Festnahmen

China greift in Bankenskandal durch

Ein Bankenskandal bringt Bürger der chinesischen Provinz Henan auf die Barrikaden und die Behörden in Erklärungsnot. Der Lokalkrimi entfaltet Breitenwirkung.

China greift in Bankenskandal durch

nh Schanghai

Chinas Behördenapparat versucht mit einem neuen Rundumschlag einen seit Monaten schwelenden Bankenskandal in der Provinz Henan zu beseitigen. Zu Wochenbeginn wurden Festnahmen von 234 Personen verkündet, die im Zusammenhang mit betrügerischen Machenschaften in vier lokalen Kreditinstituten stehen sollen. Am Dienstag erklärten lokale Finanzregulatoren, dass eine neue Entschädigungsrunde für Kunden mit Einlagensummen zwischen 400000 und 500000 Yuan (gut 70000 Euro) abgewickelt wurde. Damit sei das Gros der Ansprüche geprellter Anleger, deren Konten seit Monaten eingefroren waren, befriedigt worden.

Lokalkrimi mit Folgen

Die in China für enorme Aufmerksamkeit sorgende Affäre hatte im April mit dem illegalen Einfrieren von rund 1 Million Konten bei den vier Instituten begonnen, die sich mit einer Reihe von hochverzinslichen und online vertriebenen Lockangeboten über ihren regionalen Einzugsbereich hinaus chinaweit einen massiven Kundenzulauf verschafften und dabei umgerechnet 5,7 Mrd. Euro eingesammelt haben sollen. Die vier Banken standen unter der Kontrolle einer Investmentgesellschaft namens Xincaifu Group, deren Gründer und Chef Lu Yi bereits im Frühjahr wegen Bandenkriminalität verhaftet wurde. Dabei soll es zu einer weitreichenden Verquickung auf Lokalregierungsebene gekommen sein, aus der sich die hohe Zahl der weiteren Festnahmen erklärt.

Die Affäre bekam auch dadurch eine brisante politische Dimension, dass Protestaktionen von Bankkunden mit unerlaubten Mitteln verhindert wurden. Im Juni kam es zu einer aufsehenerregenden Manipulation der chinesischen Corona-App, um mit einer Veränderung des Gesundheitsstatus potenzieller Demonstranten deren Anreise zu Protestaktionen zu verhindern.

Zwei Wochen später wurde eine neue Demonstration der Bankkunden in der Provinzhauptstadt Zhengzhou von einem vermutlich behördlich organisierten Schlägertrupp gewaltsam aufgelöst. Erst danach griff die Zentralregierung durch und ordnete erste Entschädigungsangebote für Bankkunden an. Seitens der chinesischen Regierung versucht man seit einigen Jahren, heimische Bankkunden dahingehend zu erziehen, dass sie höher verzinsliche Einlagenformen, die oft den Charakter von revolvierend erneuerten kurzfristigen Investmentprodukten an­nehmen, als Anlagen mit einem potenziellen Ausfallrisiko verstehen. Tatsächlich geht das Gros der Bevölkerung aber davon aus, dass ihre Bankguthaben einer impliziten Staatsgarantie unterliegen.

Der Fall in Henan ist ein Paradebeispiel für diese Problematik und gilt als besonders heikel, weil chinesische Sparer und Kreditnehmer in einer Phase großer Konjunkturunsicherheit wegen Corona-Restriktionen zusätzlich von Verwerfungen am Immobilienmarkt aufgewühlt sind und große Nervosität an den Tag legen. Dazu gehört eine Boykottwelle bei der Bedienung von Hypothekenkrediten, mit denen Wohnungskäufe in Tausenden von Immobilienprojekten finanziert wurden, deren Fertigstellung von der laufenden Verschuldungskrise bei chinesischen Immobilienentwicklern kompromittiert wird.

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