Geldwäsche

Staat und Banken im Small Talk

Afca, die im September 2019 gegründete Anti-Geldwäsche-Allianz aus Privatwirtschaft und öffentlichem Sektor, hat erste Arbeitsergebnisse vorzuweisen. Stehen noch Handreichungen an Finanzinstitute im Vordergrund, um anhand von Transaktionsmustern Geldwäschern auf die Schliche zu kommen, so hoffen die Board-Mitglieder Ulrich Göres und Jan-Gerrit Iken auch auf besseren Informationsaustausch. Dem stehen noch Datenschutzvorgaben entgegen.

Staat und Banken im Small Talk

Von Tobias Fischer, Frankfurt

In den anderthalb Jahren seit ihrer Gründung hat die Anti Financial Crime Alliance (Afca) nach Einschätzung zweier ihrer Board-Mitglieder schon vieles vorangetrieben, stößt aber an datenschutzrechtliche Grenzen, wenn es um den Austausch von Informationen geht. Das Kooperationsforum von Behörden und privater Gesellschaften gegen Geldwäsche war im September 2019 ins Leben gerufen worden, um Informationen auszutauschen und Silodenken zu überwinden. Seitdem hat sich die Mitgliederzahl auf 36 mehr als verdoppelt, wurden fünf Arbeitsgruppen etabliert und Typologien entwickelt, beispielsweise um Geldwäsche im Zusammenhang mit Menschenhandel zu erkennen, berichten zwei der Geburtshelfer der Afca, Ulrich Göres und Jan-Gerrit Iken.

Göres war vor einem Jahr als Geldwäschebeauftragter auf eigenen Wunsch aus der HSBC Deutschland ausgeschieden und arbeitet seitdem als Rechtsanwalt, verbleibt aber im sechsköpfigen Führungsgremium der Afca. Neben ihm und Iken, der Bereichsleiter Global Financial Crime Prevention der Commerzbank ist, gehört dem Board als Vertreter der Banken Michael Lange, Compliance-Chef der DZBank, an. Die öffentliche Seite repräsentieren der Chef der Financial Intelligence Unit (FIU), Christof Schulte, der dem Board vorsteht, BaFin-Exekutivdirektor Thorsten Pötzsch sowie Sabine Vogt, Leiterin der Abteilung Schwere und organisierte Kriminalität im BKA.

Gehe es zunächst vor allem darum, die Basis zu legen und den Rahmen der Kooperation abzustecken, um illegale Transaktionen anhand von bestimmten Mustern auszumachen, so soll die Afca stetig weiterentwickelt werden. „Insbesondere von Bankenseite wird immer wieder der Wunsch herangetragen, noch mehr zu machen“, sagt Iken. „Die Vorschläge erörtern wir im Board. Wir nehmen hier eine Entwicklung, die ihre Zeit braucht.“ Dazu gehört auch die Aufnahme weiterer Mitglieder. Die sei erstrebenswert, sagt Göres, allerdings mit der Erwartungshaltung verbunden anzupacken. „Sie müssen die Hausaufgaben machen, um die Arbeitsfähigkeit der Afca zu stärken.“

Expertenstab berufen

Die Besetzung des Expertenstabs, der das Board berät, ist mittlerweile abgeschlossen. Die Berufungen zeigten, wie ernst die Afca und die Verpflichteten des Geldwäschegesetzes ihre Aufgaben nähmen, sagt Göres. Als Vorsitzender des Gremiums fungiert der Rechtsvorstand der Deutschen Bank, Stefan Simon. Mit dabei sind auch Birgit Dietl-Benzin, Risikovorständin der DekaBank, Frank Niehage, CEO von Flatex Degiro, und Compliance-Expertin Ursula Kleinert, Rechtsprofessorin an der TH Köln. Vertreter des öffentlichen Sektors kommen von der Staatsanwaltschaft Berlin, die mit Expertise in der Beschlagnahmung von illegal erworbenen Immobilien, das Clans zugerechnet wird, aufwarten kann, der Generalstaatsanwaltschaft Celle, der Generalzolldirektion sowie vom LKA Berlin.

Kontakt zu Verbänden

Beabsichtigt werde, zweimal im Jahr einen Austausch zwischen dem Afca-Expertenstab und den Bankenverbänden herzustellen. Deren Beteiligung sei „zunächst nicht vorgesehen“, hatte es in den Afca-Gründungsdokumenten geheißen. Die Interessenvertretung der kreditwirtschaftlichen Spitzenverbände, Deutsche Kreditwirtschaft, hatte erklärt, die Initiative unterstützen zu wollen.

