Finanzplatz Deutschland

CFA-Umfrage zum Finanzplatz: Wege aus der Krise

An der aktuellen Umfrage „Handlungsfelder am Finanzplatz Deutschland“ unter den Mitgliedern des Finanzverbands CFA Society Germany haben mehrheitlich Investment Manager, Finanzanalysten und professionelle Anleger teilgenommen. Nur jeder zehnte...

CFA-Umfrage zum Finanzplatz: Wege aus der Krise

An der aktuellen Umfrage „Handlungsfelder am Finanzplatz Deutschland“ unter den Mitgliedern des Finanzverbands CFA Society Germany haben mehrheitlich Investment Manager, Finanzanalysten und professionelle Anleger teilgenommen. Nur jeder zehnte Umfrageteilnehmer (14%) hält eine schnelle wirtschaftliche Erholung für wahrscheinlich. Eine Mehrheit der Finanzprofis geht davon aus, dass noch mindestens sechs bis zwölf Monate (38%) oder sogar zwölf bis 24 Monate (31%) vergehen, bis wieder ein normales Wirtschaftsleben einkehrt und sich Volkswirtschaften und Unternehmen von der Pandemie erholen. Offenbar sind in die aktuellen Kurse und hohen Bewertungen alle möglichen positiven Szenarien bereits eingepreist.

Massive Eingriffe

Dass Börsen und Realwirtschaft voneinander entkoppelt sind, dem stimmen fast drei Viertel (70%) der Umfrageteilnehmer zu. Jeweils ein Drittel der Finanzpraktiker erwartet, dass dieses Ungleichgewicht, das bereits vor Beginn der Coronakrise ein wesentlicher Kritikpunkt am Finanzplatz war, entweder andauern oder sogar zunehmen wird. Gründe für das vermeintliche Börsen-Eigenleben sind unter anderem in fiskal- und geldpolitischen Maßnahmen zu suchen, insbesondere in den milliardenschweren, notenbankfinanzierten Schulden. Allein das Corona-Notkaufprogramm (PEPP) hat mittlerweile ein Volumen von 1,85 Bill. Euro erreicht. Die Bilanzsumme der EZB ist indes auf über 7 Bill. Euro angewachsen. Die Geldmengen klettern noch auffälliger als die Aktienmärkte. Jeder zweite Teilnehmer (52%) nennt daher die Abkehr von der dauerhaften Niedrig- und Negativzinspolitik als größte Herausforderung für den Finanzplatz Deutschland. Vor allem die monetäre Finanzierung wird von Marktbeobachtern skeptisch gesehen. Letztlich werden so Staaten mit Liquidität versorgt und potenziell nicht mehr marktreife Unternehmen am Leben gehalten.

Mangel an Anlageoptionen

Ein Jahr nachdem Covid-19 alle wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bereiche erfasste, werden Verhältnisse damit zementiert beziehungsweise gehen (neue) Profiteure (vornehmlich diejenigen, die in Sach- und Dividendenwerte investieren können) sowie potenziell Abgehängte (Altersvorsorgesparer, Mittelschicht, Eigentum Suchende) aus der Krise hervor. In diesem Lichte spricht vieles dafür, den Aufstieg des derzeit „heiß laufenden“ Marktes für Kryptowährungen, der Tesla angeblich mehr Geld einbrachte als Autoverkäufe, nicht nur als Wunsch zur Absicherung gegen Inflation oder möglichen Vertrauensverlust in etablierte Währungen zu interpretieren. Vor allem, so fast die Hälfte (49%) der Befragten, die einen repräsentativen Querschnitt der Investmentbranche bilden, spiegeln die in spekulative Verwendungen fließenden Mittel einen Mangel an auskömmlichen Anlageoptionen wider.

