Recht und Kapitalmarkt

Deutschland und USA beseitigen Steuerbarrieren

Neues Doppelbesteuerungsabkommen eliminiert Quellensteuersatz auf grenzüberschreitende Dividenden

Deutschland und USA beseitigen Steuerbarrieren

Von Ingo Kleutgens und Patrick Sinewe *) Die Finanzbehörden der Vereinigten Staaten von Amerika und von Deutschland haben sich am 1. Juni 2006 auf eine grundlegende Änderung des seit 1989 bestehenden Doppelbesteuerungsabkommens geeinigt. Die jeweiligen Parlamente werden dem Änderungsprotokoll voraussichtlich noch in diesem Jahr zustimmen. Damit tritt das neue Abkommen ab dem kommenden Jahr in Kraft. Multinationale Unternehmen können sich jedoch bereits im laufenden Jahr im Hinblick auf den Quellensteuerabzug bei Ausschüttungen auf die begünstigenden Neuregelungen berufen. Eine Vielzahl der getroffenen Änderungen basiert auf der gegenwärtigen US-Abkommenspolitik bzw. auf den neuesten Änderungen des OECD-Musterabkommens. Außerdem werden steuerlich transparente Gesellschaften in den Anwendungsbereich des Abkommens mit aufgenommen. Erstmals in der US-Abkommenspolitik wird nunmehr ein verbindliches Verständigungsverfahren zur Beilegung von Streitigkeiten eingeführt. Bedauerlicherweise fehlt im neuen Abkommen im Hinblick auf doppelansässige Gesellschaften (“dual resident companies”) auch weiterhin eine Anpassung an das OECD-Musterabkommen. Unter “dual resident companies” sind Gesellschaften zu verstehen, deren Geschäftsleitung sich nicht im Sitzstaat befindet. Andere Doppelbesteuerungsabkommen weisen in diesem Fall dem Geschäftsleitungsstaat das ausschließliche Besteuerungsrecht zu. Das geänderte Abkommen belässt das Besteuerungsrecht jedoch sowohl bei dem Sitz- als auch dem Geschäftsleitungsstaat mit der Folge einer etwaigen Doppelbesteuerung. Ein möglicher Steuerkonflikt kann dann nur im Rahmen des Verständigungsverfahrens beseitigt werden. Unbefriedigend ist zudem, dass das neue Abkommen für diese Frage gerade kein bindendes Schiedsverfahren vorsieht. Leider konterkariert dies die zivilrechtliche Entwicklung der letzten Jahre. Der Bundesgerichtshof hatte Ende 2004 US-Gesellschaften mit Verwaltungssitz in Deutschland anerkannt. Aufgrund des Damoklesschwerts der Doppelbesteuerung wird die US-Corporation, anders als die UK-Limited, wohl voraussichtlich kein Kassenschlager werden. Nachteile für OrganschaftenWohl als Reaktion auf die jüngste Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs wurde außerdem im Protokoll klargestellt, dass der abkommensrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz nicht in der Weise zu verstehen ist, dass eine Organschaft zwischen einer US- und einer deutschen Gesellschaft anzuerkennen ist. Der Bundesfinanzhof hatte in seinem Delaware-Urteil 2004 entschieden, dass der doppelte Inlandsbezug einer Organgesellschaft, also der Sitz und die Geschäftsleitung in Deutschland, gegen diesen Gleichbehandlungsgrundsatz verstößt. Nach dem geänderten Abkommen verbleibt es also bei der Begrenzung der Gruppenbesteuerung auf nationale Konzernstrukturen. Das Abkommen enthält außerdem Änderungen zur Betriebsstättenbesteuerung. So dürfen Wirtschaftsgüter, die nur für eine gewisse Zeitspanne in einer ausländischen Betriebsstätte genutzt werden, dort nur in Höhe der Wertsteigerung besteuert werden, die während der dortigen Verweildauer entstanden ist. Damit verwirft das Abkommen Aussagen im Betriebsstättenerlass des Bundesfinanzministeriums, wonach bei einer Rückführung eines Wirtschaftsgutes in das ausländische Stammhaus eine Besteuerung nach Fremdvergleichsgrundsätzen erfolgen soll.Die wohl wesentlichste Änderung des Abkommens bildet die Eliminierung des Quellensteuersatzes auf grenzüberschreitende Dividendenzahlungen. Hierdurch werden die Rahmenbedingungen für die Investitionsstruktur multinationaler Unternehmen grundlegend neu justiert. Grundsätzlich werden die Quellensteuersätze von 15 % bzw. von 5 % im geänderten Abkommen beibehalten. Neu ist hingegen die Reduzierung der Quellensteuer auf 0 % bei Dividendenausschüttungen an