Matthias Hübner

Datenanbieter S-Ray baut Nachhaltigkeitsplattform aus

Der Anbieter von Nachhaltigkeitsdaten, Arabesque S-Ray, setzt auf technologiegetriebenes Wachstum und wird sein Datenangebot ausweiten. Aktuelle Vorwürfe gegen die Arabesque-Gruppe weist der neue Deutschlandchef Matthias Hübner zurück.

Datenanbieter S-Ray baut Nachhaltigkeitsplattform aus

Von Tobias Fischer, Frankfurt

Der Frankfurter Anbieter von Nachhaltigkeitsdaten, Arabesque S-Ray, baut seine Datenplattform aus, um künftig auch Informationen von nicht gelisteten Unternehmen anbieten und in seine Ratings einfließen lassen zu können. Aktuell deckt die Gesellschaft gut 8000 börsennotierte Unternehmen aus aller Welt ab. Unter Einsatz künstlicher Intelligenz (KI) ermittelt S-Ray Unternehmensdaten zu Umwelt-, sozialen und Governance-Kriterien, die sie entweder als Rohdaten verkauft oder zu Scores verdichtet, die Aussagen über bestimmte Nachhaltigkeitsaspekte erlauben sollen.

Anspruch sei, die Plattform auch mit Daten zu füttern, die über das hinausgehen, was Unternehmen im Rahmen ihrer Publizitätspflichten selbst veröffentlichen. So sollen künftig auch Informationen von nicht börsennotierten Gesellschaften einfließen. „Wir wollen die Datensammlung beispielsweise auch über alternative Assetklassen wie Private Equity und Private Debt erweitern. Damit werden wir in den nächsten Monaten an den Markt gehen“, sagt Matthias Hübner, der seit Februar das Arabesque-Deutschlandgeschäft führt. Bei seinem neuen Arbeitgeber soll er nicht nur das Deutschlandgeschäft der Arabesque-Gruppe vorantreiben, die aus der Frankfurter Gesellschaft S-Ray und den in London residierenden Arabesque AI und Arabesque Asset Management besteht, sondern auch das Beratungsgeschäft mit Finanzdienstleistern in Europa, dem Nahen Osten und in Afrika (EMEA) ausbauen.

Um die Abdeckung der gelisteten Unternehmen auszuweiten und auch nicht börsennotierte einzubeziehen, hält er es für unabdingbar, es Firmen zu ermöglichen, selbst direkt auf der Technologieplattform Daten zu publizieren, die dort wiederum von der Kapitalseite abgefragt werden können. „Damit hat man alle Informationen auf einer Plattform und weitet den Datenschatz stark aus“, sagt Hübner. „Auf diese Weise kann jeder Assetmanager und jede große Bank auch Nachhaltigkeitsinformationen gezielt anfordern, die über das hinausgehen, was die Unternehmen berichtet haben.“

Vorwürfe gegen seinen neuen Arbeitgeber, die von Greenwashing und Intransparenz bis hin zu undurchsichtigen und potenziell dubiosen Geschäften eines Vertrauten des Arabesque-CEO Omar Selim namens Daniel Wruck reichen, weist Hübner allesamt zurück. Erhoben hatte sie die „Süddeutsche Zeitung“. Wruck, der dem Bericht zufolge im Verborgenen agiert und sich bester Kontakte insbesondere in Golfstaaten erfreut, agiere für die Gesellschaft als Türöffner. Als Berater des Baukonzerns Bilfinger sei Wruck 2015 der Complianceabteilung unangenehm aufgefallen, die vor einer weiteren Zusammenarbeit gewarnt habe. Hübner entgegnet dem, dass Wruck nichts nachgewiesen werden konnte, wie die Zeitung selbst schreibe. Es gelte schließlich die Unschuldsvermutung.

