Erweiterte Anlagemöglichkeiten für Investmentfonds

Geänderte Verwaltungspraxis der BaFin schafft Raum für innovative Produkte für Banken und institutionelle Adressen

Erweiterte Anlagemöglichkeiten für Investmentfonds

Von Sven Zeller *) Institutionelle Anleger wie Pensionskassen, Versicherungen und Banken denken bei ihrer Geldanlage schon lange nicht mehr nur an klassische Anlagen wie beispielsweise Wertpapiere, einfache Derivate oder Immobilien, sondern suchen verstärkt auch alternative Anlagemöglichkeiten, zum Beispiel in Rohstoffen, “CAT-Bonds”, Wetterderivaten und anderen möglichst von den konventionellen Anlagen unkorrelierten Investments. Alpha-Manager fallen nicht vom Himmel. Die Gelder sollen ertragreich, aber dennoch sicher angelegt werden. Die Risiken sollen berechenbar und kontrollierbar sein. Die Anleger wollen dadurch eventuellen Wertschwankungen der üblichen Märkte entgehen. “Aufsichtsarbitrage”Obwohl die deutsche Fondsindustrie immer wieder neue, hochinnovative Produkte entwickelt und eine Anlage in Fonds vielfältige steuerliche wie wirtschaftliche Vorteile gegenüber anderen Anlagemöglichkeiten hat, geht die Zahl der neu aufgelegten Fonds in Deutschland zurück. Als Grund werden “Aufsichtsarbitrage” und die detaillierten und oft als zu unflexibel empfundenen Vorschriften des Investmentgesetzes (InvG) genannt. Das InvG schreibt bislang einer deutschen Kapitalanlagegesellschaft genau vor, welche Vermögenswerte sie für einen Investmentfonds erwerben darf. Das Gesetz verfolgt in der Tat, trotz mehrfach durchgeführter Reformen, einen relativ restriktiven Ansatz und gestattet beispielsweise keine direkten Investments in die begehrten unkorrelierten Produkte wie Rohstoffe. Das wurde in diesem Jahr aber durch eine neue Verwaltungspraxis der BaFin geändert. Warum also auf das neue Investmentgesetz warten?Schon im März 2007 verabschiedete die EU eine Durchführungsrichtlinie, die die Investitionsmöglichkeiten von “richtlinienkonformen Sondervermögen” (sozusagen der “Grundtypus” eines Investmentfonds) erheblich erweitert hat. Die europarechtlichen Änderungen finden zwar erst nach entsprechender gesetzlicher Umsetzung in Deutschland Eingang in das InvG. Das ist aber kein Grund zu warten. Die BaFin hat längst ihre Verwaltungspraxis an diese Durchführungsrichtlinie und die Vorgaben des Ausschusses Europäischer Wertpapieraufsichtsbehörden (Committee of European Securities Regulators – CESR) angepasst, soweit dem nicht das derzeit geltende Recht ausdrücklich entgegensteht. Infolge dieser geänderten Verwaltungspraxis ergeben sich jetzt schon erheblich erweiterte Anlagemöglichkeiten für Investmentfonds in Deutschland, die diese als Anlageprodukt besonders interessant werden lassen und den Finanzstandort Deutschland zusätzlich stärken. Ein Kernstück der Änderungen betrifft die Definition des erwerbbaren Wertpapiers. Bisher waren im Wesentlichen Aktien, Schuldverschreibungen und ähnliche Instrumente für einen Investmentfonds erwerbbar. Künftig sollen generell solche Finanzinstrumente als Wertpapiere gelten, die bestimmte (materielle) Voraussetzungen erfüllen: Der potenzielle Verlust eines Finanzinstrumentes darf nicht dessen Kaufpreis übersteigen, eine Nachschusspflicht darf das Wertpapier also nicht aufweisen; das Finanzinstrument muss liquide sein; es müssen exakte, verlässliche und gängige Preisangaben (oder eine regelmäßig aktualisierte unabhängige Bewertung) sowie regelmäßig aktualisierte, exakte und umfassende Informationen zu dem Finanzinstrument vorliegen. Sofern ein Finanzinstrument all diese materiellen Anforderungen erfüllt, ist es als Wertpapier zu qualifizieren und kann grundsätzlich für ein deutsches Sondervermögen erworben werden. Der Erwerb muss natürlich im Einklang mit den Anlagezielen und der Anlagestrategie des Sondervermögens stehen und von den Risikomanagementsystemen der Kapitalanlagegesellschaft