Kriminalität

Automaten­sprenger gehen oft leer aus

Diebesbanden, die Beute machen wollen, indem sie Geldautomaten sprengen, haben im vergangenen Jahr in Hessen seltener zugeschlagen als zuvor. Aktuell weisen die Zahlen aber wieder nach oben. Von Erfolg gekrönt sind die Raubzüge meistens nicht.

Automaten­sprenger gehen oft leer aus

fir Frankfurt

Gut 400 Geldautomaten sind im vergangenen Jahr bundesweit Ziel von erfolgten oder versuchten Sprengungen geworden. Erreichten die Zahlen im Bundesgebiet einen neuen Höchststand, so weisen die Zahlen in Hessen nach unten. Dort schlugen die Täter 30-mal zu, teilt das hessische Landeskriminalamt (LKA) auf Anfrage mit. 2019 wurden noch 53 Fälle gezählt.

Von Erfolg gekrönt war ihr Vorgehen im vergangenen Jahr nur fünfmal, sie konnten also Bargeld erbeuten. In 17 Fällen blieb es beim Versuch, d.h., die Taten wurden abgebrochen, ohne dass es zur Explosion kam, und achtmal wurde zwar gesprengt, aber nichts entwendet (siehe Grafik). Ob bzw. wie sich die Corona-Pandemie auf das Täterverhalten und die Fallzahlen auswirke, lasse sich nicht mit Bestimmtheit sagen, heißt es seitens des LKA, das vor zwei Jahren eigens eine spezielle Ermittlungsgruppe zu Geldautomatensprengungen eingerichtet hat. Die Ermittlungen gestalteten sich üblicherweise hochkomplex, personal- und zeitintensiv.

Die Fallzahlen im bisherigen Jahresverlauf deuten darauf hin, dass Täter 2021 in Hessen wieder häufiger zuschlagen. Das LKA berichtet von 17 Fällen bis Mitte April. Davon sind sechs aus Tätersicht erfolgreich verlaufen, viermal machten sie sich am Geldautomaten zu schaffen, kamen aber nicht ans Geld, und siebenmal blieb es beim Versuch. Als hessischer Hotspot erweist sich Offenbach, wo im vergangenen Jahr acht Vorfälle verzeichnet wurden und im laufenden Jahr bis Mitte April vier. Ruhiger ging es im benachbarten Frankfurt zu mit keinem bzw. einem Vorfall. In der Wetterau und im Kreis Bergstraße wurde 2020 je dreimal gesprengt oder es zumindest versucht, im Main-Kinzig-Kreis passierte es viermal, im Hochtaunuskreis zweimal.

Die von den Sprengungen verursachten Schäden übersteigen oftmals die Summe des gestohlenen Bargelds. 2020 belief sich der Gesamtschaden laut LKA auf geschätzt mehr als 900000 Euro, wobei rund 320000 Euro Bargeld erbeutet wurden. Im Jahr zuvor betrug der Gesamtschaden noch etwa 2,9 Mill. Euro, davon 1,9 Mill. Euro gestohlenes Bargeld. Ein Geldautomat kann theoretisch 500000 Euro fassen, heißt es von der Arbeitsgemeinschaft Geldautomaten, der Vertretung der unabhängigen Geldautomatenbetreiber. Insgesamt circa 2500 Scheine fänden in vier Kassetten Platz, heißt es. Faktisch würden die Automaten meist aber mit deutlich weniger Bargeld bestückt.

Das Bundeskriminalamt (BKA) beziffert die 2019 pro Automatensprengung durchschnittlich erbeutete Summe auf rund 107000 Euro und das bundesweit erbeutete Bargeld auf 15,2 Mill. Euro. Die Behörde geht davon aus, dass die Explosionen Begleitschäden im mittleren zweistelligen Millionenbereich verursacht haben. Die Deutsche Kreditwirtschaft (DK) verfügt über keine Erkenntnisse bezüglich der Höhe des Gesamtschadens, heißt es auf Anfrage. Sie verweist zusätzlich zu den durch Raub und Zerstörung verursachten Schäden auf „erhebliche Investitionen“, welche Banken und Sparkassen für Sicherheit, Betrieb und Zuverlässigkeit der Geldautomaten-Infrastruktur tätigen. Um einen Automaten so aufzurüsten, dass Kriminelle kein Gas einleiten und ihn sprengen können, werden laut Arbeitsgemeinschaft Geldautomaten 3000 Euro fällig. Allein die Kosten für Versicherungen und die Behebung von Schäden durch Vandalismus und von Räubern verursachte Zerstörungen beliefen sich auf 4 bis 6% der Gesamtkosten.

Trend zu Sprengkörpern

Neben den teilweise sehr hohen Sach- und Gebäudeschäden ist laut LKA „regelmäßig von einer erheblichen Gefahr für Leib und Leben auszugehen – unabhängig, ob ein Gasgemisch eingeleitet oder selbstgebaute Sprengmittel verwendet werden“. Seit Beginn des Jahres 2020 sei bundesweit „ein sprunghafter Anstieg von Geldautomatensprengungen mittels festen Explosivstoffen, auch in Hessen, zu beobachten“, hat das Landeskriminalamt festgestellt. Das Täterfeld beschreibt das LKA Hessen als heterogen. Es reiche von teilweise organisierten, hochprofessionellen und überörtlich agierenden Banden über ansässige und ebenfalls professionelle Täter bis hin zu Nachahmungstätern und laienhaft handelnden Einzelpersonen. Das BKA spricht von überwiegend reisenden Tätergruppierungen. Von im Jahr 2019 insgesamt 132 Tatverdächtigen seien 90 grenzüberschreitend tätig gewesen, der Rest überwiegend in regional agierenden Banden. Einzeltäter seien selten.

68 der 90 länderübergreifend arbeitenden Kriminellen stammten aus den Niederlanden. Das BKA hat eine Konzentration von Tätern mit marokkanischem Migrationshintergrund im Raum Utrecht/Amsterdam ausgemacht, die sich anlassbezogen in wechselnder Besetzung auf den Weg machten. Hierarchisch strukturierte, auf Dauer angelegte Bandenstrukturen seien hingegen die Ausnahme.

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