Der Intransparenz bezichtigt

Den Vorwurf der Intransparenz will er ebenfalls nicht auf dem Unternehmen sitzen lassen: So habe sich Arabesque anfangs sehr offen gezeigt. Erst angesichts zunehmend harter Vorwürfe des Blatts sei Arabesque von der kooperativen Linie abgewichen.

Dass der frühere Vizekanzler Philipp Rösler als Mitglied im Advisory Board von S-Ray und nicht etwa, wie früher einmal auf der Homepage aufgeführt, als Board Member agiere, habe Verwirrung gestiftet, dürfe aber nicht als Zeichen einer Absetzbewegung des Ex-FDP-Politikers gewertet werden, so Hübner. Rösler sei früher wie heute in beratender Funktion aktiv. Im Mai ist auch der einstige Co-CEO der Deutschen Bank, Jürgen Fitschen, dem Beirat von S-Ray beigetreten.

Da S-Ray börsennotierte Firmen abdeckt, stützt sie sich zur Berechnung der Scores vor allem auf die Geschäftsberichte der Unternehmen. Um Datenlücken zu schließen, die durch die großen Zeitspannen zwischen den Veröffentlichungen und durch oft nur spärliche Nachhaltigkeitsinformationen entstehen, reichert S-Ray die verfügbaren Daten kontinuierlich mit Informationen aus Presseartikeln und Social-Media-Beiträgen an. Darüber hinaus fragt S-Ray mitunter gezielt weitere Informationen direkt bei den Unternehmen ab. „Es ist eine Reise“, sagt Hübner. „Das läuft heute noch nicht komplett automatisiert ab. Die Stoßrichtung ist aber, dass wir dorthin kommen wollen.“

Aus den gesammelten Daten erstellt S-Ray verschiedene ESG-Kennzahlen, die Kunden für Investitions- und Kreditentscheidungen einsetzen können. Die Analyse der gesammelten Daten soll beispielsweise auch Auskunft geben über das Kreditausfallrisiko eines Schuldners nicht nur aufgrund der Bonität, sondern des Nachhaltigkeitsprofils. So ließen sich etwa Erkenntnisse ableiten, ob ein Unternehmen Gefahr laufe, beispielsweise gegen die im Lieferkettengesetz verankerten Vorgaben zum Schutz von Menschenrechten und Umwelt zu verstoßen, ob Strafen drohten oder der gar Verlust der Wettbewerbsfähigkeit, heißt es.

Wirtschaftstätigkeit in Celsius

Besonders hoch im Kurs steht Hübner zufolge bei der Kundschaft, zu der er zu deutlich mehr als der Hälfte europäische Gesellschaften vom Mittelständler bis zum Dax-Konzern zählt, derzeit der sogenannte Temperature Score. Dieser gibt am Beispiel einzelner Firmen jeweils an, um wie viel Grad Celsius sich das Klima bis 2030 oder bis 2050 erwärmen würde, wenn alle Unternehmen so wirtschaften würden wie diese Firma. „Wir übersetzen die Wirtschaftstätigkeit des Unternehmens in einen Gradwert.“ Statt Standard-Scores bietet S-Ray auch Rohdatenpakete an zu ESG generell, zu Klima oder zur Regulierung wie der EU-Taxonomie, welche die Käufer dann selbst auswerten. „Große Akteure wie Assetmanager wollen in der Regel keinen Score von der Stange, sondern Rohinformationen.“ Den Rückenwind durch den Trend zur Nachhaltigkeit versucht S-Ray in Wachstum umzumünzen. „Die Ambition sollte schon sein, jedes Jahr deutlich zu wachsen und Marktanteile zu gewinnen. Größe ist ein Wettbewerbsvorteil und hilft uns auch, bekannter zu werden.“ Konkrete Ziele will sich Hübner aber nicht entlocken lassen. Der rapide Mitarbeiter-Zuwachs auf gruppenweit aktuell rund 200 Angestellte gehe zu einem guten Teil auf Neueinstellungen im Zuge eines neuen Standorts in Indien zurück. Der Personalbedarf werde aber nicht mehr im selben Maße zulegen wie in den vergangenen Monaten, da die Nutzung künstlicher Intelligenz vorangetrieben werden solle, sagt Hübner.

