ASSET MANAGEMENT - GASTBEITRAG

Die Bedeutung von Ratings im Fondsmanagement verändert sich

Börsen-Zeitung, 10.7.2012 Ratings beeinflussen das Fondsmanagement massiv, seit Anleihe-Emittenten der Eurozone umfassende Herabstufungen erfahren. Die Bedeutung von Ratings könnte sich im Zuge der Euro-Krise wandeln. Spätestens mit Ausbruch der...

Die Bedeutung von Ratings im Fondsmanagement verändert sich

Ratings beeinflussen das Fondsmanagement massiv, seit Anleihe-Emittenten der Eurozone umfassende Herabstufungen erfahren. Die Bedeutung von Ratings könnte sich im Zuge der Euro-Krise wandeln.Spätestens mit Ausbruch der Euro-Krise stehen die Ratingagenturen mit ihren Bewertungen der europäischen Anleihe-Emittenten in der Kritik. Während die einen sagen, dass diese Institutionen mit ihren Ratings nur eine bereits eingetretene Situation neutral bewerten, sagen die anderen, dass Ratingagenturen die Krise durch ihr Handeln noch zusätzlich verschärfen.Dass Ratings eine wichtige Rolle in der Finanzwelt spielen, ist unbestritten. In der Investmentbranche bestimmen Ratings beispielsweise das Anlageuniversum von Fonds und damit den Freiheitsgrad des Fondsmanagements. Denn in der Regel dürfen viele Fonds gemäß ihren Anlagerichtlinien nur Wertpapiere halten, deren Rating eine bestimmte Qualität nicht unterschreitet. Viele Spezialfonds-Kunden geben dabei Grenzen vor, die oft von Gesetzen und Richtlinien bestimmt werden, denen sie selbst direkt unterliegen, wie zum Beispiel dem Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) oder Konzernrichtlinien. In der Regel verlangen Kunden mindestens Investment-Grade-Ratings. Manche Mindest-Ratings sind zum Beispiel aber auch abhängig von den Anlagesegmenten formuliert, bei Staatsanleihen mindestens “AAA”, bei Covered Bonds mindestens “AA” und bei Unternehmensanleihen mindestens “A”.Publikumsfonds unterliegen oft weniger Einschränkungen und genießen erheblich mehr Freiräume. Doch wenn ein Publikumsfonds als Collateral-Portfolio – ein Portfolio von hinterlegten Sicherheiten für risikobehaftete Geschäfte – geführt wird, sind auch dort Anleihen sehr guter Qualität von kurzer Laufzeit gefordert. Als scheinbar objektiver Qualitätsmaßstab gilt hier ebenfalls das Rating. So führt fast zwangsläufig die Forderung nach sehr guter Qualität letztendlich zu einer Rating-Anforderung von mindestens “AA”. Das Risiko steigtRestriktionen in Form von Mindest-Ratings engen in einer Phase umfangreicher Herabstufungen den Anlageraum ein. In der Eurozone stehen manchen Fonds aktuell nur noch Staatsanleihen aus Deutschland, Finnland, Luxemburg und den Niederlanden zur Verfügung. Möglichkeiten zur Diversifikation gehen verloren, das Risiko im Fonds steigt. Diese Konzentration steht in krassem Gegensatz zu dem, was Regulierer und Kunden mit Blick auf Risikoreduzierung durch Streuung eigentlich gerne erreicht hätten.Gesetze und Richtlinien von Regulierungsbehörden sowie Handlungsanweisungen von Verbänden und Unternehmen nutzen Ratings als feste Grenzen in der Vorstellung, Anlagerisiken zu begrenzen. Das VAG zum Beispiel fordert, dass bei Anlagen möglichst große Sicherheit und Rentabilität bei konstant verfügbarer Liquidität unter Wahrung angemessener Mischung und Streuung erreicht wird. Sicherheit genießt dabei unter dem Aspekt der Substanzerhaltung (Sicherung des Nominalwerts) höchste Priorität; deshalb wird in der Regel mindestens ein Investment-Grade-Rating verlangt.Aus Sicht eines Unternehmens erscheinen solche Regelungen