Volcker-Regeln bremsen auch deutsche Fonds
Von Angelo Lercara *)Die nach dem ehemaligen Vorsitzenden der US-amerikanischen Zentralbank Paul Volcker benannten Reformvorschläge werden weitreichende Folgen für die deutsche Fondsindustrie haben. Zwar hat die Federal Reserve Bank eine weitere Umsetzungsfrist von zwei Jahren bis Juli 2014 in Aussicht gestellt, damit wird das Problem allerdings nur aufgeschoben, es sei denn, die Regelungen werden gekippt oder erheblich überarbeitet. Einige international tätige Asset-Management-Gesellschaften haben sich bereits darauf eingestellt, dass die Regelungen im Jahre 2014 in Kraft treten und Auswirkungen auf das Europageschäft entfalten werden.Am 11. und 12. Oktober des vergangenen Jahres billigten (mit einer Ausnahme) die Finanzaufsichtsbehörden der USA den Entwurf eines behördenübergreifenden Erlasses zur Implementierung der Einschränkungen der Volcker-Regeln. EinschränkungenDie Volcker-Regeln gelten für sogenannte “Bankunternehmen”, also sämtliche in den USA zugelassenen Banken und deren Muttergesellschaften sowie alle Gesellschaften, die von einer solchen Bank oder deren Muttergesellschaft kontrolliert werden, d. h. an denen sie mit mehr als 25 % beteiligt sind. Der Begriff “Bankunternehmen” schließt auch ausdrücklich ausländische Banken mit Niederlassungen in den USA mit ein. Da die meisten deutschen Großbanken in den USA vertreten sind, fallen sie und ihre Tochtergesellschaften, einschließlich der Kapitalanlagegesellschaften, genauso unter die Volcker-Regeln wie US-Banken, selbst wenn die deutschen Töchter keinerlei geschäftliche Aktivitäten in den USA entfalten und dies auch nicht beabsichtigen.Die Einschränkungen der Volcker-Regeln sind sehr weitreichend. Sie verbieten Bankunternehmen den Eigenhandel mit Anteilen an Hedgefonds oder Private-Equity-Fonds, die als sogenannte “betroffene Fonds” bezeichnet werden. Amerikanische Hedgefonds und Private-Equity-Fonds können sich auf eine Ausnahmeregelung im Investment Company Act berufen, nach der sie gemäß amerikanischem Recht nicht als Investmentgesellschaften gelten und damit nicht der Aufsicht der SEC unterliegen, sofern sie unter anderem nur über eine bestimmte Anzahl an professionellen oder institutionellen Anlegern verfügen.Die zunächst auf die vorgenannten Fondstypen begrenzte Regelung führt aufgrund eines Verweises auf den Investment Company Act und die dort enthaltenen Definitionen dazu, dass auch europäische Fonds und sogar solche europäischen Fonds als betroffene Fonds angesehen werden, bei denen es sich weder um Hedgefonds noch um Private-Equity-Fonds handelt. Ein deutscher Fonds etwa, der amerikanische Anleger hat, fällt unter dieselbe oben genannte Ausnahmebestimmung wie amerikanische Hedgefonds und Private-Equity-Fonds, gilt damit nicht als Investmentgesellschaft und wird somit per Definition zum betroffenen Fonds nach den Volcker-Regeln. Das bedeutet, dass grundsätzlich auch deutsche Aktienfonds, Geldmarktfonds oder Altersvorsorgefonds von den Regeln betroffen wären.Nach der weiten Definition umfasst der Begriff “betroffener Fonds” sämtliche Emittenten bzw. Vehikel, die außerhalb der Vereinigten Staaten organisiert sind oder angeboten werden, die, sofern sie nach den Gesetzen der Vereinigten Staaten organisiert wären oder einem oder mehreren Einwohner(n) der USA angeboten würden, als betroffener Fonds gelten würden. Mit anderen Worten, sämtliche ausländischen Fonds, die sich auf dieselben Regeln stützen müssten wie amerikanische Hedgefonds und Private-Equity-Fonds.Auch deutsche hochregulierte Fonds, die der Aufsicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht unterliegen, sind also betroffen und werden darüber hinaus durch die Volcker-Regeln schlechter behandelt als vergleichbare amerikanische beaufsichtigte Fonds, da die Definition des betroffenen Fonds Ausnahmen für gewisse US-amerikanische Fondsarten wie etwa Pensionsfonds enthält, die für entsprechende ausländische und damit deutsche Pensionsfonds nicht gelten. Demgemäß würden beispielsweise deutsche Pensionsfonds, die deutschen Mitarbeitern eines international vertretenen deutschen Konzerns, welche zu einer US-Tochter dieses Konzerns entsandt