ASSET MANAGEMENT - IM INTERVIEW: GUY ERTZ, BNP PARIBAS

"Wir rechnen mit weiteren Phasen der Angst"

Der Chief Investment Advisor über die Perspektiven von Corporate Bonds, die Attraktivität von Aktien und die Bewertungen in den USA

"Wir rechnen mit weiteren Phasen der Angst"

Unternehmensanleihen im Hochzinsbereich, ein Blick auf die Schwellenländer und kurzfristige Aktienengagements in den Industrieländern: Mit dieser Strategie versucht Guy Ertz, Chief Investment Advisor bei BNP Paribas Wealth Management, der Krise zum Trotz eine ordentliche Performance für die Anleger zu erreichen.- Herr Ertz, die Zinsen sind nach wie vor niedrig, und die Aktienmärkte haben zuletzt ihre Rally beendet. Was ist denn derzeit Ihr Tipp für eine gute Asset Allocation?Im Anleihebereich sind sicherlich hochverzinsliche Unternehmensanleihen nach wie vor interessant, weil sie einen Aufschlag gegenüber Staatsanleihen bieten. Allerdings ist auch bei den Corporate Bonds die Situation nicht einfach, daher haben wir unlängst entschieden, in den Portfolien mit größerem High-Yield-Anteil einige Gewinne mitzunehmen und die Hochverzinslichen langsam runterzufahren. Gleichwohl haben wir nach wie vor in den Industrieländern eine Präferenz für Unternehmensanleihen vor Staatsanleihen. Zudem bevorzugen wir innerhalb der hochverzinslichen Unternehmensanleihen inzwischen Fonds mit Fokus auf Emittenten mit vergleichsweise besserem Rating.- Wo sehen Sie im Anleihesegment sonst noch Chancen?Möglichkeiten gibt es noch im Bereich der Schwellenländer, das hängt natürlich von der Risikobereitschaft der Anleger ab. In den Emerging Markets besteht darüber hinaus die Möglichkeit, neben der Zinsseite auch über Währungseffekte Performance zu generieren.- Welche Schwellenländer und Währungen bevorzugen Sie derzeit?Bei den Anleihen in lokalen Währungen sind das vor allem Brasilien, die Türkei und Polen. Auch in Asien gibt es interessante Emittenten. Da ist allerdings mittlerweile der Zinsunterschied niedriger.- Wie sieht es im Aktienbereich aus?Da haben wir für Europa mittlerweile eine etwas positivere Meinung. Durch die Krise in der Euro-Peripherie waren die Kurse im vergangenen Jahr stark gefallen, dann gab es zu Jahresbeginn eine Korrektur. Wir sehen hier vor allem kurzfristiges Potenzial. Der Markt befindet sich immer noch im Prozess der Normalisierung, und wir rechnen mit weiteren Phasen der Angst und der Unsicherheit. Allerdings haben hier die Intervention der EZB und die massiven Schritte der Politik geholfen. Mittelfristig haben wir bei den Aktien eine Präferenz in den Schwellenländern und für bestimmte Sektoren in den Industriestaaten.- Wo genau investieren Sie?In den Schwellenländern investieren wir eher marktbreit, in den Industrieländern gehen wir sehr selektiv vor und bauen auf defensive Branchen. Wichtig ist uns überdies, dass wir in Unternehmen mit einer großen Preissetzungsmacht investieren, weil diese in der Regel in der Krise besser bestehen und Kostenerhöhungen über den Preis ausgleichen können. Das heißt, wir suchen uns sogenannte Top-Marken aus, idealerweise mit einem hohen Marktanteil in den Schwellenländern, weil dort Wachstum zu finden ist und die Nachfrage auf Dauer höher sein dürfte als in den Industrieländern. Man sollte ja nicht vergessen, dass sich in der Eurozone viele Länder noch in einer Rezession befinden.- Gleichwohl haben viele Unternehmen der Eurozone für 2011 gute Zahlen vorgelegt. Wie sind denn Ihre Gewinnprognosen für 2012?Wir erwarten ein Gewinnwachstum, aber es wird aus den genannten Gründen eher gering ausfallen. Darüber hinaus bleibt abzuwarten, ob das Geld der EZB genutzt wird, um Kredite zu vergeben. Viele Unternehmen waren zuletzt bei Investitionen sehr vorsichtig. Sollte sich dieser Investitionsstau nicht auflösen, werden auch die Gewinne nur schwach steigen.- Durch die EZB-Liquiditätshilfen sind europäische Banken für die kommenden drei Jahre gut finanziert. Bietet das auf der Anleiheseite oder auf der Aktienseite Chancen?Wir haben Banken unlängst von “negativ” auf “neutral” heraufgestuft. Um große Chancen zu sehen, ist uns in der Eurozone die Unsicherheit noch zu groß, dafür müsste mehr Gewissheit in Sachen Schuldenkrise herrschen. Ich gehe davon aus, dass bei den Banken die Volatilität hoch bleiben wird.- Wie beurteilen Sie den Aktienmarkt in den USA?Der US-Markt hat zwar seitens der wirtschaftlichen Daten eine gute Unterstützung, aber da ist mittlerweile auch viel eingepreist. Daher ist der Markt vergleichsweise teuer. Wenn man sich die Bewertungen etwa angesichts des Kurs-Gewinn-Verhältnisses an den Märkten anschaut, dann sind die USA nicht mehr allzu weit von ihrem historischen Durchschnitt entfernt.- Gold war in letzter Zeit sehr teuer, ist nun aber etwas runtergekommen.Gold ist für uns immer relativ schwer einzuschätzen, weil man keine Ausschüttungs- oder Gewinndaten oder ähnliche Hilfsmittel zur Hand hat. Wir gehen davon aus, dass Gold für Anleger immer noch in begrenztem Rahmen sinnvoll ist, eben weil wir glauben, dass dem Markt weitere Angstphasen bevorstehen. Für uns ist der Preis von 1 700 Dollar pro Unze für das Jahr 2012 ein Richtwert, und wenn Gold günstiger ist, dann kann es als Diversifizierung durchaus Potenzial bieten.- Was passiert denn, wenn die Unsicherheit aus dem Markt weicht, die Zinsen steigen und andere Assets interessanter werden? Rechnen Sie damit, dass dann die Anleger scharenweise aus Gold und den entsprechenden ETF und ETC flüchten, um ihr Geld lukrativer anzulegen?Zunächst gehen wir nicht davon aus, dass die Zinsen so bald steigen. Selbst dann werden die Investoren abwarten, bevor sie in Anleihen einsteigen, denn niemand will zu früh bei steigenden Zinsen investiert sein. Natürlich wird irgendwann der Punkt kommen, an dem andere Assets lukrativer scheinen, aber wir glauben, das werden zunächst eher die defensiveren Aktien als die Anleihen sein. Das könnte dann in der Tat zu einer Korrektur bei Gold führen.—-Das Interview führte Martin Hampel.