus der zweiten Reihe, den Fidel Helmer als interessant betrachtet, ist der MDax-Wert Hochtief: “Das ist ja durchaus ein Dax-Kandidat, der absolut international aufgestellt ist und jetzt natürlich auch von den Problemen beim Konkurrenten Bilfinger Berger profitiert.” Hochtief fährt im asiatisch-pazifischen Raum derzeit Rekordaufträge ein (vgl. BZ vom 26. März).Skeptisch sind viele Analysten derzeit bei Versicherern. “Die sind zwar günstig, aber bergen auch hohe Risiken”, fürchtet Fidel Helmer. Tatsächlich sehen etwa Allianz oder Münchner Rück mit einem KGV von jeweils 9 derzeit wie ein Schnäppchen aus. Aber die wachsende Zahl von Naturkatastrophen und vor allem die sich abzeichnende Verschärfung in der Regulierung sorgen dafür, dass so mancher Experte zur Vorsicht rät.Eher aus- als einsteigen sollte man Fidel Helmer zufolge jetzt bei Infineon: “Die Aktie ist einfach sehr gut gelaufen, da würde ich mir allmählich ein Ausstiegsszenario vorstellen.” Und die ehemalige Volksaktie Telekom? Da winkt Helmer nur ab: “Die Telekom hat sämtliche Innovationen verschlafen.” Der Konzern locke zwar mit einer hohen Dividendenrendite. Die Frage sei aber, wie lange noch.