Ausblick

Aktienmärkte stehen vor alten und neuen Herausforderungen

Auch 2024 bleiben Belastungsfaktoren wie die Inflation und hohe Leitzinsen bestehen, doch am Aktienmarkt tun sich auch einige Chancen auf – auch jenseits der glorreichen Sieben.

Aktienmärkte stehen vor alten und neuen Herausforderungen

Aktienmärkte stehen vor alten und neuen Herausforderungen

Auch 2024 bleiben Belastungsfaktoren wie die Inflation und hohe Leitzinsen bestehen, doch am Aktienmarkt tun sich einige Chancen auf – auch jenseits der „Glorreichen Sieben“.

Von Tobias Möllers, Frankfurt

Das Jahr 2023 haben die Aktienmärkte mit einer ausgeprägten Jahresendrally zu einem starken für Aktionäre gemacht. Nach einem schwachen Spätsommer erzielte der deutsche Leitindex seit seinem Tief im Oktober ein Plus von fast 15% und markierte mehrfach ein neues Allzeithoch. Auf Jahressicht hat der Dax gut 20% gewonnen. Andere Aktienmärkte wie der japanische haben gemessen am Nikkei sogar noch stärker zugelegt. In den USA trieben besonders die "Magnificent 7" (Alphabet, Amazon, Apple, Meta, Microsoft, Nvidia und Tesla) Nasdaq und S&P 500 an. Zuletzt waren die großen Aktienmärkte allerdings nicht nur ein steter Quell der Freude, sondern auch ganz schön heiß gelaufen.

Antrieb gab den Märkten dabei die Hoffnung auf baldige Zinssenkungen von EZB und Fed. Dank sinkender Inflationszahlen glauben die Aktienmärkte nicht länger an ein "higher for longer" bei den Leitzinsen, sondern setzen nun auf ein "higher for shorter". Ausgemacht ist das aber noch lange nicht. Die meisten Banken und Investmenthäuser erwarten erste Leitzinssenkungen frühestens zur Jahresmitte und nicht bereits im Frühjahr. Hier droht den Aktienmärkten also Enttäuschungspotenzial und damit ein Rückschlagsrisiko.

Alles andere als sicher ist auch die seit längerer Zeit für die USA erwartete Rezession. Die Wirtschaft in den Vereinigten Staaten zeigte sich bisher erstaunlich resilient, so dass Pimco inzwischen nur noch mit einer Wahrscheinlichkeit von 50% von einer US-Rezession ausgeht. Die UBS geht sogar zu 60% von dem Szenario aus, dass jenseits des Atlantiks eine weiche Landung für die Wirtschaft gelingt. Was zunächst positiv für Unternehmen und Aktienmärkte klingt, hat allerdings einen Haken: Solange sich die Wirtschaft robust zeigt, gibt es wenig Grund für die Fed, die Leitzinsen schnell zu senken. Zumal das von den Zentralbanken ausgegebene Inflationsziel von 2% zwar näher rückt, aber bisher weder dies- noch jenseits des Atlantiks erreicht wurde.

Die Leitzinsen könnten also zunächst einmal hoch bleiben, während gleichzeitig die Konjunktur in Europa kräftig schwächelt. An weiteren Belastungen für die Märkte mangelt es nicht: Weder in der Ukraine noch in Nahost ist Frieden in Sicht, von Nachkriegsordnungen erst recht keine Spur. Und am Horizont warten bereits die nächsten Bewährungsproben: Bei den Präsidentschaftswahlen in den USA könnte Donald Trump wieder an die Macht kommen, mit kaum zu unterschätzenden Auswirkungen für die Unterstützung der Ukraine und die Nato. Auch in so unterschiedlichen Ländern wie Indien, Mexiko, Taiwan, dem Iran und Russland stehen Wahlen an. Wirtschaftlich dürfte zudem die ungünstige demografische Lage in den westlichen Industriestaaten den Fachkräftemangel für Unternehmen noch weiter verstärken. Zu guter Letzt sind Aktien als Asset-Klasse nicht mehr alternativlos, auch Anleihen werfen wieder Renditen ab.