wurden, angeboten werden, nach der Volcker-Regel wohl als “betroffene Fonds” behandelt.Die “Sponsored Funds”-Ausnahme besagt, dass ein Fonds – also auch ein ausländischer Fonds – dann nicht als betroffener Fonds anzusehen ist, wenn es sich um einen sogenannten “Sponsored Fund” handelt, also einen Fonds, der weder den Namen noch einen Namensbestandteil der Gesellschaft, die ihn verwaltet, oder deren Mutterbank enthält und kein Geschäftsleiter oder Angestellter der Bank oder der Kapitalanlagegesellschaft in den Fonds anlegt. Die Voraussetzungen dieser Ausnahme werden für deutsche Fondsanbieter nicht zu erfüllen sein, da aufgrund der deutschen gesetzlich vorgesehenen Struktur eines Investmentfonds die Kapitalanlagegesellschaft, die den Fonds verwaltet, die Anleger des Fonds nicht kennt und somit nicht sicherstellen kann, dass kein Mitarbeiter der Bank oder der Kapitalanlagegesellschaft in den Fonds investiert. Darüber hinaus ist diese Voraussetzung anachronistisch, da derzeit auf internationaler Ebene die Pflicht einer Beteiligung des Managements an den verwalteten Fonds als variabler Vergütungsbestandteil gefordert wird.Eine weitere Ausnahme findet dann Anwendung, wenn der Eigenhandel und sonstige Tätigkeiten der Banken und der Kapitalanlagegesellschaften, die sich auf betroffene Fonds beziehen, “ausschließlich außerhalb der USA” stattfinden. Allerdings ist der Wortlaut der Ausnahmevorschrift so eng gefasst, dass sie weitaus weniger nützlich sein wird als ursprünglich angenommen. Konsequenzen”Ausschließlich außerhalb der USA” bedeutet, dass keine Tochtergesellschaft, kein verbundenes Unternehmen oder Mitarbeiter des Bankunternehmens, das am Vertrieb der Anteile an einem betroffenen Fonds beteiligt ist, nach amerikanischem Recht errichtet sein oder sich physisch dort befinden darf und dass Einwohnern der USA keine Anteile angeboten oder verkauft werden dürfen. Es besteht die Gefahr, dass deutsche und europäische Publikumsfonds sich nicht auf die Ausnahme “ausschließlich außerhalb der USA” werden berufen können, weil bspw. eine begrenzte Anzahl von Anlegern Einwohner der USA sind, ohne dass der deutsche Fondsanbieter je die Absicht hatte, amerikanische Anleger zu werben – etwa weil die deutschen Anleger nach der Anlage in den Fonds in die USA gezogen sind und ihre Anteile noch halten.Dies kann dazu führen, dass deutsche Fondsanbieter, die einer Bankengruppe angehören, die der Volcker-Regel unterliegt, die Voraussetzungen der Ausnahmeregelung zum “Sponsored Fund” zwingend erfüllen müssen, die für nichtamerikanische Bankunternehmen jedoch aufwendig und nicht praktikabel sind. Dagegen dürfen US-Bankunternehmen ähnliche Publikumsinvestmentfonds in den USA ohne Rücksicht auf derartige Einschränkungen anbieten. Während diese unbeabsichtigten Folgen überwiegend auf die Formulierung des Gesetzes zurückzuführen sind, führt die weit gefasste Definition des “betroffenen Fonds” im Verbund mit der engen Auslegung des Konzepts “ausschließlich außerhalb der USA” zu unnötigen Konsequenzen für nichtamerikanische Fondsanbieter. HürdenDoch selbst wenn es deutschen Kapitalanlagegesellschaften gelingt, die Voraussetzungen “ausschließlich außerhalb der USA” zu erfüllen, wäre noch eine weitere Hürde zu nehmen. Diese Fonds würden nämlich nach der Logik der Regelungen immer noch als Bankunternehmen gelten, denen bestimmte Geschäfte mit Fonds, die von ihnen oder einem verbundenen Unternehmen verwaltet werden, verboten sind. Dazu zählen etwa die Kreditvergabe an die Fonds und der Erwerb von Vermögenswerten. Dies hätte zur Folge, dass bestimmte Transaktionen zwischen dem Fondsanbieter und seinen verbundenen Unternehmen, die sich auf einen vom Fondsanbieter verwalteten Investmentfonds beziehen, selbst wenn sie sich ausschließlich innerhalb Deutschlands abspielten, nicht mehr möglich bzw. verboten wären. So dürfte etwa ein verbundenes Unternehmen keine Anteile des deutschen Fonds erwerben, dem Fonds keine Kredite gewähren oder Vermögenswerte des Fonds erwerben, um damit die Liquidität des Fonds zu sichern.—-*) Angelo Lercara ist Partner im Münchner Büro von Dechert. Der Beitrag entstand unter Mitarbeit von Julien Bourgeois, Partner der Kanzlei in Washington.