RECHT UND KAPITALMARKT

Regulierungswut im Wohnungsmarkt

Mietpreisbremse, Mietendeckel und Enteignungsdiskussion sorgen für Verunsicherung - Verfassungsrechtliche Bedenken

Regulierungswut im Wohnungsmarkt

Von Lars Reubekeul und Lukas Weidner *)Die Lage des deutschen Wohnungsmarktes ist derzeit ein häufiges Thema der öffentlichen Debatte. Auf stetig steigende Mieten, insbesondere in Ballungszentren wie Berlin, Hamburg oder München, reagierte die Bundesregierung erstmals mit der zum 1. Juni 2015 eingeführten und noch heute umstrittenen Mietpreisbremse. Seitdem lässt sich die Regulierungswut auch auf Länderebene kaum mehr zügeln. So werden mittlerweile vor allem für das Land Berlin noch drastischere Maßnahmen diskutiert. Die Details des geplanten Mietendeckels und das mögliche Volksbegehren “Deutsche Wohnen & Co enteignen” halten nicht nur die dortigen Koalitionspartner in Atem.Die Mietpreisbremse ermächtigt die Landesregierungen, Gebiete mit angespannten Wohnungsmärkten zu bestimmen. In solchen Gebieten darf die Wohnraummiete bei Wiedervermietungen die ortsübliche Vergleichsmiete grundsätzlich höchstens um 10 % übersteigen. Nach aktueller Rechtslage ist die Geltungsdauer der bis Dezember 2020 zu erlassenden Gebietsverordnungen auf fünf Jahre begrenzt und eine Möglichkeit der Verlängerung besteht nach Ausschöpfung dieser Laufzeit nicht. Bislang ist die Mietpreisbremse in 13 Bundesländern umgesetzt worden.Eine Evaluierung durch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) im Auftrag des Bundesjustizministeriums bestätigte Ende 2018 eine moderate Verlangsamung des Mietanstiegs durch die Mietpreisbremse. Während Kritiker diese Ursächlichkeit in Zweifel ziehen, sieht der von der Bundesregierung am 9. Oktober 2019 beschlossene Gesetzesentwurf nun – auch begründet mit der DIW-Evaluierung – Verlängerungsmöglichkeiten vor. Die Mietpreisbremse bliebe damit bis einschließlich 2025 im Werkzeugkasten der Landesregierungen zur Mietpreisdämpfung.Auf Basis des vorgenannten Beschlusses und vorbehaltlich der parlamentarischen Zustimmung soll die Mietpreisbremse zum nächsten Jahreswechsel auch eine ihrer größeren Krücken ablegen: Zwar obliegt dem Mieter weiterhin die Rüge von Vermieterverstößen gegen die Mietpreisbremse, bevor er überzahlte Mieten zurückverlangen kann. Anders als bisher soll dieser Rückzahlungsanspruch nun aber mit einer Rückwirkung von bis zu zweieinhalb Jahren ausgestattet sein. Gesetzgeber bessert nachFlankierend billigte die Bundesregierung bereits im September einen neuen Rechenweg für die ortsübliche Vergleichsmiete. Statt der letzten vier sollen bei der Berechnung nun die letzten sechs Jahre betrachtet werden. Dies wird in Anbetracht des Mietenanstiegs der letzten Dekade in der mittelfristigen Tendenz zu einem niedrigeren Niveau der Vergleichsmiete führen. Bereits zum 1. Januar 2019 besserte der Gesetzgeber bei den Auskunftspflichten nach. Beispielsweise muss der Vermieter seitdem in Fällen, in denen er aufgrund einer höheren Miete des vorherigen Mieters eine die Mietpreisbremse übersteigende Miete erhalten möchte, diese Vormiete unaufgefordert und vor Vertragsschluss offenlegen.Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zur Mietpreisbremse vom 18. Juli 2019 bescheinigte der entsprechenden Berliner Mietenbegrenzungsverordnung die Verfassungskonformität. Die Entscheidung war jedoch mit dem temporären Charakter der Mietpreisbremse verbunden. Die Karlsruher Richter räumen auch Maßnahmen wie der aktiveren kommunalen Liegenschaftspolitik und der größeren Unterstützung privater Wohnbautätigkeit entsprechenden Raum ein. Dies verdeutlicht, dass die nächste Entscheidung in Karlsruhe in Anbetracht der derzeit geplanten Verlängerung der Mietpreisbremse voraussichtlich anders ausgehen dürfte.Am 18. Juni 2019 beschloss der Berliner Senat die Eckpunkte für einen Mietendeckel unter Federführung der Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen Katrin Lompscher. Dieser Beschluss sah “nur” einen fünfjährigen Ausschluss von Mieterhöhungen vor, enthielt jedoch im Begründungstext schon das Bekenntnis zu möglichen Absenkungen von Bestandsmieten. Seit dem