RECHT UND KAPITALMARKT

Kurzarbeit kann Restrukturierung erschweren

Es wird teuer, wenn Unternehmen nachhaltige Probleme verschleppen

Kurzarbeit kann Restrukturierung erschweren

Von Thomas Gennert *)Seit dem Beginn der Covid-19-Pandemie hat die Kurzarbeit – nicht zuletzt durch das Werben der Bundesregierung – eine unvergleichliche Renaissance erlebt. Unter anderem wurden die Voraussetzungen für die Gewährung von Kurzarbeitergeld gelockert und dessen Laufzeit ebenso erhöht wie das Kurzarbeitergeld selbst bei langer Kurzarbeitsphase. Das Bundeskabinett hat inzwischen eine Verlängerung dieser Maßnahmen beschlossen. In der Praxis stellt sich allerdings immer häufiger die Frage: Was passiert, wenn die Kurzarbeit nicht ausreicht, das Unternehmen dauerhaft zu stabilisieren?Das arbeitsmarktpolitische Instrument der Kurzarbeit ist unbestritten ein Erfolgsmodell, um Massenarbeitslosigkeit in wirtschaftlichen Krisen zu vermeiden. Der Staat fängt einen Teil der Löhne auf, um den die Unternehmen aufgrund des entsprechenden Arbeitsausfalls entlastet werden. Ist die Krise überstanden, kehren die Unternehmen zur Vollarbeit zurück und haben sich ihre Fachkräfte und diesen die Beschäftigung gesichert. Viele Länder der Europäischen Union haben ähnliche Systeme staatlicher Lohnersatzleistung, wenn auch die Regelungen teilweise stark voneinander abweichen. Keine SubventionierungWichtig zu bedenken ist im Kontext des europäischen Gemeinschaftsrechts allerdings: Die Staaten dürfen ihre Unternehmen durch die Lohnersatzleistungen nicht subventionieren. Diese Leistungen müssen daher ausschließlich der Beschäftigungssicherung dienen. Ziel der Kurzarbeit ist es dementsprechend, Beschäftigten Schutz zu bieten, wenn es zu einem vorübergehenden, unvermeidbaren Arbeitsausfall beim Arbeitgeber kommt.Wenn aber bereits zu dem Zeitpunkt, in dem das Unternehmen den Antrag auf Zahlung des Kurzarbeitergelds stellt, erkennbar ist, dass es für die betroffenen Arbeitnehmer im Unternehmen keine Zukunft gibt und deren Kurzarbeit auch nicht dem Erhalt anderer Arbeitsplätze des Betriebs dient, kann die Arbeitsagentur die Zahlung des Kurzarbeitergelds verweigern. Sie kann aber auch bereits geleistete Zahlungen zurückfordern, wenn sich erst später herausstellt, dass die Voraussetzungen für die Kurzarbeit nicht vorlagen. Die Unternehmen haben dann gegenüber den betroffenen Mitarbeitern außerdem mit Lohnnachforderungen zu kämpfen. Kosten beachtenAls im Frühjahr dieses Jahres infolge der Coronakrise zahlreiche Unternehmen von deutlichen Umsatzeinbrüchen betroffen waren, war oftmals die Kurzarbeit das Mittel der Wahl, um kurzfristig die Kosten zu senken. Je länger aber die Krise dauert, desto drängender wird es für die Firmen, sich damit zu befassen, wie es langfristig weitergehen soll. Personalabbau wird in vielen Fällen kein Tabu sein.Kurzarbeit und Personalabbau schließen sich nicht per se aus. Es ist durchaus denkbar, dass Unternehmen bestimmte Bereiche oder Abteilungen vollständig schließen, andere aber unter Inanspruchnahme der Kurzarbeit fortgeführt werden.Verschlechtert sich allerdings die Geschäftslage insgesamt derart, dass Mitarbeitern in Kurzarbeit betriebsbedingt gekündigt werden muss, entfällt spätestens mit dem Ausspruch der Kündigungen auch der Anspruch auf Zahlung des Kurzarbeitergelds. Hinzu kommt, dass betriebsbedingte Kündigungen während der Kurzarbeit begründungsbedürftiger sind, wenn die Gründe für den Personalabbau mit denen der Einführung der Kurzarbeit identisch sind. In der Praxis ist dies tatsächlich häufig der Fall.Auch die Kurzarbeit kann die Unternehmen, je nachdem welche betrieblichen, tariflichen oder vertraglichen Regelungen durch Aufstockungsverpflichtungen bestehen, erheblich Geld kosten. Stellt sich nach Ende der Kurzarbeitsphase heraus, dass ein Personalabbau unvermeidlich ist, kann sich schnell eine Situation einstellen, in der Arbeitgeber die Kosten für den Personalabbau kaum schultern können. Hinzu kommt: Je tiefer das Unternehmen in die Krise gerät, desto mehr steigt das Sicherheitsbedürfnis der Mitarbeiter und der Mitarbeitervertretungen. Dies kann eine Restrukturierung durch Kosten für Sozialpläne, Abfindungen oder Transfergesellschaften erheblich verteuern. Abwägung angeratenKurzarbeit ist ein wichtiges und erfolgreiches Instrument. Unternehmen sollten allerdings gut überlegen, inwiefern Kurzarbeit die richtige Antwort auf den Arbeitsausfall ist und ob Unternehmensressourcen für einen Personalabbau nicht besser investiert wären. Verschleppen Unternehmen nachhaltige Probleme, kann dies am Ende deutlicher teurer werden als eine proaktiv und minimalinvasive angestoßene Personalrestrukturierung, etwa durch Freiwilligenprogramme.Unternehmen, die gleich die richtigen Weichen gestellt haben beziehungsweise rechtzeitig stellen und selbstkritisch hinterfragen, ob ein Arbeitsausfall tatsächlich nur vorübergehender Natur und die Rückkehr zur Vollarbeit überhaupt ein realistisches Ziel ist, sind hier im Vorteil. *) Dr. Thomas Gennert ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner der Sozietät McDermott Will & Emery in Düsseldorf.