WAS EINE ZINSWENDE BEDEUTET - SERIE ZUR ZINSWENDE: BAUSPARKASSEN (10)

Bausparkassen suchen nach Auswegen

Institute bauen Absicherungsfonds ab - Baufinanzierungsgeschäft als Stütze - Keine Zinswende vor 2020 erwartet

Bausparkassen suchen nach Auswegen

Von Isabel Gomez, StuttgartDie Niedrigzinsen haben die Bausparkassen in den vergangenen Jahren unter Druck gebracht. Sie kämpfen trotz politischer Schützenhilfe weiter gegen Ertragsflauten im Kerngeschäft, leere Absicherungsfonds und setzen stark auf das Baufinanzierungsgeschäft. Vor allem kleine Bausparkassen verfügen kaum noch über Substanz.Das Bruttoneugeschäft der Aachener Bausparkasse erreichte 2017 mit 536 Mill. Euro einen Bruchteil der 13,6 Mrd. Euro des Wettbewerbers Wüstenrot. Bei der Mitte Dezember verkündeten Übernahme der Aachener durch Wüstenrot geht es hauptsächlich um die miterworbenen Vertriebskanäle: Die bisherigen Eigner, die Versicherer Arag, Barmenia, Continentale, Gothaer, HUK-Coburg, LVM, Mecklenburgische, Universa und WWK, werden künftig exklusiv Bausparprodukte von Wüstenrot verkaufen. Wüstenrot führt mit der Transaktion ihre strategische Linie fort. Hinter allen drei Übernahmen der vergangenen zehn Jahre stand immer das Ziel, das Vertriebsnetz auszubauen. Die Aachener indes hat der Deal wahrscheinlich vor der Abwicklung gerettet.Das Niedrigzinsumfeld belastet die Bausparkassen seit Jahren. Es zieht sinkende Erträge im Bauspargeschäft nach sich, die auf den Gewinn durchschlagen. Abzulesen ist dies daran, dass Bausparkassen hochverzinste Altverträge kündigten, die den Bestand belasten. Dies wiederum zieht Kundenklagen nach sich. Von der prekären Lage zeugen auch die politischen Anstrengungen, die Branche durch das Zinstief zu hieven.Ende 2015 verabschiedete die Bundesregierung eine Novelle des Bausparkassengesetzes, die Druck von den Häusern nehmen sollte (vgl. BZ vom 3.12.2015). Seither dürfen Bausparkassen etwa auch Darlehen außerhalb ihres Bauspargeschäftes aus Bausparmitteln vergeben oder Pfandbriefe zur Refinanzierung begeben. Außerdem sind sie freier in der Nutzung des Fonds zur bauspartechnischen Absicherung (FbtA). Der ist eigentlich vorgesehen, um in Zeiten hoher Zinsen und knapper Liquidität mangels neuer Bauspareinlagen die Wartezeiten zwischen dem Beginn des Bausparvertrages und dessen Zuteilung zu verkürzen. Seit der Gesetzesänderung kann er auch zum Ausgleich von Ertragsrückgängen im Niedrigzinsumfeld angezapft werden. Die Aachener Bausparkasse löste ihren Fonds bereits 2016 vollständig auf. Die letzten 8,8 Mill. Euro wurden “wesentlich zur Kompensation der operativen Verluste” verwendet. Private nutzen Fonds stärkerNicht nur die Aachener benötigte die Mittel aus ihrem FbtA dringend. Auch bei der Debeka, Alte Leipziger und Signal Iduna Bauspar sind die Töpfe aufgebraucht. Laut Bundesbank sank das Volumen des Fonds zwischen 2012 und 2017 über alle Bausparkassen hinweg um 70 % auf rund 630 Mill. Euro. Der Großteil der Entnahmen entfiel 2017 auf die privaten Bausparkassen. Bei den acht Landesbausparkassen (LBS) sank der FbtA lediglich um 2 Mill. Euro auf 186 Mill. Euro. Nur eine von 20 Bausparkassen hat dem FbtA seit Ende 2015 freiwillig Mittel hinzugefügt. 