Anfang September vorgestellten Referentenentwurf der Senatorin und dem am 23. Oktober 2019 veröffentlichten Kompromiss der Koalition im Berliner Senat stehen weitere Details fest:Danach sollen für fünf Jahre die Bestandsmieten – auch wenn im Mietvertrag Erhöhungsmöglichkeiten wie zum Beispiel eine Staffel- oder Indexmiete vereinbart sind – auf dem Niveau vom 18. Juni 2019 grundsätzlich eingefroren (Mietenstopp) und für die Neuvermietung in Abhängigkeit von Ausstattung und Zeitpunkt der erstmaligen Bezugsfertigkeit zwischen 3,92 und 9,80 Euro liegende Mietobergrenzen pro Quadratmeter festgelegt werden.Im Hinblick auf die weitere Regelung des Herabsetzens überhöhter Mieten hat man die ursprünglich angedachte Begrenzung der Mietbelastung von nicht mehr als 30 % des anrechenbaren Haushaltseinkommens wieder aufgegeben. Nunmehr sollten frühestens neun Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes “Wuchermieten”, die mehr als 20 % über der zulässigen Mietobergrenze unter Berücksichtigung von Zu- und Abschlägen für die Lage betragen, auf Antrag herabgesetzt werden.Ein “Atmen” des Mietendeckels ist derzeit mit einem Inflationsausgleich von 1,3 % ab 2022 zugunsten der Vermieter nur beim Mietenstopp vorgesehen. Am Konsens, dass Wohnraum, der ab 2014 bezugsfertig geworden ist, vom Mietendeckel ausgenommen ist, wird aber wohl nicht mehr gerüttelt. Das mindestens fahrlässige Verlangen einer zu hohen Miete ist derzeit als eine mit empfindlicher Geldbuße zu ahndende Ordnungswidrigkeit vorgesehen. Die Vermieter werden damit, selbst wenn sie rechtliche Bedenken gegen den Mietendeckel haben sollten, zunächst einmal angehalten, nicht dagegen zu verstoßen.An der Verfassungsmäßigkeit eines wie auch immer ausgestalteten Mietendeckels bestehen erhebliche Zweifel. Es dürfte dem Land Berlin bereits an der Gesetzgebungskompetenz fehlen, da der Bund im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung grundsätzlich Vorrang genießt. Mietendeckel und die durch den Bundesgesetzgeber erlassene Mietpreisbremse schlagen dem Konzept nach in dieselbe Kerbe. Da letztlich alle Schattierungen des Mietendeckels die Systematik der Mietpreisbremse aushebeln würden, verfangen Argumentationen, die zwischen den beiden Instrumenten strukturelle Unterschiede sehen, nicht.Nicht weniger als die Überführung in Gemeineigentum fordert derweil die Berliner Initiative “Deutsche Wohnen & Co enteignen” hinsichtlich der Bestände aller privater Wohnungsgesellschaften mit mehr als 3 000 Wohnungen in Berlin – und zwar gegen Entschädigung “deutlich unter Marktwert”. Die erste Hürde auf dem Weg zur Verwirklichung eines solchen Volksbegehrens nahm man im vergangenen Juni en passant mit rund 58 000 gesammelten Unterschriften. Dass zusätzlich noch ca. 19 000 später für ungültig erklärte Unterschriften eingereicht worden sind (die Initiative spricht bis heute von über 77 000 Unterschriften), schadete nicht. Nach dem Berliner Abstimmungsgesetz sind die Unterschriften von 20 000 Wahlberechtigten ausreichend.Seit dem Sommer blicken die Akteure nunmehr erwartungsvoll in Richtung der Berliner Senatsverwaltung für Inneres und Sport. Sie prüft derzeit insbesondere, ob das Volksbegehren dem Grundgesetz oder der Verfassung von Berlin widerspricht. Bejaht sie den Widerspruch, hat sie den eingereichten Antrag dem Berliner Verfassungsgerichtshof zur Entscheidung vorzulegen. Gibt die Senatsverwaltung grünes Licht, würde sich zunächst das Abgeordnetenhaus mit dem Antrag befassen, bevor er zum eigentlichen Volksbegehren führt. Auf dieser Vorstufe zum Volksentscheid wären dann die Unterschriften von 7 % der Wahlberechtigten (immerhin wohl mindestens 170 000 Berliner) erforderlich.Jüngst wächst der Unmut bezüglich des Zeitraumes, den die Senatsverwaltung für diese Zulässigkeitsprüfung in Anspruch nimmt. Die Initiatoren scheinen sich neusten Äußerungen zufolge auf einen Volksentscheid erst im Jahr 2021 einzustellen. In der Tat vermag derzeit nur eine baldige Einbindung des Verfassungsgerichtshofs die Debatte im Sinne der Rechts- und Planungssicherheit zu verkürzen. *) Lars Reubekeul ist Partner, Lukas Weidner Senior Associate bei DLA Piper.