Weitere Finanzierungsrunden sind ihm zufolge aktuell nicht geplant. „Sicherlich kann das in Zukunft ein Thema werden, wenn es wie bei jedem Wachstumsunternehmen wieder Kapitalbedarf geben sollte.“ Ende 2019 waren gemeinschaftlich die Helaba über ihre Beteiligungsgesellschaft Helaba Digital, Allianz X, Commerz Real, DWS und das Land Hessen bei S-Ray eingestiegen und haben insgesamt 20 Mill. Dollar investiert. Später zog Accenture nach. Alles in allem halten die sechs Gesellschaften ein Viertel der Anteile; drei Viertel sind in der Hand der Arabesque Holding, der Dachgesellschaft für Arabesque Asset Management, Arabesque AI sowie S-Ray (s. Tabelle). Die DWS ist zudem an der AI-Tochter mit 24,9% beteiligt.

Dass sich die Commerzbank-Tochter Commerz Real möglicherweise zurückzuziehen gedenkt, wie die „Süddeutsche Zeitung“ schreibt, weist Hübner zurück. „Wir schätzen die Commerzbank als strategischen Investor und sind überzeugt, das beruht auf Gegenseitigkeit“, sagt er und fügt hinzu: „Gleiches gilt für unsere weiteren Aktionäre.“ Helaba-Vorstandschef Thomas Groß hatte Anfang Juli in einem Pressegespräch angekündigt, sich das bereits ohne Befund durchgeprüfte Engagement nochmals anzusehen. Es bestehe aber kein konkreter Anlass, sich von der 2,2%-Beteiligung zu trennen.

Banken stehen passabel da

Dem Finanzsektor stellt Hübner ein passables Nachhaltigkeitszeugnis aus: In Summe stehe er vielleicht sogar einen Tick besser da als die gesamte Unternehmenslandschaft. Assetmanager hätten ESG schon vor Längerem als Investmentthema erspäht, und auch Banken machten gute Fortschritte, sagt er. Ein wenig hintendran seien aber Versicherungen. „Sie stehen innerhalb der Finanzbranche noch am Ende des Spektrums, weil die Regulierung hier etwas später kam.“

Unternehmen aus bestimmten Branchen wie Energieversorgung seien aufgrund ihrer Geschäftstätigkeit benachteiligt. Das dürfe aber kein Grund sein, sie von Finanzierungen auszuschließen. „Wenn, überspitzt ausgedrückt, sämtliche Fonds nur noch in Unternehmen investieren, die einen hohen ESG-Score haben, was dann? Die Welt macht man nicht besser, indem man diejenigen kauft, die schon heute gut sind, sondern es ist wichtig, die mitzunehmen, die eine Transformation noch vor sich haben.“ S-Ray berücksichtige deshalb, ob eine positive Entwicklung zu erkennen sei. Daraus ließen sich dann zum Beispiel Bedingungen und Konditionen für Kreditfinanzierungen ableiten. „Ich denke, dass diese Art der Verwendung von ESG-Informationen noch zunehmen wird.“

Welches ESG-Rating S-Ray selbst erreicht, kann Hübner nicht sagen. Die Gesellschaft sei schließlich nicht börsennotiert und werde deshalb nicht selbst bewertet. Man müsse aber selbstkritisch bleiben, sagt er. „Auch wir haben Hausaufgaben zu erledigen“, sagt er und führt eine noch verbesserungswürdige Frauenquote in der Führung ins Feld. Daran werde gearbeitet.

Anteile der Shareholder an Arabesque S-Ray
NameProzent
Arabesque Holding75,23
Allianz X11,26
Commerz Real4,87
DWS2,68
Helaba Digital2,19
Land Hessen2,19
Accenture1,58
Quelle: S-RayBörsen-Zeitung