Mutterkapitalgesellschaften, die seit zwölf Monaten unmittelbar zu mindestens 80 % an der ausschüttenden Tochtergesellschaft beteiligt sind. Zur Vermeidung missbräuchlicher Investitionsgestaltungen knüpft die Quellensteuereliminierung zusätzlich an eine besondere Qualifikation der Muttergesellschaft an. Danach kann eine Muttergesellschaft nur in folgenden Fällen von dem 0 %-Steuersatz partizipieren: – Die Aktien der Muttergesellschaft werden entweder an einer anerkannten Börse im Sitzstaat der Gesellschaft gehandelt, oder die Geschäftsleitung der gelisteten Gesellschaft befindet sich im Sitzstaat. Gleiches gilt, wenn an der qualifizierten Gesellschaft zu mindestens 50 % unmittelbar oder mittelbar höchstens fünf börsennotierte Gesellschaften beteiligt sind. – Von einer qualifizierten Gesellschaft wird außerdem ausgegangen, wenn an ihr an 183 Tagen börsennotierte Gesellschaften mit einer Stimmenmehrheit von mindestens 50 % beteiligt sind und weniger als die Hälfte des Rohgewinns auf Vergütungen für Fremdkapital an Gesellschaften entfallen, die entweder nicht gelistet sind oder ihre Geschäftsleitung weder in den USA noch in Deutschland haben. – Des Weiteren liegt eine qualifizierte Gesellschaft vor, wenn an ihr höchstens sieben EU-, EWR- oder Nafta-Gesellschaften (gleichberechtigte Begünstigte) mit einer Stimmenmehrheit von 95 % beteiligt sind und die Vergütung für Fremdkapital an nichtgleichberechtigte Begünstigte weniger als 50 % des Rohgewinns beträgt. – Beibehalten wurde die Abkommensberechtigung für Gesellschaften, die ihr Einkommen im Sitzstaat überwiegend aus aktiv gewerblichen Tätigkeiten erzielen. – Als Auffangtatbestand sieht das Abkommen eine Abkommensberechtigung solcher Gesellschaften vor, die von den Finanzbehörden beider Staaten ausdrücklich als qualifizierte Gesellschaften anerkannt wurden. Dividendenempfänger eines US-Reit bzw. einer Regulated Investment Company oder einer deutschen Investmentgesellschaft kommen jedoch nur in Ausnahmefällen in den Genuss dieser Vergünstigungen. So wird ihnen eine Quellensteuerreduzierung von unter 15 % nur gewährt, wenn entweder die in- oder ausländische Investmentgesellschaft als Pensionsfonds anerkannt wird oder wenn natürliche Personen mit einer Beteiligung von unter 10 % an dem Investmentvehikel beteiligt sind. Bei den bisherigen in der Praxis etablierten Investitionsstrukturen wurden zur Vermeidung einer Steuerbelastung transferierter Gewinne bislang die Mutter-Tochter-Richtlinie und das Abkommen zwischen den USA und Luxemburg in Anspruch genommen. Für diese Zwecke mussten in Luxemburg Zwischengesellschaften gegründet werden, was mit einem erheblichen Aufwand (eigenes Personal, Büroräume und Aktivitäten im Sitzstaat) verbunden war. Durch die nunmehr eröffnete Quellensteuervermeidung eines Direktinvestments in Deutschland kann zukünftig auf diese Zwischenschaltung verzichtet werden. Privatpersonen begünstigtDas geänderte Doppelbesteuerungsabkommen trägt der verstärkten Mobilität von Angehörigen der beiden Staaten Rechnung. Dies zeigt sich in der Neuregelung zur gegenseitigen Anerkennung von Sozialversicherungsbeiträgen und Leistungen in Altersvorsorgepläne. Bezüge hieraus werden nunmehr im Ansässigkeitsstaat des Berechtigten besteuert und damit gegebenenfalls nach den Regelungen des nationalen Rechts steuerfrei gestellt. Vor dem Hintergrund der anstehenden Anpassung der nationalen Wegzugsbesteuerung in EU-Fällen (Hughes de Lasteyrie du Saillant) findet sich im Abkommen eine eigenständige Regelung für Privatpersonen. Wirtschaftsgüter, die aufgrund einer nationalen Regelung bei einem vormaligen Wegzug nach nationalem Recht besteuert wurden, dürfen im Ansässigkeitsstaat zum Zeitpunkt der tatsächlichen Veräußerung nur noch in Höhe der nach dem Wegzug eingetretenen Wertsteigerung nochmals der Steuer unterliegen. *) Dr. Ingo Kleutgens ist Partner und Steuerberater, Dr. Patrick Sinewe ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht und Steuerberater im Frankfurter Büro der internationalen Anwaltssozietät Mayer, Brown, Rowe & Maw LLP.