erfasst werden. Neuerungen bei DerivatenÄnderungen ergeben sich auch hinsichtlich der Behandlung von Derivaten. Im Grunde besteht hier ein Numerus clausus der Basiswerte, auf die die Derivate Bezug nehmen können. Einfallstor für hochinnovative Strukturierungen ist jedoch die Regelung, dass “Finanzindizes” denkbares Underlying von erwerbbaren Derivaten sein können. Die Anerkennung eines Finanzindex als zulässiger Basiswert wird zukünftig beispielsweise nur noch davon abhängen, ob dieser hinreichend diversifiziert ist, eine adäquate Bezugsgrundlage für den Markt, auf den er sich bezieht, darstellt und in angemessener Weise veröffentlicht wird. Solche Basiswerte können sich auch auf Vermögenswerte beziehen, die normalerweise nicht für einen Investmentfonds erworben werden könnten. Zu denken wäre an Derivate auf Rohstoff- oder Immobilienindizes und an Hedgefondsindizes. Vielleicht werden auch andere, bislang undenkbare Basiswerte, in individueller Indexform gestaltet, zulässig sein. Eine Kapitalanlagegesellschaft darf künftig auch Derivate auf Finanzinstrumente erwerben, die lediglich eines oder mehrere Merkmale eines zulässigen Basiswertes aufweisen. In Betracht kämen Derivate auf Dividendenerträge von Basiswerten oder ein Derivat auf die Duration von Schuldverschreibungen. Eine wesentliche Besonderheit und nahezu revolutionäre Neuerung ergibt sich bei strukturierten Produkten, die die Entwicklung ihres Basiswertes 1:1 abbilden. Diese werden künftig nicht mehr als strukturierte Produkte mit eingebettetem derivativem Element behandelt. Eine Zerlegung dieser Produkte in ihre einzelnen Bestandteile ist für Zwecke der Erwerbbarkeitsprüfung grundsätzlich ab sofort nicht mehr notwendig. Daher können auch solche Produkte erworben werden, die Basiswerte haben, die normalerweise für ein Sondervermögen ausscheiden würden. Zu denken wäre beispielsweise an Edelmetall- oder Hedgefondszertifikate, aber auch Rohstoffzertifikate. Hier geht jetzt fast alles.Der Erwerb von Zertifikaten über Edelmetalle als 1:1-Produkte ist grundsätzlich zulässig, insbesondere wenn der Erwerb des Wertpapiers nicht zu einer physischen Lieferung führt oder berechtigt. Das entsprechende Verbot im Investmentgesetz wird von der BaFin dahingehend ausgelegt, dass hiervon nur Fälle erfasst sind, die eine physische Belieferung (“physical settlement”) vorsehen bzw. das Recht auf physische Lieferung einräumen.Natürlich muss eine Kapitalanlagegesellschaft vor Erwerb eines strukturierten Produkts nicht nur prüfen, ob sie es für den betreffenden Investmentfonds kaufen darf. Sie muss auch das Produkt im Risikomanagement hinreichend “zerlegen und analysieren”, um die Investment-, aber besonders die Risikostruktur des Produkts, nebst Kredit- und Liquiditätsrisiken, zu erfassen und um festzustellen, ob sie technisch überhaupt in der Lage ist, den wahrscheinlich komplexeren, weil kombinierten Risikogehalt und das Wertverhalten des Produkts gegebenenfalls in einer Simulation zu bewerten. Hier ist IT gefragt. Keine DurchschaupflichtGeschlossene Fonds, die die Wertpapiereigenschaften erfüllen, brauchen zumindest zur Klärung der Erwerbbarkeit für Investmentfonds grundsätzlich nicht auf ihre Komponenten untersucht zu werden. Eine Durchschaupflicht gibt es nicht. Die Vermögensgegenstände, in die der Fonds indirekt investiert, können also normalerweise investmentrechtlich unzulässige Basiswerte und Vermögensgegenstände sein. Hier lassen sich schon mit wenig Fantasie neue Produkte gestalten.Insgesamt betrachtet führt schon die Änderung der BaFin-Verwaltungspraxis, generell gesprochen, zu einer umfangreichen Erweiterung der Anlagemöglichkeiten für Investmentfonds. Dies macht auch deutsche Investmentfonds zu einem attraktiven Anlageobjekt für institutionelle Anleger. *) Dr. Sven Zeller ist Partner im Frankfurter Büro der internationalen Anwaltssozietät Clifford Chance.