Als weiterer Punkt, der die wirtschaftliche Wertschöpfung und Funktionsfähigkeit des Finanzstandorts betrifft, kommt aus der Branche der Appell nach einer Verbesserung der digitalen Infrastruktur. Die Mehrheit (57%) der Teilnehmer spricht sich dafür aus, diese strukturelle Baustelle schnell anzugehen. In diese Grundstimmung spielen sicherlich Erfahrungen der vergangenen Monate hinein: Shutdown, Kontaktbeschränkungen und inflexible Strukturen legten offen, dass der digitale Wandel in Deutschland – vom Bildungs- bis hin zum Gesundheits- und Finanzwesen – teilweise weniger weit fortgeschritten ist als in vergleichbaren OECD-Ländern. Daran anknüpfend zeigt sich die Finanzindustrie selbstkritisch, wenn es um die Wettbewerbsfähigkeit bei Innovationsthemen (Unterstützung von Start-ups und Unternehmertum, KI, Blockchain und weitere) geht. Auf einer Schulnoten-Skala von 1 (sehr gut) bis 6 (ungenügend) wird der hiesige Finanzplatz im Schnitt mit einer 4 bewertet.

Etatistische Politik

Wie wird der Finanzplatz also aus der Krise herauskommen? Bereits vor dem Ausbruch des Coronavirus gaben neun von zehn unserer Mitglieder an, dass sie in ihrem beruflichen Alltag zunehmend zentralistische Tendenzen aus dem politisch-regulatorischen Raum registrieren. Dies bezog sich vornehmlich auf wahrgenommene Bürokratie sowie aufsichtliche Befugnisse und Anforderungen. Entsprechende Aufgabenausweitungen und Steuerungen haben – teilweise erforderlich, einige im Windschatten der Krise – in den vergangenen zwölf Monaten freilich noch zugenommen. Ausgehend von diesem sehr hohen Level politischer Einflussnahme rechnen 80% der Umfrageteilnehmer nach Bewältigung der Coronakrise mit einer sich fortsetzenden etatistischen Politik inklusive Einschnitten in die Marktwirtschaft. Die Zahl lässt aufhorchen.

Als Verband, der sich als Vertreter der Interessen von Anlegern und Sparern versteht, sehen wir den Finanzplatz nun vor einer Belastungsprobe, die wir gemeinsam bewältigen. Einerseits müssen die Themen Finanzbildung (beginnend als Schulfach) sowie anleger- und anlagegerechte Beratung und Kapitalmarktethik hochgehalten werden. Hier darf es keine Kompromisse geben, die Krise darf nicht herhalten, um Niveaus mit dem Verweis „Corona zwingt uns dazu“ zu lockern. Dies ist die Basis für jegliches Vertrauen in den Finanzmarkt.

Zweitens werden die weitreichenden Auswirkungen der Pandemie die Rentensysteme zusätzlich belasten. Um den Schwierigkeiten bei Altersvorsorge und Vermögensaufbau zu begegnen, die wir aufgrund des Zinsverfalls, der Vermögenspreisinflation und der hohen Steuer- und Abgabenlast hierzulande haben, sind effektive Ansätze gefragt. Lohnenswert könnte, neben steuerlichen Anreizen, für die private und betriebliche Altersversorgung ein Blick nach Schweden sein sowie nach Norwegen mit dem funktionierenden Modell eines unabhängigen Staatsfonds. Auch wenn die Mittel und die Chancen für eine entsprechende Ausgestaltung limitierter scheinen als noch vor einigen Monaten, sollte diese Diskussion geführt werden.

Letztlich bedarf es für die Bereiche, die nicht in die Selbstregulierung fallen, einer entsprechenden Verlässlichkeit gesetzlich-interventionistischer Regelungen und einer ständigen Aufmerksamkeit hinsichtlich ihrer Begrenzung. Die aktuelle Rhetorik darf nicht eine dauerhafte Stilllegung oder gar Transformation der Wirtschaft ohne Einbeziehung ihrer Akteure legitimieren. Marktwirtschaft, fiduziarische Verantwortung und Eigentum etwa sind unverletzlich.

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