Nur eine Schein-Exaktheit in der Fondskontrolle
Publikumsfonds in der EU müssen präzise, korrekt und semantisch immer gleich geprüft werden. Das Motto ist: egal wer prüft, gleiche Prüfung, gleiches Ergebnis! Entweder eine Vorschrift ist verletzt oder eben nicht. Viele Fonds besitzen einen EU-weiten gesetzlichen Rahmen. Diese revolvierenden Vorgaben der EU (abgekürzt Ucits) sind jeweils mit Fristen durch die Mitgliedstaaten umzusetzen. Dadurch kommt es im deutschen Recht zu Sätzen wie dem folgenden: “Die Kapitalanlagegesellschaft darf in Wertpapieren und Geldmarktinstrumenten desselben Ausstellers (Schuldners) nur bis zu 5 % des Wertes des Sondervermögens anlegen; …” (InvG: §60 (1) 1. Halbsatz).Wenn dieser exemplarisch ausgewählte Satz in eine Prüflogik bei einer Kapitalanlagegesellschaft (KAG) übersetzt wird, ist diese Logik recht kompliziert (nicht komplex!). Da viele verschiedene Vermögensgegenstände pro Fonds möglich sind und die Logik an allen betroffenen Fonds hängt, muss sie alle potenziell möglichen Kombinationen berücksichtigen. Man denke im Zusammenhang mit dem obigen Exposure an Aktien, aktienähnliche Produkte, Unternehmensanleihen, strukturierte Instrumente wie Zertifikate, Wandel- und Umtauschanleihen oder Derivate zur Risikoreduzierung.Die komplizierte resultierende Maschinenlogik ist für alle verantwortlichen Personen nicht leicht nachzuvollziehen. Allerdings muss über jeden Publikumsfonds einmal im Jahr der BaFin ein Prüfbericht erstattet werden. In der Praxis kann aufgrund der Vielschichtigkeit nicht ohne weiteres und ohne größeren Aufwand nachvollzogen werden, welche Regel welche Teilaspekte im Detail prüft. Aus diesem Grund kann bei kleineren und intransparenten Abweichungen von einer hypothetisch perfekten Prüfung bei hoher aktueller Grenzauslastung nicht einfach beurteilt werden, ob ein Verstoß vorliegt.Der Regelkreis mit dem Messinstrument der Logik (Prüfregel) in der Maschine, dem Bericht als Dokumentation und dem Metaregler EU als Regelgrenzwertsetzer ist nur bei größeren Abweichungen von den Vorgaben immer funktionsfähig. Warum ist das so? Ein Schritt zurückTreten wir noch einmal einen Schritt zurück und betrachten die Ausgangslage. Damit eine europäische Verwaltungsgesellschaft ihren Betrieb aufnehmen kann, braucht sie die Genehmigung einer vom Staat autorisierten Behörde. Wird diese Genehmigung erteilt, sind die speziellen gesetzlichen Vorgaben einzuhalten. Bei jedem Auflegen eines Sondervermögens entsteht eine weitere Vertragsbeziehung zu dem Kreditgeber – Prinzipal – des Sondervermögens. Damit verpflichtet sich die Gesellschaft, den Inhalt dieses Vertrages einzuhalten. Der Vertrag operiert innerhalb der Vorgaben des Gesetzes, auf das er sich bezieht.Um die Einhaltung der Verträge und der Gesetze zu prüfen, nutzt die Gesellschaft eine mit logischen Ausdrücken bestückte Maschine, die verifiziert, ob ein bestimmter Teilaspekt erfüllt ist oder nicht. Für die Prüfung sind unter anderem Daten des Sondervermögens, Daten der Investments sowie Marktdaten erforderlich. Diese Daten werden entweder intern oder extern erzeugt und zur Verfügung gestellt.Gesellschaften haben mehrere Möglichkeiten, eine Maschine, die Prüflogiken und Daten auszuwählen. Die Vielzahl der Kombinationsmöglichkeiten führt dazu, dass bei fast jeder Gesellschaft eine andere Ausgangslage für die Prüfung zugrunde liegt.Dies hat zur Konsequenz, dass Prüfergebnisse beim gleichen Sachverhalt immer ein wenig, aber selten stark voneinander abweichen. Zusätzlich