Stehen in einer Arbeitsgruppe interne und organisatorische Belange im Vordergrund, so kümmert sich eine weitere unter Leitung Ikens um Geldwäsche-Risiken und -Trends im Finanzsektor und entwickelt entsprechende Risikoindikatoren. Drei weitere sind aus dem Nichtfinanzsektor hinzugekommen: Geldwäsche im Immobiliensektor, Glücksspiel und Steuerdelikte. „Wir haben bewusst im Finanzsektor angefangen, weil er am stärksten reglementiert ist“, berichtet Göres. „Das Regelungs- und Aufsichtsumfeld für Verpflichtete aus dem Nichtfinanzsektor ist ein komplett anderes. Allein die Frage, welche Daten beispielsweise zwischen Banken und Maklern geteilt werden dürfen, ergibt durchaus Diskussionsbedarf.“

Nicht nur Cum-ex im Blick

Der Compliance-Experte leitet die Arbeitsgruppe Steuerdelikte, die sich der Bekämpfung von Umsatz-, Kapitalertrags- und Quellensteuermissbrauch widmet, mithin auch den aktuell in der öffentlichen Wahrnehmung im Fokus stehenden Cum-ex- und Cum-cum-Fällen. Hier werde aber vorerst noch überwiegend beobachtet, wie die einzelnen Gerichte entscheiden. Auch missbräuchlichem Handel mit Emissionszertifikaten geht die Arbeitsgruppe nach. „Hier geht es darum, entsprechende Missbrauchsszenarien zu beschreiben, Risikoindikatoren aufzulisten, anhand derer die Verpflichteten dann Missbrauchsfälle erkennen und entsprechend melden können“, umreißt Göres das Tätigkeitsfeld. „Die großen Skandale, in denen es um sehr viel Geld ging, hatten weitgehend einen steuerlichen Hintergrund. Man nehme allein etwa Einnahmeausfälle der EU-Staaten durch Umsatzsteuer-Missbrauch, die auf rund 80 Mrd. Euro jährlich geschätzt werden.“

Ein Schwerpunkt der Arbeit, so Iken, habe im vergangenen Jahr auf Laundromaten gelegen, internationalen Geldwäsche-Netzwerken. „Bei diesen waren oft Mantelgesellschaften involviert, und zwar nicht nur in Steuerparadiesen wie den Seychellen, sondern auch in Großbritannien“, berichtet er. Solche nicht operativ tätigen Shell Companies treten häufig in Erscheinung, wenn es darum geht, Hintermänner von Geldflüssen zu verschleiern. Über das Monitoring gesammelte Auffälligkeiten erlaubten es, Muster zu erkennen und halbseidene Transaktionen zu entlarven. „Je mehr Informationsverdichtung wir erreichen, beispielsweise bei Adressnamen, desto besser. Manchmal finden sich unter der Adresse eines Gebäudes 1500 verschiedene Gesellschaften.“

Kriminelle Übernahme droht

Auch wie sich Kriminelle die Pandemie zunutze machen, ist Gegenstand zweier Typologiepapiere. Beispielsweise warnt die Afca davor, dass notleidenden mittelständischen Firmen und kleinen Gewerbetreibenden die kriminelle Übernahme droht. „Wenn ein kleines oder mittelständisches Unternehmen (KMU) von einer Bank zu einer bedeutenden Zahlung aufgefordert wird, könnten Umstände eintreten, unter denen es gezwungen ist, Erlöse von einer Gruppe der organisierten Kriminalität anzunehmen, um die Zahlung zu finanzieren“, heißt es im Positionspapier zu Covid-19. Selbiges ist etwa in Italien zu beobachten, wo die Sicherheitsbehörden jüngst erklärten, dass die Mafia Geld in Firmen investiere, die unter den Folgen der Pandemie leiden und somit Geld wasche.

Zudem bestehe die Gefahr, dass Kriminelle den Wertverlust von Anlageprodukten und entsprechende Notverkäufe ausnutzten. „Diskontierte Vermögenswerte beim Verkauf öffnen den Kriminellen die Tür für den Kauf oder die Refinanzierung solcher notleidenden Vermögenswerte mit Hilfe illegaler Gelder“, heißt es. Ebenso sei möglich, dass Nichtregierungsorganisationen und karitative Einrichtungen der Geldwäsche dienten. „Die Befürchtung besteht schon, dass gerade bestimmte Sektoren wie mittelständische Unternehmen, Gastronomie und Hotelgewerbe vonseiten der organisierten Kriminalität Gelder zur Verfügung gestellt werden und dass diese Firmen übernehmen“, sagt Göres.

Darauf habe auch die Europol Financial Intelligence Public Private Partnership Steering Group (Efipp), die öffentlich-private Partnerschaft unter Ägide von Europol, hingewiesen, ergänzt Iken. Deshalb sind Banken seines Erachtens umso mehr angehalten, im KYC-Prozess, d.h. der Aufnahme neuer Kunden bzw. ihrer Auftraggeber, also der wirtschaftlich Berechtigten, ihr Augenmerk auf die Gesellschaftsverhältnisse zu legen.

