Asset Management

Vertriebsprovisionen unter Beschuss

Schweiz definiert Mindeststandards

Vertriebsprovisionen unter Beschuss

Von Daniel Zulauf, Zürich Finma, die frisch integrierte Schweizer Finanzmarktaufsicht, hat in der vergangenen Woche per Rundschreiben die Mindeststandards definiert, nach denen die bankenunabhängigen Vermögensverwalter ihre eigenen Standesregeln in Bezug auf die Handhabung von Provisionen zu Gunsten der Vertriebsstellen (Retrozessionen), Kickbacks und ähnlichen Vergütungen ausrichten können. Einmal mehr steht das im Schweizer Finanzmarkt besonders beliebte Modell der Selbstregulierung auf dem Prüfstand.Die rund 2 500 Schweizer Vermögensverwalter sind nun über ihre eigenen Standesregeln verpflichtet, ihre Kunden mindestens darüber zu informieren, welche Provisionen sie von den Banken für den Vertrieb ihrer Anlageprodukte erhalten werden oder bereits erhalten haben. Konkret verordnet die Finma: “Der Vermögensverwalter liefert seinen Kunden von sich aus die nötigen Angaben darüber, welche Leistungen er je nach gewähltem Produkttyp oder gewählter Leistung erhalten könnte.” Und die Transparenz muss auch rückwirkend gewährleistet werden: “Verlangt der Kunde nähere Angaben über sein Depot, muss ihm der Vermögensverwalter den Gesamtbetrag der von Dritten im Rahmen seines Mandats effektiv erhaltenen Leistungen mitteilen.” Anspruch der KundenDen Rechtsanspruch der Vermögensverwaltungskunden auf Weitergabe dieser Leistungen hatte das oberste Gericht schon im Sommer 2006 festgestellt. Bis zu jenem Urteil galt bei einer Mehrheit der Vermögensverwalter die Praxis, die Provisionen oder Kickbacks stillschweigend einzustecken Dabei ging es immerhin um einige Mrd. sfr pro Jahr.Beunruhigt waren die Vermögensverwalter vor allem darüber, dass das Gericht die rückwirkende Einforderung widerrechtlich einkassierter Provisionen über eine Frist von zehn Jahren erlaubte. Die anfänglich erwartete Prozesswelle blieb aber aus. Der Zürcher Wirtschaftsanwalt Daniel Fischer erklärt die Ruhe unter anderem damit, dass die meisten Kunden ihre in der Schweiz deponierten Vermögen steuerneutral verwalten lassen und deshalb ein öffentliches Gerichtsverfahren scheuen. Auch die Vermögensverwalter hätten ihre unrechtmäßig einkassierten Provisionen sehr oft nicht versteuert, sodass sich die beiden Parteien fast nur außergerichtlich auf eine Entschädigung einigten – wenn sie überhaupt streiten. Die aktuelle Börsenkrise könnte die Prozessfreude wieder etwas beleben, meint Fischer. “Wer hohe Verluste erlitten hat, nimmt die Nachteile eines Prozesses wohl eher in Kauf.” Versteckte VerzichtsklauselnDie neuen Finma-Standards scheinen den Druck auf die Vermögensverwalter und auf die Banken – die für den Vertrieb von Drittprodukten ebenfalls Retrozessionen erhalten – allerdings kaum zu erhöhen. Die Branche zeigt sich eher mutiger. Ein Jahr nach dem Bundesgerichtsurteil präzisierte das Zürcher Handelsgericht, ein ausdrücklicher und schriftlich festgelegter Verzicht des Kunden auf die ihm zustehenden Retrozessionen sei nicht notwendig, wenn dieser eine Ahnung über den finanziellen Umfang seines Verzichtes habe. Genau auf dieses Urteil stützen sich nun insbesondere die Banken, wenn sie ihren Kunden in diesen Tagen im Depotauszug oder in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eine Verzichtsklausel unterjubeln. Die neuen, minimalen Finma-Standards schaffen genau die Transparenz, die nötig ist, damit diese Praxis auf einer soliden rechtlichen Grundlage gedeihen kann. Der Kunde, der das Kleingedruckte eben oft nicht mit der genügenden Aufmerksamkeit liest, ist am Ende wieder gleich weit wie vor drei Jahren. Und eine neue Diskussion ist bereits im Gang: Was sind Retrozessionen überhaupt? Es sind nach Auffassung mancher Rechtsexperten Großhandelsprovisionen oder umsatzbedingte Preisnachlässe, die nur dann dem Kunden gehören, wenn sie sich der Vermögensverwalter nicht durch eigene Leistung erarbeitet hat. Die Kundeninteressen in dieser Debatte zu wahren, ist eine echte Reifeprüfung für das Schweizer System der Selbstregulierung.