Clemens Koch

„Die Abschluss­prüfung wird nicht günstiger“

PwC Deutschland bereitet ihre Kunden im deutschen Bankensektor im Lichte rechtlicher Verschärfungen nach dem Wirecard-Skandal auf Preiserhöhungen vor. Personell soll der Bereich Financial Services kräftig wachsen.

„Die Abschluss­prüfung wird nicht günstiger“

Von Bernd Neubacher, Frankfurt

PwC Deutschland will nach dem Wirecard-Skandal mit einem kräftigen Ausbau des Personals ihre Marktführerschaft im deutschen Finanzdienstleistungssektor ausbauen und signalisiert unter Verweis auf neue Anforderungen zugleich höhere Preise. Banken müssen sich zudem darauf einstellen, dass die Gesellschaft sich im Zuge der Prüfung von Halbjahresabschlüssen genau an­schauen wird, wie die Institute die Effekte des jüngsten Urteils des Bundesgerichtshofes zur Zustimmungsfiktion bei Änderungen der allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) handhaben werden.

Im Gespräch mit der Börsen-Zeitung will Clemens Koch, Leiter des Bereichs Financial Services und Mitglied der Geschäftsführung, keinen Zusammenhang zwischen dem Ausbau des Geschäfts durch PwC und dem Reputationsverlust für den Konkurrenten EY im Zuge des Wirecard-Skandals herstellen. Die langfristigen Folgen des Skandals für den Prüfermarkt seien spekulativ, sagt er.

Tatsache ist, dass das Geschäft für die Gesellschaft derzeit läuft wie geschnitten Brot. Mit Blick auf das Ende Juni abgeschlossene Geschäftsjahr zeigt sich Koch „sehr zufrieden“. Nachdem 2020 zunächst Zurückhaltung zu beobachten gewesen sei, laufe das Geschäft seit Spätherbst „wieder sehr gut“. Im Geschäftsjahr per Juni 2020 war der Vorsteuergewinn um 56% auf 176 Mill. Euro gestiegen. Der von Koch geleitete Bereich Financial Services trug ein Viertel zum Umsatz bei.

Der Nebel lichtet sich

Nun, da sich der mit der Pandemie aufgezogene Nebel der Ungewissheiten lichte, werde der Veränderungsbedarf wieder größer, sagt er etwa mit Blick auf Banken, die zusehends gerade um junge, sich Plattformen oder Neobanken zuwendenden Kunden bangen müssten oder sich in die Erkenntnis fügten, dass sie via Digitalisierung ihr Geschäftsmodelle verändern müssten. Institute im Ausland seien derweil schon weiter, was etwa die Zusammenarbeit mit bankfremden Anbietern auch mit entsprechenden Preisvergünstigungen für Kunden angehe. Zwar droht Banken mit Plattform Banking eine „Amazonisierung“, wie Koch mit Blick auf den Einzelhandel sagt, dennoch sehe er keine Alternative zu diesem Risiko: „Ich glaube, dass in diesem Bereich mehr passieren sollte. Die deutschen Banken waren sehr zögerlich im Aufbau solcher Aktivitäten. Der Druck wird zunehmen.“

Tatsache ist auch, dass PwC im großen Stil einstellt. Erst Anfang Juli gab das Haus die Berufung von knapp 30 Partnerinnen und Partnerinnen bzw. Direktorinnen und Direktoren bekannt. Mit 1700 Leuten ist der Bereich Financial Services bei PwC schon jetzt der größte bei PwC Deutschland. Koch hat sich vorgenommen, jährlich nicht weniger als 300 Leute einzustellen, was knapp 20% der Belegschaft entspräche. Netto wird der Zuwachs um einiges geringer ausfallen – die Fluktuation liegt im niedrigen zweistelligen Prozentbereich. Diese Neueinstellungen hätten nichts mit Wirecard zu tun, sondern mit dem Transformationsbedürfnis der Marktteilnehmer, betont der Manager.

