Kryptomarkt

Coinbase erlebt ein Horrorjahr

2022 war ein Annus horribilis für Coinbase – und 2023 dürfte nicht viel besser werden. Auch wenn Coinbase einiges an Cash auf der hohen Kante hat, darf der Krypto-Winter nicht zu lange dauern, sind doch innerhalb von zwölf Monaten rund 2 Mrd. Dollar an Reserven bei dem Kryptoriesen verdampft.

Coinbase erlebt ein Horrorjahr

Von Björn Godenrath, Frankfurt

Kurz vor Weihnachten hatte der Absturz der Coinbase-Aktie einen neuen, traurigen Höhepunkt er­reicht: Auf Jahressicht summierte sich das Kursminus auf 85% bei 34,35 Dollar, was die Marktkapitalisierung auf 8 Mrd. Dollar schrumpfen ließ – womit die nach Binance zweitgrößte zentrale Kryptobörse weniger wert ist als die Spaßwährung Dogecoin.

Das ist eine gewaltige Demütigung für Coinbase-Chef Brian Armstrong, der zu lange einen Expansionskurs fuhr und nun auf gestiegener Kostenbasis einen heftigen Umsatzeinbruch managen muss. Für 2021 hatte Coinbase Erlöse von 7,8 Mrd. Dollar sowie ein operatives Ergebnis (Ebitda) von 4 Mrd. Dollar gezeigt und kürzlich eingeräumt, dass für dieses Jahr ein Umsatzeinbruch um mindestens 50% zu verzeichnen sei. Den immer weiter nach unten taxierenden Analysteneinschätzungen zufolge dürften 3,2 Mrd. Dollar Umsatz gezeigt werden, ein Minus von 60%. Zuletzt war es Mizuho, die das Kursziel heftig von 42 auf 30 Dollar kürzte. Am Dienstag notierte die Coinbase-Aktie bei 35,49 Dollar.

Die Aussichten sind trübe bis bedenklich: Bei Robinhood brach das Kryptohandelsvolumen im November um 80% ein, Coinbase verzeichnete im dritten Quartal 44% weniger Transaktionsumsatz – die wichtigste Einnahmequelle droht im Krypto-Winter weiter zu versiegen. Zwar hat Coinbase ihre Einnahmen diversifiziert, aber auch dort regnet es rein: Die Einnahmen aus dem Stablecoin-Geschäft (mit Circle) gehen zurück, sie stehen für 10 bis 15% des Quartalsumsatzes. Das Cashpolster von mehr als 7 Mrd. Dollar zum Jahresanfang dürfte bis Ende 2022 auf unter 5 Mrd. Dollar geschrumpft sein.

Auf der anderen Seite der Bilanz hat Coinbase langfristige Finanzverbindlichkeiten von 3,4 Mrd. Dollar. Zuletzt wurden im September 2021 Anleihen über 1,5 Mrd. und 2 Mrd. Dollar begeben, die zwar erst 2026 und 2031 fällig werden, aber heute schon werden die 2031er Papiere mit einem Abschlag von 50% auf den Nennwert gehandelt. Das bedeutet, dass Coinbase derzeit keinen günstigen Zugang zu Eigen- und Fremdkapital hat und Investoren es wohl auch nicht goutieren würden, wenn Coinbase die mit Abschlag notierenden Papiere zurückkauft – womit Armstrong schon kokettiert hat.

Für SEC ein Risikosektor

Denn Eigenkapital ist das wertvollste Gut in der Krise. Und man muss zudem schauen, wo das bilanzielle Eigenkapital steht, sollte Coinbase gezwungen sein, Goodwill-Abschreibungen auf Akquisitionen sowie Wertminderungen auf Venture-Beteiligungen zu verbuchen. Außerdem könnte sich die SEC veranlasst sehen, zusätzliche Eigenkapitalpuffer im Risikosektor Krypto zu verlangen. SEC-Chef Gary Gensler hat außerdem im Auge, dass Coin­base möglicherweise Token gehandelt hat, die als Wertpapiere hätten registriert werden müssen. Das würde Geldstrafen nach sich ziehen.

Das durch die Pleitewelle und Betrügereien vergiftete Krypto-Umfeld hält also weitere böse Überraschungen bereit. Und die Tatsache, dass Bitcoin seitwärts tendiert, lässt auch keine steigenden Handelsaktivitäten erwarten, es herrscht Flaute. Denn viele Retail-Anleger haben mit den Verlusten das Interesse verloren und wollen mit steigender Inflation erstmal nur über die Runden kommen in ihren privaten Finanzen.

Auch bei den institutionellen Investoren ist das Interesse erlahmt. Als Assetklasse sei Krypto „effektiv nicht mehr existent“ für die meisten großen Geldhäuser, so der Investment-Stratege Jared Gross von J.P. Morgan Asset Management gegenüber Bloomberg. Die Volatilität der Industrie sei einfach zu hoch, deshalb würden die Geldmanager den Sektor meiden. Zudem sei keine „intrinsische Rendite“ greifbar, womit Gross darauf anspielt, dass sich das Narrativ von Bitcoin als digitalem Gold und damit als sicherem Hafen und Inflationsschutz zerschlagen habe.

Mythos Inflationsschutz

Andererseits dürften die bei zweistelliger Inflation spürbaren Kaufkraftverluste von Euro und Dollar die Sehnsucht nach einer Fluchtwährung am Leben erhalten. Mit dem Lightning Network und daran anknüpfenden Apps wie „Strike“ und „Bitnob“ lassen sich Bitcoin-Guthaben ganz gut als Zahlungsmittel einsetzen, das auf Mittelsmänner wie Banken und Kreditkartenkonzerne verzichtet. Aus dem Handel ist immer mehr zu registrieren, dass Kreditkarten aus dem Portfolio geschmissen werden, da man bei kleinen Summen nach Kreditkartengebühr nichts mehr verdient. Da wächst die Bereitschaft für alternative Zahlungsmittel. Und nur wenn es Bitcoin gelingt, in diese Bresche reinzugehen, gibt es die reale Nutzbarkeit jenseits der Spekulation.

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