Kapitalanlage

Heimliche Renaissance der Börsenmäntel

Profite aus der Reaktivierung von leeren Unternehmenshüllen - Titel als Depotergänzungen denkbar

Heimliche Renaissance der Börsenmäntel

Von Sascha Magsamen, FrankfurtWas vereint Karl Ehlerding, Alfred Issels, Peter Löv, Philip Moffat, Kurt Ochner, Lutz Ristow und Bernard Tubeileh? Die am Kapitalmarkt gut bekannten und bisweilen als schillernd geltenden Akteure waren oder sind Vorstände von mehr oder minder großen Aktiengesellschaften mit bewegter Vergangenheit. Ihr gemeinsamer Nenner: Den Parkettgang vollzogen die Herren via Börsenmantel. Dahinter verbirgt sich die Reaktivierung einer an sich leblosen, weil operativ nicht mehr tätigen Unternehmenshülle, deren größter Wert die Börsennotiz ist. Anleger, die frühzeitig auf solche Exoten setzten, konnten in den neunziger Jahren sehr gutes Geld verdienen. Danach hatte sich das Geschäft mit den gebrauchten Hüllen stark abgekühlt, wohl auch als Folge des frostigen Kapitalmarktklimas seit dem Platzen der New-Economy-Blase Mitte 2000. Doch seit einigen Monaten ist in der Nische wieder mächtig was los (siehe Tabelle). Für aktive Anleger mit langem Atem könnte es sich also wieder lohnen, einen Blick in dieses intransparente Eck des Kapitalmarktes zu werfen. Es locken hohe Renditen bei potenziellem Totalverlustrisiko. Für Anleger mit JagdinstinktBei der Auswahl von aussichtsreichen Börsenmänteln müssen sich Interessenten auf ihr eigenes Gespür verlassen. Informationen sind bei den illiquiden und meist insolventen Gesellschaften nur in mühevoller Kleinarbeit zu bekommen. Wichtige Punkte, wie hoher Festbesitz, Verlustvorträge, geringe Altlasten, Notierung im geregelten oder amtlichen Markt, möglichst breiter Geschäftszweck, dienen Spekulanten als erste Orientierung. Von den vielen insolventen Ex-Neuer-Markt-Werten wie Blue C, Das Werk oder Infomatec sowie Ladenhütern wie Bremer Vulkan, Froehlich, Pinguin Haustechnik oder NAK Stoffe sollten dabei die Finger gelassen werden. In den Konsortialabteilungen der Banken wird das Mantelgeschäft gerne als Schmuddelecke bezeichnet. Die Institute meiden meist solche Geschäfte, da die Transaktionsgrößen uninteressant sind. Den Markt teilen sich daher wenige Akteure auf. Nach dem Abgang der ersten Generation von Mantelhändlern, hier sind die WCM und die Sparta zu nennen, hatte der Hamburger Privatinvestor Philip Moffat ein Quasi-Monopol. Davon hat sich Moffat Ende 2004 zurückgezogen, seine als Anlaufstelle dienende Homepage boersenmantel.com veräußerte er an die Bremer Carthago-Capital-Gruppe. Nun sieht sich der im Mantelgeschäft schon länger tätige Carthago-Vorstand Sam Winkel als Ansprechpartner für Interessenten. Die Nutzung des steuerlichen Verlustvortrages, früher das Hauptargument beim Mantelkauf, spielt mittlerweile kaum noch eine Rolle. Die Finanzverwaltung hat drei Kriterien aufgestellt, die, wenn zwei vorliegen, zu einem Wegfall des steuerlichen Verlustvortrages führen: Wechsel des Großaktionärs, Zuführung neuen Kapitals und Änderung des Geschäftszwecks. Damit ist eine Nutzung des Verlustvortrages de jure zwar noch möglich, erscheint de facto jedoch so gut wie ausgeschlossen. Zudem schränkt eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom Juli 2003 das Geschäft ein: Im sogenannten “Altmantel-Urteil” wurde festgehalten, dass bei der Neuausrichtung einer Kapitalgesellschaft die Anteilseigner für die Differenz zwischen Nominalkapital und tatsächlichem Eigenkapital haften. Als Konsequenz in der Praxis ist das tatsächlich vorhandene Eigenkapital via Kapitalschnitt anzupassen. InteressenkonflikteStichwort Kapitalschnitt – an diesem Punkt werden die unterschiedlichen Interessenlagen von Streubesitz und Mantelkäufer offensichtlich. Wer operatives Geschäft in einen Börsenmantel einbringen will, ist daran interessiert, dass sein Unternehmen möglichst hoch bewertet wird, entsprechend deutlich dürfte etwa der Kapitalschnitt mit anschließender Kapitalerhöhung sein. Naturgemäß haben die Altanleger andere Vorstellungen. Mantelspekulationen sind jedoch nicht per se nutzlos. Interessenten sollten sich des hohen Risikos bewusst sein und mehrere Mantelwerte in homöopathischen Tranchen limitiert erwerben. Mit etwas Glück und Geduld entwickelt sich einer der Kandidaten dann zu einer Kursrakete. Beispiele dafür gibt es zuhauf: Abgesehen von den in den neunziger Jahren kometenhaft aufgestiegenen Brauhaus Amberg (neu: Net Ipo), Rinteln Stadthagener Eisenbahn (RSE Beteiligungen), Württembergische Cattunmanufactur (WCM) und Tegernseebahn (TAG Immobilien), gab es auch in den vergangenen Monaten lukrative Neuausrichtungen. Hier seien etwa Bad Salzschlirf (neu: Arques), e.Multi (Sportwetten.de), Füchsel & Wiegratz (Impera Total Return) und TNG Capital (Activa Resources) genannt. Investierte Anleger konnten hierbei mehrere hundert Prozent Gewinn einstreichen. Doch solche Profite sind nicht die Regel. Kleinere Margen könnten derzeit etwa bei der BK Grundbesitz locken, hier haben die Eigentümer des Hamburger Dienstleisters für Regenerative Energien Reinecke + Pohl die Mehrheit übernommen und planen eine Reaktivierung. Die Papiere haben sich bereits von 1,50 Euro bis auf 7 Euro verteuert. Vor einer Wiederbelebung steht auch das Ex-Neuer-Markt-Unternehmens Feedback. Auf der Hauptversammlung im Dezember 2004 wurde ein Kapitalschnitt auf null mit gleichzeitiger Kapitalerhöhung auf 300 000 Euro beschlossen. Dem Vernehmen nach soll ein Finanzdienstleister eingebracht werden. Die bisherigen Aktien, gehandelt zu 0,40 Euro, verbriefen nur das Recht, an einer Bezugsrechtsemission im Verhältnis von 16 : 1 teilzunehmen. Die Fame AG, ein ehemaliges Film- und Musikunternehmen, mit dem der Musiker Curt Cress im August 2000 am Kapitalmarkt aufschlug, riecht geradezu nach Reaktivierung. Das mit 1,75 Euro gehandelte Papier wird knapp über dem Kassenbestand je Aktie notiert und reizt insoweit Börsenkandidaten. Großaktionäre sind die abgabebereiten VEM Aktienbank und Falkenstein Nebenwerte. Es bleibt abzuwarten, welche Herren sich noch zu dem eingangs genannten illustren Personenkreis hinzugesellen werden.