Die Pandemie hält er für „noch nicht ausgeschwitzt“. Auch wenn die Lage mit Blick auf Wertberichtigungen noch gut aussehe: Mittelbar würden die Folgen noch sichtbar, schließlich liefen spätestens nach der Bundestagswahl die öffentlichen Hilfen aus, gibt Koch zu bedenken. Dann dürften sich auch Marktstrukturen verändern. PwC unterstellt derzeit einen positiven Verlauf der Impfkampagne sowie einen drei Jahre währenden Wirtschaftsaufschwung, der die Kapitalquote der Banken um 1,5 Prozentpunkte heben sollte. Ein An­stieg des Volumens an notleidenden Forderungen sowie höhere Wertberichtigungen könnten sie zugleich zwei Punkte Kapitalquote kosten.

Belastungen kommen auf deutsche Banken auch infolge des BGH-Urteils zu AGB-Änderungen hinzu. So war aus einem der Finanzverbünde zuletzt zu hören, dies dürfte die Zinsmarge um durchschnittlich acht Basispunkte schmälern. Offiziell hält man sich in der Branche, mit Ausnahme der blauen und der gelben Großbank, weitestgehend bedeckt. Laut Koch müssen die Institute das Problem nicht nur technisch bewältigen, indem sie die finanziellen Folgen berechnen. Ebenso ist strategisch die Frage zu klären, was das Urteil für künftige Preiserhöhungen bedeutet.

Fest steht, dass die Folgen des BGH-Urteils für PwC ein Schwerpunkt der Prüfung der Halbjahresergebnisse von Banken wird. „Die Branche hat noch kein geschlossenes Bild und steht noch am Anfang“, beschreibt Koch die Lage. Die Bildung von Rückstellungen sei in deren Höhe immer unbestimmt und damit ins Ermessen der Institute gestellt. PwC werde darauf achten, dass die Banken dieses Ermessen angemessen ausübten. Punktlandungen seien im Falle der entsprechenden Schätzungen nicht zu erwarten. Eher dürfte es im Laufe der kommenden Quartale noch zu Anpassungen kommen. Institute müssten nun durchrechnen, in welchem Ausmaß Kunden Gebühren zurückfordern dürften, sagt Koch und differenziert: Wealth Manager oder Institute mit einem regionalen Fußabdruck könnten es sich eher als etwa eine Direktbank gut überlegen, ob sie sich gegenüber ihren Kunden hartleibig oder nicht doch lieber kulant zeigen sollten.

„Das Urteil gibt den Instituten die Option, ihre Modelle grundsätzlich zu überdenken und ihrer Leistung einen gerechten Preis zu geben“, sagt er. ING Deutschland hat bereits Negativzinsen für Neukunden eingeführt die Freigrenzen für Bestandskunden reduziert. Den mit dem BGH-Urteil verbundenen Erfolg der Verbraucherschützer in der Auseinandersetzung mit den Banken kommentiert er denn auch zurückhaltend: „Das kann sich umkehren. Und wirtschaftlich wäre dies vielleicht sogar gut.“

Bei den Konsequenzen des Wirecard-Skandals für PwC sieht die Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft zuerst auf die Rechtsfolgen und somit auf das Anfang Juli in Kraft getretene Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz (FISG), wie Koch sagt. Die Zehnjahresrotation des Prüfers sei nun auch außerhalb des Finanzsektors Vorschrift und im Finanzsektor nochmals verschärft worden, was den Bedarf an Nachwuchs verstärke. Die persönliche Haftung der Prüfer gehe nun hin bis zu strafrechtlichen Konsequenzen. All dies habe Folgen für die Attraktivität dieses Berufs. Zugleich erhöhten diese Nachjustierungen den Druck auch mit Blick auf die Anforderungen der Dokumentation. Dies seien Belastungsfaktoren, die sich auch im Preis niederschlagen würden: „Die Abschlussprüfung wird nicht günstiger werden“, prognostiziert er.

Die Perspektiven für den Prüfermarkt allgemeine schätzt er als günstig ein. Auch künftig dürfte der Markt 2 bis 4% jährlich wachsen. Ein „Game Changer“ sei ESG. Er sei „sehr positiv gestimmt und zuversichtlich“.