Recht und Kapitalmarkt

PPP - Königsweg zur Auflösung des Investitionsstaus?

Nicht alle realisierten Public-Private-Partnership-Projekte werden dem Anspruch einer neuen Aufteilung des Risikos gerecht

PPP - Königsweg zur Auflösung des Investitionsstaus?

Von Olaf Otting *)Die Verkürzung der Legislaturperiode lässt auch das Schicksal des “PPP-Beschleunigungsgesetzes” unsicher werden. Eigentlich sollte der Gesetzentwurf, den eine Projektgruppe der SPD-Bundestagsfraktion erarbeitet hatte, noch vor der Sommerpause in die parlamentarische Beratung eingebracht werden. Dem Vernehmen nach besteht nach wie vor Hoffnung, dass es zur Verabschiedung des “Gesetzes zur Beschleunigung der Umsetzung von Öffentlich Privaten Partnerschaften und zur Verbesserung gesetzlicher Rahmenbedingungen für ÖPP” kommt. Anwendungsbereiche der durch das Gesetz geförderten “ÖPPs” (oder geläufiger: PPPs – Public Private Partnerships) sind etwa Bau und Sanierung von Straßen, Schulen, Gefängnissen, Universitäten sowie die kommunale Wasser- und Stromversorgung. Zur Realisierung solcher Projekte sind in unserem föderalen System – von der wichtigen Ausnahme der Bundesfernstraßen abgesehen – primär zwar Länder und Kommunen aufgerufen. Die Schaffung “PPP-freundlicher” bundesgesetzlicher Rahmenbedingungen wäre aber sicher ein wichtiger Schritt zur Ermunterung entsprechender Initiativen – und vor der Bundestagswahl ein Signal parteiübergreifender Innovationsfähigkeit. InvestitionsstauSeit langem ist klar, dass sich der Sanierungs- und Investitionsstau in der öffentlichen Infrastruktur nicht mit haushaltsfinanzierten öffentlichen Investitionen beseitigen lässt. Allein der kommunale Investitionsbedarf wird für die laufende Dekade auf 680 Mrd. Euro geschätzt. Dem steht eine seit Jahren sinkende Investitionsquote der Haushalte von Bund, Ländern und Gemeinden gegenüber. Denn alle öffentlichen Haushalte agieren an der Obergrenze der verfassungs- bzw. kommunalrechtlich statthaften Verschuldung. PPP-Investorenmodelle, bei denen nicht der Staat, sondern ein privater Investor Schule, Stadion oder Krankenhaus errichtet, scheinen einen probaten Ausweg aus der Misere zu weisen: Denn den Kredit nimmt nicht der Staat, sondern der Private auf; der öffentliche Haushalt zahlt keine Zinsen, sondern ein Nutzungsentgelt. Wirtschaftlich läuft die Refinanzierung einer Investition über einen langlaufenden Mietvertrag indessen auf das Gleiche hinaus wie eine Kreditaufnahme. Es werden Lasten für die Zukunft begründet. GenehmigungspflichtDie Gemeindeordnungen aller Bundesländer – mit Ausnahme des besonders PPP-freundlichen Bundeslandes Nordrhein-Westfalen, das nur eine Anzeigepflicht kennt – statuieren daher eine Genehmigungspflicht für solche “kreditähnlichen Rechtsgeschäfte” durch die Kommunalaufsicht. Die Gemeinde hat darzulegen, dass die private Lösung für sie wirtschaftlich günstiger ist als die “rein öffentliche” – eine Grundanforderung, die auch die SPD-Bundestagsfraktion in dem eingangs zitierten Papier aufstellt. Bei vordergründiger Betrachtung scheint dieser Nachweis kaum gelingen zu können. Denn der Private muss sich teurer refinanzieren als die Kommune, die günstige Kreditkonditionen erhält. Und der Private will schließlich auch noch einen angemessenen Gewinn erzielen. Beschränkt sich ein PPP-Modell auf das Angebot einer alternativen Finanzierungsvariante, handelt es sich in der Tat um nicht viel mehr als ein Leasingmodell zur Verschleierung der haushaltstechnischen Kreditbelastung. Richtig konzipiert ist PPP jedoch wesentlich mehr: Mit einem PPP-Projekt wird nicht nur private Finanzierung, sondern vor allem privates Know-how bei Errichtung und Betrieb des jeweiligen Projekts mobilisiert. Bei konventioneller Erstellung übt die öffentliche Hand die Bauherrenfunktion aus, sie trägt in vollem Umfang das Schlechtleistungs- und später das Betreiberrisiko.Erstellt der private Investor aus einer Hand das Objekt, um es anschließend langfristig zu vermieten und zu betreiben, wird er im Eigeninteresse nachhaltig planen und bauen, um die baubedingten Betriebskosten zu minimieren. Einsparpotenziale