Doch natürlich gibt es auch gute Argumente, die im Jahr 2024 für Investments in Aktien sprechen: So waren die Unternehmensgewinne zuletzt mehrheitlich höher als im Jahr 2021, während gleichzeitig die Bewertungen (12-Monats-KGV) niedriger lagen. Wenn Eurozone und USA um eine (schwere) Rezession herumkommen, spricht wenig gegen weitere Steigerungen bei den Unternehmensgewinnen. Für Union Investment sind die anstehenden Zeiten sinkender Inflation und Leitzinsen sogar "die beste Welt" für Kapitalmarktanleger. Auch zuletzt sinkende Öl- und Energiepreise kommen den Märkten entgegen. Und sogar die US-Wahlen haben eine positive Seite: So sind Wahljahre und damit nicht selten einhergehende Konjunkturimpulse historisch betrachtet unterstützend für die Aktienmärkte.

KI treibt Märkte weiter an

Unterstützend dürfte auch im neuen Jahr der Durchbruch bei KI-Tools sein. Wahrscheinlich werden in Zukunft nicht nur die Big-Tech-Unternehmen aus den USA davon profitieren, sondern auch weitere Branchen und Unternehmen mit KI-optimierten Tools und Produkten am Markt punkten und bei den Gewinnen zulegen.

Beim Blick auf die Glorreichen Sieben scheiden sich die Geister an der Frage, wie lange sie denn noch weiterreiten. Im zu Ende gehenden Jahr hatten die sieben Schwergewichte den kompletten S&P mit nach oben gezogen und so dessen ansonsten recht schwache Bilanz überdeckt. Ohne die Tech-Größen läge das KGV des S&P 500 nur bei 15,2, mit ihnen kommt der Index auf ein KGV von deutlich über 18. So wie jede Serie wird auch die starke Performance der Glorreichen Sieben irgendwann reißen, doch wenn es nach einigen Investmentgrößen geht, ist dieser Zeitpunkt noch nicht gekommen. Weder schaden die hohen Zinsen den gut kapitalisierten Tech-Größen, noch sind andere Hindernisse für ein weiteres Wachstum erkennbar. Für die DZ Bank sind die sieben Titel "unverwüstlich" und eines der wenigen Wachstumszentren auf der Welt. Auch wenn J.P. Morgan warnt, die Konzerne müssten nun erneut erhöhte Gewinnerwartungen erfüllen, wird ein Wendepunkt bei den "Magnificent 7" wohl vorerst noch auf sich warten lassen.

Auch grundsätzlich sind die meisten Kapitalmarktstrategen verhalten optimistisch gestimmt für das neue Aktienjahr. Zwar droht angesichts der mauen Konjunkturlage ein Stotterstart und auch hohe Schwankungen können erneut nicht ausgeschlossen werden, doch mit abnehmender Inflation und sinkenden Leitzinsen dürfte der Aktienmarkt spätestens in der zweiten Jahreshälfte an Fahrt aufnehmen. Das gilt auch und gerade für den deutschen Leitindex, der trotz der Jahresendrally historisch und im internationalen Vergleich betrachtet noch immer relativ günstig ist und mit überwiegend soliden Unternehmensgewinnen lockt. Eine weltweit anziehende Konjunktur könnte dann durchaus auch für neue Rekordstände bei den Indizes in Deutschland und den USA sorgen.

Pharma weiter gefragt

Doch welche Sektoren zählen im nächsten Jahr zu den Favoriten der Analysten? Angesichts alternder westlicher Gesellschaften bleibt Gesundheit ein großes Thema. Neben Pharma stehen aber auch Basiskonsum und europäische Zykliker, die Nachholbedarf haben, auf den Wunschzetteln vieler Kapitalmarktstrategen. Amundi empfiehlt auch Energiewende-Titel, obwohl diese nun zwei durchwachsene Jahre hinter sich haben. Dagegen sieht Goldman Asset Management auch Chancen bei Biotech, wo die Bewertungen auf dem tiefsten Stand seit 15 Jahren angekommen seien und es nun attraktive M&A-Ziele gebe. Für die DZ Bank zählen neben Energie-Titeln auch europäische Versicherer und Autohersteller aus dem Luxussegment zu den Favoriten. In der unruhigen geopolitischen Lage dürften auch Rüstungskonzerne wie Rheinmetall und Hensoldt weiterhin zu den Gewinnern zählen.

Schwierig wird es dagegen für den Chemiesektor bleiben, angesichts der hohen Energiepreise gerade auch in Deutschland. Auch andere energieintensive Unternehmen dürften weiter mit den Standortbedingungen hierzulande hadern. Daneben könnte der breite Autosektor durch die zunehmende Konkurrenz aus China weiter unter Druck geraten.

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