ergeben sich durch die unterschiedliche Auslegung der Gesetze Abweichungen, die auch für die Zweitkontrolle z.B. der Depotbanken eine ständige Abstimmung mit der Gesellschaft erfordern. Dazu zählen z.B. folgende Fragen: Welche strukturierten Finanzinstrumente sind zu zerlegen? Wie sind die zerlegten Teile zu bewerten? Wie sind illiquide Assets zu bewerten? Sind bestimmte ISINs eindeutig einer Vermögensklasse zugehörig? Wie werden die Gewinne und Verluste aus OTC-Geschäften abgegrenzt und verwendet?Wenn wir nun einen kritischen Betrachter dieses Sachverhaltes fragen, wo in der Struktur Risiken stecken, wird er argumentieren, dass der Staat Schwierigkeiten haben würde, die gesetzliche Vorgabe in all ihren Aspekten in der Prüflogik zu erkennen und nachzuvollziehen, da er alle Prüfkonstellationen kennen und verstehen müsste.Warum ist dies der Fall? Wenn Meinungsbildung, Interpretationen, Verwendung von Fremddaten sowie Systemfehler bei der Erstellung der Logiken zusammenkommen, wird es fast unmöglich zu sagen, dass das Ergebnis einer Logik (die Prüfregel) wahr (nicht verletzt) oder falsch (verletzt) ist. Zudem könnte es auch sein, dass die Inputdaten, die Logik oder die Annahmen falsch sind oder z.B. die Fallkombinationen nicht alle vorgesehen wurden. Grobe Fehler verhindertWas ist die Schlussfolgerung aus dieser Darstellung? Grobe Fehler und Fehlleistungen werden durch die Prüfungen verhindert. Damit wird der Anleger durch die derzeitigen Prüfungen ausreichend vor Schaden geschützt. Auch systemisch sind die Prüfungen für die Volkswirtschaften und damit den Staat ausreichend (z.B. bezüglich Leerverkäufen und Leverage). Es darf und sollte allerdings nicht erwartet werden, dass eine im Markt durchgängig hohe normierte Präzision möglich sein wird.Kann diese Situation in der Zukunft verbessert werden? Eine Option, die auch bereits angedacht wurde, ist die zentrale Prüfung für alle Gesellschaften durch staatlich autorisierte Prüfstellen. Eine weitere Option ist die genaue EU-Vorgabe, wie zu kontrollieren ist. Dazu gab es bereits zahlreiche Veröffentlichungen, die das eigentliche Gesetz spezifizieren. Die ehemalige CESR, jetzt ESMA genannt, hat dazu entscheidende Beiträge geleistet. Diese Vorgehensweise erreicht das Ziel der Vereinheitlichung der Kontrolle und damit der Verhinderung von juristischer Arbitrage in dem jeweiligen Aspekt.Eine dritte Möglichkeit ist die Klassifizierung von Fonds. Einfach zu prüfende Fonds bekommen einfache Prüfregeln, komplizierte entsprechend aufwendigere. Damit wäre zumindest gewährleistet, dass die einfachen Regeln gut zu verstehen und leicht nachzuvollziehen wären und durch wenige Aspekte wenig Spielraum lassen. Die einfachen Fonds sind nach aller Erfahrung auch die Mehrheit der Fonds, die in der EU erfolgreich vertrieben werden.Eine große Hilfe könnten also Standards und Standardisierungsprojekte innerhalb des EU-Fondsmarktes sein. Dadurch werden das Vorgehen, die Daten, die Logik und Ergebnisinterpretation vergleichbar. Die verschiedenen Optionen weisen allesamt in gewisser Weise in diese Richtung. Verbände und Behörden werden sich des Themas verstärkt annehmen müssen.Was ist die Konsequenz daraus? Eine exakte Maschinenprüfung mit einem eindeutigen Algorithmus für Fonds wird es in absehbarer Zeit nicht geben. Damit bleibt es bei handhabbaren Heuristiken, die den wahren Sachverhalt sehr gut approximieren, aber keine Superpräzision und damit keine absolute Gewissheit in jeder Situation gewährleisten können.