Problem Menschenhandel

Auch den Risiken durch virtuelle Währungen und dem Thema Menschenhandel nimmt sich die Afca an. „Hier erwarten wir, ein erstes Handbuch zu dem Thema in Deutschland herauszubringen, in dem relevante Risikoindikatoren beschrieben werden“, kündigt Iken an. Das Thema Menschenhandel werde in den nächsten Jahren im Fokus stehen, ist er überzeugt, da es aus Geldwäscheperspektive noch nicht ausreichend analysiert sei. „Wir werden hier immer neue Phänomene sehen. Erkenntnisse, die wir von Ermittlungsbehörden bekommen, ermöglichen uns dann, Transaktionsmuster zu identifizieren.“ So könnten wiederkehrende kleinere Zahlungen in spezifische Länder darauf hindeuten, dass Reisebuchungen bezahlt werden. „Natürlich ist es sehr  schwer, Transaktionsmonitoring-Systeme darauf auszurichten, doch besteht die Möglichkeit, anhand gewisser Typologien Sonderuntersuchungen vorzunehmen“, sagt Iken.

Der Studie „Der globale Stand der Geldwäschebekämpfung“ von BAE Systems Applied Intelligence zufolge bezeichnen es 61% der befragten Geldwäscheexperten als schwierig, Beweise für Menschenhandel durch Finanztransaktionen aufzudecken. Rund 30 Millionen Menschen weltweit seien Opfer von Menschenhandel, nennen die Autoren Schätzungen der Vereinten Nationen. Viele würden „in sexuelle Ausbeutung, Zwangsarbeit, Zwangsbetteln, Zwangsheirat und Organentnahme verkauft“. Die Internationale Arbeitsorganisation schätzte die kriminellen Einnahmen aus Menschenhandel für das Jahr 2012 auf rund 150 Mrd. Dollar.

Die Afca könne sich trotz aller Anfangserfolge noch nicht mit vergleichbaren Institutionen in anderen Ländern messen, die im Rahmen der regulatorischen Vorgaben konkrete Transaktionsinformationen austauschen könnten. Dem stünden Datenschutzvorgaben entgegen. „Natürlich kollidieren hier Interessen“, sagt Iken. „Datenschutz einerseits, das Verständnis um die Bedeutung der Geldwäscheprävention andererseits: Das ist glaube ich auch ein Auftrag an den Gesetzgeber, hier eine maßvolle Lösung zu finden.“

Um die unterschiedlichen Er­kennt­nisse aus verschiedenen Institutionen zusammenzubringen, um so das ganze Puzzle zusammenzufügen und nicht nur Einzelteile zu erkennen, bedürfe es einer Ermächtigungsgrundlage, wie im britischen Recht. „Das fehlt uns, um den sicheren Austausch für alle Beteiligten zu gewährleisten“, sagte Iken. „In der deutschen Perspektive dreht sich die Diskussion sehr oft um Frage, was in Ermangelung einer solchen Grundlage weitergegeben werden darf.“ Göres erinnerte zudem an das BKA, das als Strafverfolgungsbehörde besonderen Regelungen unterliegt, die im BKA-Gesetz niedergelegt sind. „Es entsteht eine Rechtsunsicherheit, sowohl was die Weitergabe von Informationen zwischen Finanzinstituten angeht als auch an die Behörden BaFin, FIU und BKA.“

Aus diesem Grund arbeite die Afca noch stark an Typologien und gehe nicht auf konkrete Transaktionsbeteiligte ein, wie das teils im Ausland möglich ist. In der britischen Joint Money Laundering Intelligence Taskforce (JMLIT) etwa hätten Banken, Ermittler und Aufseher die Möglichkeit, in geschlossenen Räumen gemeinsam einzelnen Fällen nachzugehen und gegebenenfalls Verdachtsmeldungen abzugeben. Auch in anderen Staaten sei die Zusammenarbeit zwischen Banken und Behören ausgeprägter. In den Niederlanden etwa werde daran gearbeitet, Mitarbeiter aus großen Banken und der Financial Intelligence Unit zusammenzubringen.

Austausch fördern

Für die EU-Kommission und für den globalen Standardsetzer in der Geldwäschebekämpfung, FATF, hätten Public Private Partnerships wie Afca oder JMLIT große Bedeutung, um dem Problem Geldwäsche Herr zu werden, sagt Göres. FATF-Präsident Marcus Pleyer hatte in einer Rede im September die Botschaft an den öffentlichen und privaten Sektor ausgesandt, innerstaatliche Koordination und internationale Zusammenarbeit sowie den Informationsaustausch zu fördern. Nötig sei ein besserer und rascher Austausch zwischen verschiedenen Behörden innerhalb eines Landes, zwischen verschiedenen Ländern und zwischen Regierungen und dem privaten Sektor.

Die Erwartungshaltung sei, Themen ganzheitlich zu betrachten, sagt Göres. „Nicht nur unter dem Gesichtspunkt, was die geldwäscherechtlichen Regelungen erlauben, sondern auch, welche Regelungen dem möglicherweise entgegenstehen. Es wird hoffentlich die aus unserer Sicht notwendigen Anpassungen in den entsprechenden gesetzlichen Regelungen geben.“

Zuletzt erschienen:

Neue Technik revolutioniert Geldwäschebekämpfung (13. Februar)