Recht und Kapitalmarkt - Interview mit Angelika Yates

"Hauptanreiz für Londoner AIM liegt in der internationalen Investorenbasis"

Zwischenschaltung eines Nominated Adviser - Liquidität im Entry Standard höher

"Hauptanreiz für Londoner AIM liegt in der internationalen Investorenbasis"

Der Zug deutscher Emittenten an das Londoner Börsensegment AIM gewinnt an Fahrt. Gegenwärtig sind 16 Gesellschaften deutscher Herkunft am Londoner AIM gelistet. Jede zweite kam allein 2006 hinzu. Insgesamt haben deutsche Unternehmen sich 1,16 Mrd. Pfund über diesen wenig regulierten Markt beschafft. 1 600 Emittenten sind dort gelistet. – Frau Dr. Yates, welches sind die Gründe deutscher Unternehmen für ein Listing an AIM?Der Hauptanreiz liegt im Zugang zur Londoner Investorenbasis, die weltweit einen der größten Pools an verfügbarem Kapital repräsentiert. Fast 60 % der AIM-Investoren sind institutionell. Und das AIM-Segment ist für innovative Unternehmen in einer frühen Entwicklungsphase interessant. Kleinere, wachsende Unternehmen mit guter Geschäftsidee können auch ohne vorherige Handelsgeschichte und ohne vorgeschriebene Mindestzahl in Umlauf befindlicher Aktien an diese Börse gehen. – Welche Rolle spielt das regulatorische Umfeld dabei?Das Segment wurde speziell entwickelt, um kleinen und mittleren Unternehmen den Zugang zum Kapitalmarkt zu verschaffen, ohne diesen dabei den hohen regulatorischen Aufwand, der mit einem Main-Market-Listing verbunden ist, aufzubürden. Die regulatorische Besonderheit des AIM liegt im Prinzip der Zwischenschaltung eines Nominated Adviser, kurz Nomad. Bei dem Nomad handelt es sich um eine von der Londoner Börse zugelassene Investmentbank und/oder einen Broker. Der Nomad dient als Schnittstelle zwischen der Börse und dem Unternehmen und beurteilt dessen Eignung für den Markt. Die Londoner Börse führt keine eigene Prüfung durch, sondern verlässt sich auf das Urteil des Nomad. Der Nomad begleitet das Unternehmen während des Zulassungsverfahrens und unterstützt es dauerhaft bei der Einhaltung der fortlaufenden Verpflichtungen. Diese fortlaufenden Verpflichtungen sind in den AIM-Rules for Companies dargestellt und bestehen insbesondere darin, kursrelevante Informationen unverzüglich mitzuteilen und Jahresabschlüsse sowie Halbjahresberichte zu veröffentlichen. – Können Sie dies abgrenzen vom Open Market bzw. Entry Standard der Deutschen Börse? AIM ist mit dem 2005 von der Deutschen Börse ins Leben gerufenen Entry Standard vergleichbar, verfügt allerdings über zehn Jahre Vorsprung. Regulatorisch weisen AIM und der Entry Standard viele Gemeinsamkeiten auf; es handelt sich um Märkte, die von den Börsen selbst reguliert werden. Unterschiede liegen jedoch etwa darin, dass der Entry Standard eine strikt vorgegebene Corporate- Governance-Struktur verlangt, wohingegen AIM sich auf einen nicht bindenden Code of Best Practice verlässt. Weiterhin ist für eine Zulassung zum Entry Standard der Nachweis eines Trading Record von mindestens einem Jahr erforderlich. – Wie sieht es mit einem Prospekt beim Börsengang am AIM aus?Ein Prospekt ist nicht erforderlich. Man benötigt ein Admission Document, das im Vergleich zum Prospekt einen geringeren Informationsgrad erfordert. Der Nomad übernimmt die Federführung. In manchen Fällen muss das Admission Document jedoch den Erfordernissen der europäischen Prospektrichtlinie entsprechen und von der UK Listing Authority genehmigt werden. Dies gilt z. B. dann, wenn die Aktien im Rahmen einer Privatplatzierung angeboten werden sollen. – Wie hoch sind die Kosten für ein AIM-Listing in London?Die Höhe der für ein Listing anfallenden Beraterkosten (hierzu gehören Nomad, Anwälte und Wirtschaftsprüfer) ist von Fall zu Fall verschieden. Grob geschätzt liegen diese zwischen 750 000 Euro und 1,5 Mill. Euro oder zwischen 5 und 10 % des im Zuge des Listing neu aufgebrachten Kapitals. Nach dem Listing ist der seitens des Unternehmens beauftragte Nomad mit jährlich etwa 75 000 zu vergüten. Die seitens der Börse erhobenen Notierungsgebühren liegen bei 6 700 Euro pro anno. – Wie ist das im Vergleich zum Entry Standard in Frankfurt?Die Beraterkosten fallen hier erfahrungsgemäß etwas geringer aus. Die seitens der Deutschen Börse erhobene jährliche Notierungsgebühr beträgt im Entry Standard 5 000 Euro. – Beim Vergleich der Liquidität schneidet der AIM aber doch schlechter ab, oder?Derzeit liegt die Liquidität von AIM statistisch gesehen noch hinter der des Entry Standard zurück. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass allein drei der im Entry Standard notierten 100 Unternehmen mehr als 80 % der Marktkapitalisierung ausmachen. – Welchen Unternehmen raten Sie also zu AIM statt zum Entry Standard?Einige Unternehmen, wie SQS Software Quality Systems, sind sowohl an AIM als auch am Entry Standard notiert, daher gibt es eigentlich kein striktes Entweder-Oder. AIM empfiehlt sich insbesondere für Small- und Mid Caps, die international ausgerichtet sind und den Zugang zum Londoner Kapitalmarkt suchen. Weiterhin ist AIM vor allem für Start-up- Unternehmen interessant, da diesen der Zugang zum Entry Standard verwehrt ist und AIM-Investoren etwas risikofreudiger sind. Schließlich sind Gesellschaften aus bestimmten Industriesektoren wie Cleantech, Healthcare, Finanzdienstleistungen und Real Estate besonders stark an AIM vertreten. Dr. Angelika Yates ist Anwältin bei der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Köln.Die Fragen stellte Walther Becker.