werden vor allem in der Betriebsphase realisiert. Die öffentliche Hand erhält eine langfristig sichere Kalkulationsgrundlage, das Betreiberrisiko wird auf den privaten Investor transferiert – jede Seite übernimmt die Risiken, die sie beherrschen kann. Ein Wirtschaftlichkeitsvergleich muss daher die Gesamtkosten und die vertragliche Risikoverteilung über den gesamten Lebenszyklus des Projekts in den Blick nehmen; ein isolierter Vergleich der Bau- und Finanzierungskosten griffe zu kurz.Nicht alle realisierten PPP-Projekte werden indessen diesem Anspruch eines neuen “risk sharing” gerecht. Gelegentlich beschränken sich die im letzten Jahr gefeierten Pilotprojekte auf – bei Lichte betrachtet – relativ konventionelle Lösungen. So wird fast durchweg mit Forfaitierungsmodellen gearbeitet, bei denen die Mietvertragsforderungen des Investors gegen die Kommune an die finanzierende Bank abgetreten werden. Die Kommune erklärt gegenüber der Bank einen Einredeverzicht, so dass sie auch bei Nicht- oder Schlechterfüllung der Bau- oder Betreiberleistung zahlen muss.Sie steht damit wirtschaftlich kaum anders, als wäre sie selbst Kreditnehmer, wobei sie zusätzlich mit dem Insolvenzrisiko ihres Vertragspartners belastet wird, ohne Eigentümer des Gebäudes zu sein. Doch mittlerweile werden auch andere Wege beschritten: Die Ausschreibung des hessischen Pilotprojekts “Finanzzentrum Kassel Altmarkt” schließt bemerkenswerterweise bereits in der Bekanntmachung die Erklärung eines Einredeverzichts aus. Befreiungsschlag mit RisikoWesentliches Anliegen des PPP-Beschleunigungsgesetzes ist die Klärung vergaberechtlicher Zweifelsfragen. Befreiungsschläge des Gesetzgebers bergen jedoch Risiken, ist doch der nationale Gesetzgeber nicht befugt, über die in den europäischen Vergaberichtlinien festgelegten Ausnahmetatbestände hinaus Anwendungsfelder für die Wahl des Verhandlungsverfahrens zu kreieren. In der Praxis ist jedem klar, dass die Ausschreibung eines PPP-Projekts wegen seiner Komplexität nur im Verhandlungsverfahren erfolgen kann. Bieter, die die Wahl der Verfahrensart beanstanden möchten, müssten dies nach § 107 Abs. 3 S. 2 GWB spätestens bis zum Ablauf der Frist für die Einreichung der Teilnahmeanträge tun, danach sind sie mit diesem Einwand präkludiert. Da auch die Bieter sich in der Regel Vorteile von der Durchführung eines Verhandlungsverfahrens gegenüber einem offenen oder nicht offenen Verfahren versprechen, sind solche Rügen äußerst selten, um nicht zu sagen praktisch auszuschließen.Im Verhandlungsverfahren hat der Auftraggeber weitgehende Freiräume bei der Verfahrensgestaltung, solange er die Grundsätze der Transparenz und des fairen Wettbewerbs beachtet. Definiert er aber strikte Mindestbedingungen, ist er an diese selbst gesetzten Hürden bei der Wertung der Angebote gebunden. Ein Auftraggeber, der einerseits die optimale technische und wirtschaftliche Lösung dem Bieterwettbewerb überlässt, andererseits eine Fülle von “K.o.-Kriterien” definiert, legt sich selbst unnötige Fesseln an.Durch vorausschauende Gestaltung der Verdingungsunterlagen kann der öffentliche Auftraggeber Wesentliches zur Vermeidung vergaberechtlicher Unsicherheiten beitragen. Ein Beispiel: Investoren wollen häufig – aus steuerlichen Gründen oder zur Risikobegrenzung – eine Projektgesellschaft gründen, die Vertragspartner des Auftraggebers wird. Vorteil dieser Konstruktion ist, dass durch Gesellschafterwechsel nach Vertragsschluss eine Weiterveräußerung und damit wirtschaftliche Verwertung des Objekts erfolgen, kann – soweit der Auftraggeber diese Möglichkeit nicht vertraglich begrenzt hat. Vergaberechtlich darf aber die Identität des ausgewählten Bieters nach dem Teilnahmewettbewerb nachträglich nicht geändert werden. Der Auftraggeber sollte daher schon in den Verdingungsunterlagen darauf hinweisen, dass die Gründung einer Objektgesellschaft nicht ausgeschlossen wird, wenn die ausgewählten Bieter – etwa durch Abgabe einer Bürgschaft oder Patronatserklärung – für hinreichende Sicherheiten sorgen. *) Dr. Olaf Otting ist Partner im Frankfurter Büro der Sozietät Gleiss Lutz.