14 haben Mittel entnommen.Die Postbank-Tochter BHW entnahm 2016 rund 68 Mill. Euro und im Folgejahr knapp 60 Mill. Euro. “Die Entnahmen verbleiben im Unternehmen und wurden nicht ausgeschüttet”, heißt es dazu. Wüstenrot entnahm seit 2015 jeweils 80 Mill. Euro pro Jahr. Die Beträge seien “insbesondere zur Dotierung des Fonds für allgemeine Bankrisiken” verwendet worden, um das Kernkapital zu stärken. Der Marktführer Schwäbisch Hall entnahm 2016 rund 350 Mill. Euro und stellte sie in die Rücklagen ein. 2017 wurden 425 Mill. Euro aus dem FbtA in den Fonds für allgemeine Bankrisiken umgelegt. Schwäbisch Hall habe damit “der Risikovorsorge keine Mittel entnommen, sondern im Gegenteil die Risikovorsorge erhöht und gleichzeitig die Substanz der Bausparkasse gestärkt”, so die Bausparkasse.Die Bausparkassen stützen mit den Entnahmen nicht nur ihr operatives Geschäft, wie es bei der Aachener oder der Debeka der Fall ist, sondern vor allem ihre Eigenkapitalausstattung. Je besser diese ist, umso mehr Mittel können die Bausparkassen über sonstige Immobilien- und Baufinanzierungskredite vergeben. Und diese Kredite waren zuletzt die Stütze der Bausparkassen. Der Verband der privaten Bausparkassen rechnete für 2018 mit einem Wachstum von rund 5 % in diesem Bereich, die LBS erwarteten 6 %. Beim Bausparneugeschäft dagegen hoffen die Häuser lediglich auf Stabilität.Während Kunden 2017 bei Schwäbisch Hall 11 % weniger Bausparverträge abschlossen, wuchs das Baufinanzierungsgeschäft um 5 %. Wüstenrot wies im ersten Halbjahr 2018 ein Bruttoneugeschäft nach Bausparsumme von 7,6 Mrd. Euro nach 7 Mrd. Euro im Vorjahr auf, die Baufinanzierung nach Kreditsumme kletterte um 3,4 %. Inklusive der Vermittlung an Dritte ergab sich ein Zuwachs um 4,7 % auf 4,4 Mrd. Euro. Zulasten der ErträgeSolange das Zinsumfeld bleibt, wie es ist, bleibt auch der Druck auf die Bausparkassen in ihrem eigentlichen Kerngeschäft. Ihre Hoffnung auf eine Zinswende ist in den vergangenen Monaten durch den Handelsstreit und die nachlassende Wachstumsdynamik geschwunden. Schwäbisch Hall geht davon aus, dass die EZB den Leitzins nicht vor Herbst 2019 anpasst. Die Kurve für Kapitalmarktzinsen werde bis dahin nur langsam steigen. Auch die BHW rechnet frühestens im vierten Quartal 2019 mit einer Zinsanhebung der EZB. “Weitere Zinsschritte dürften in 2020 folgen”, so die Bausparkasse. Wüstenrot hält pauschal “einen Zinsanstieg in den nächsten Quartalen für möglich”. Weil die Wachstumsdynamik nachlasse und sich die Inflation verhalten entwickle, werde der Schnitt allerdings “nur moderat ausfallen”.Über ihr Ertragsszenario ohne eine Leitzinserhöhung wollen die Bausparkassen lieber nicht sprechen. Ein leicht höheres Zinsniveau würde die Ertragssituation verbessern, aber auch so komme man “gut zurecht, wenn auch zu Lasten der Erträge, da wir unsere Investitionen dennoch auf bisherigem Niveau halten wollen”, heißt es bei Schwäbisch Hall. Die BHW verweist auf die Neugeschäfts- und Margenentwicklung in der Baufinanzierung. Beides sei im Wesentlichen unabhängig vom Zinsniveau und trage “aktuell und auch in den folgenden Jahren zu Erlössteigerungen bei”. Im Bauspargeschäft steige zudem die Zahl der Verträge mit neuen, niedriger verzinsten Tarifen. Wüstenrot setzt ebenfalls auf das Baufinanzierungsgeschäft, das 2018 um rund 10 % wachsen und damit dazu beitragen sollte, den Konzernüberschuss bei mindestens 200 Mill. Euro nach 258 Mill. Euro im Vorjahr zu halten.—-Zuletzt erschienen:- Italiens Banken hoffen auf Draghi (18. Januar)- Keine Zinserhöhung ist schlechter als ein Zinsanstieg (16. Januar)- Der große Dämpfer dürfte ausbleiben (15. Januar)