plausibel, aus Sicht des Finanzsystems erscheinen sie mit ihren Folgen kontraproduktiv. Denn bei Unterschreiten kritischer Ratingniveaus werden Ratingagenturen zur höchsten Entscheidungsinstanz im Fonds, indem sie das Fondsmanagement de facto zu Verkäufen zwingen, die – wenn es viele Marktteilnehmer gleichzeitig tun müssen – erhebliche Wertminderungen in Fonds verursachen. Um diesen Engpass zu umgehen, sollte das Management den zukünftigen Ratingpfad treffend einschätzen. Das Einräumen eines Puffers von einer oder zwei Rating-Stufen hat sich dabei nicht selten als unzureichend herausgestellt.Abhängig von den Kundeninteressen und -möglichkeiten bieten sich jedoch auch unterschiedliche Lösungswege an, um die Rolle von Ratingagenturen als letzte Entscheidungsinstanz im Fonds zu verringern. Die Bedingungen in den Spezialfonds sind, wie bereits erwähnt, in der Regel erheblich restriktiver als in Publikumfonds, wo Veränderungen der Vertragsbedingungen eine aufwendige Prozedur wären. Allerdings können Spezialfonds den Vorteil nutzen, die Anlagebedingungen zwischen Kunde und Kapitalanlagegesellschaft relativ schnell und unkompliziert zu ändern. Das gilt nicht ohne Weiteres für Kunden, die übergeordneten Vorschriften von Regulierern, Verbänden oder dem Konzern unterliegen.Sofern also Änderungen möglich sind, kann abhängig von den spezifischen Kundenmöglichkeiten und -interessen für Rendite, Risiko, Liquidität oder andere Präferenzen eine Flucht aus der oben beschriebenen Falle gelingen. Werden Anleihen während der Haltedauer unter die Mindest-Ratings gestuft, so können für diese Fälle relativ schnell Ausnahmeregelungen vereinbart werden.Eine einfachere systematische Änderung wäre, die Ratinggrenzen nach unten anzupassen. Will der Kunde in diesem neuen Ratingrahmen bestimmte Risiken nicht tragen, dann lassen sich diese Risiken mit einer Negativliste ausschalten. Die Risiken, die vielleicht auch nur vorübergehend nicht getragen werden sollen, werden durch Nennung der Länder, Segmente, Laufzeiten oder einzelnen Emittenten gelistet.Auch der Einsatz einer Positivliste ist denkbar: Sie ersetzt dann das vorgegebene Ratingsystem. An die Stelle der Ratings treten hier explizit genannte Länder und Emittenten, deren Papiere der Fondsmanager erwerben darf. Die Positivliste erlaubt zudem bequem, selektiv aussichtsreiche Schwellenländer wie China oder Brasilien mit ins Anlageuniversum aufzunehmen.Anstatt auf Ratingagenturen könnte das Fondsmanagement aber auch auf anderes vertrauenswürdiges Research zugreifen. Bei der LBBW Asset Management beispielsweise sind Lösungen im Einsatz, bei denen die Fondsmanager das Research der Muttergesellschaft Landesbank Baden-Württemberg nutzen, die differenzierte Urteile über einen Großteil des Rentenmarktes anbietet. Unter Beibehaltung des bestehenden Ratingrahmens könnte unter Umständen die Vergrößerung des Anlagespektrums eine Lösung sein, indem bislang unbeachtete Segmente, Länder oder Währungen mit ihren spezifischen Risiken Aufnahme finden.Das Fazit lautet daher: Ratingagenturen spielen an den Kapitalmärkten nicht nur eine Beobachterrolle. Die Folgen ihrer Ratings reichen tief in das finanzwirtschaftliche System und beeinflussen damit unweigerlich auch Fonds. Um die Wirkungsmacht der Ratings als letzter Entscheidungsinstanz im Fondsmanagement zu reduzieren, können ratingbasierte Entscheidungen durch Positiv- oder Negativlisten sowie weiteres Research ergänzt werden. So erhält das Fondsmanagement wieder mehr Freiheitsgrade.