Frank Lorenz

Die Suche nach Auszu­bildenden ist ein Image­thema

Rollenwechsel für die Finanzindustrie: Standen einst Bewerber Schlange, so muss sie nun um die Besten werben. Sie sollte sich rechtzeitig um potenzielle Nachwuchskräfte bemühen, sagt Dr. Frank Lorenz von der Hochschule für Finanzwirtschaft & Management.

Die Suche nach Auszu­bildenden ist ein Image­thema

Tobias Fischer.

Herr Lorenz, wie attraktiv ist die Bankenbranche für Nachwuchskräfte?

Sie tut sich schwer, Nachwuchs zu gewinnen und zu binden. Die einzelnen Bankengruppen sind dabei unterschiedlich erfolgreich, doch generell gilt: Die Bankenbranche steht, was Nachwuchskräfte angeht, vor großen Herausforderungen, und zwar nicht erst seit heute. Mit Nachwuchskräften meine ich insbesondere Schülerinnen und Schüler, die vor dem Einstieg in Ausbildung oder Studium stehen, und in Teilen auch Hochschulabsolventinnen und -absolventen.

Warum tun sich Finanzinstitute so schwer?

Generell drängen Jugendliche eher ins Studium als in eine klassische Ausbildung. Branchenunabhängig hat sich das Berufswahlverhalten von Jugendlichen in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten verändert. Der Anteil der Fachabiturientinnen und -Abiturienten unter den Schulabgängern ist auf über 50% eines Jahrgangs gewachsen, Tendenz weiter steigend. Und damit wächst gleichzeitig die Erwartungshaltung durch Eltern wie durch Lehrkräfte. Die Logik ist simpel: Man strebt den höchstwertigen Schulabschluss an, die Allgemeine Hochschulreife. Und dann ist es gefühlt vorgezeichnet, anschließend studieren zu gehen.

Insbesondere Sparkassen, aber auch Genossenschaftsbanken gewinnen den Großteil ihrer Nachwuchskräfte über die duale Berufsausbildung. Es fällt ihnen zunehmend schwer, Jugendliche für eine Ausbildung zu Bankkaufleuten zu gewinnen, insbesondere unter Abiturienten. Was auf der anderen Seite durchaus einen positiven Effekt hat.

Welchen?

Für Jugendliche mit mittlerem Schulabschluss sind die Chancen, eine Bankausbildung zu bekommen, mittlerweile wieder deutlich gestiegen. Finanzinstitute entdecken diese Gruppe, übrigens ebenso wie die der Studienabbrecherinnen und -abbrecher, verstärkt.

Und das trotz zunehmender Akademisierung der Bankbranche?

Es ist ein Stückchen aus der Not geboren. Die besten Abiturientinnen und Abiturienten eines Jahrgangs, die für Banken wie für andere Branchen von besonderem Interesse sind, gewinnen Arbeitgeber in der Regel mit einem dualen Studienangebot. Eine Kombination aus Bachelorstudium plus Berufsausbildung in unterschiedlichen Durchführungsformaten – ausbildungsintegriert oder ausbildungsbegleitend – in einem Unternehmen, das üblicherweise zusätzlich zur Vergütung auch die Studiengebühren zahlt, ist für viele ein hochattraktives Angebot. Hier liegt auch ein Stück der Lösung für die Finanzwirtschaft:  Da, wo Banken und Sparkassen duale Studienangebote unterbreiten können, haben sie nach wie vor gute Chancen, die Besten eines Jahrgangs zu erreichen.

Wird das duale Studium die klassische Bankkaufmannslehre als wichtigsten Einstieg in die Branche verdrängen?

Es wird eine stärkere Differenzierung geben. Die Bedeutung der klassischen beruflichen Ausbildung wird abnehmen, aber noch wesentlicher Bestandteil bleiben. Ich glaube, dass weiterhin im Mengengeschäft ein Einstieg über eine klassische Berufsausbildung unverändert möglich sein wird. Zugleich wird es für diejenigen, die so den Weg in die Finanzwirtschaft finden, keine Sackgasse sein, auch wenn der Gesamttrend die Akademisierung ist. Das ist das Gute an unserem Bildungssystem.

Welche Rolle spielt die Reputation der Finanzbranche bei der Berufswahl?

Das Image der Branche hat seit der Finanzkrise 2008/09 gelitten und ist Arbeitgebern sicherlich im Moment nicht förderlich. Allerdings gelingt es Sparkassen und Volksbanken durchaus zu punkten, da sie etwas bieten können, das wieder einen höheren Stellenwert genießt: Regionalität. Gerade diejenigen, die eine Ausbildung machen, möchten in der Regel in der Region bleiben. Die Frage nach dem Sinn und dem Wert von Arbeit wird mittlerweile sicherlich auch anders beantwortet als früher. Hier können die Sparkassen mit ihrem öffentlichem Auftrag und die Genossenschaftsbanken mit dem Anspruch, Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten, unmittelbar etwas für eine Region tun und Sinn stiften. Und auch beim Thema Nachhaltigkeit sehe ich für sie Chancen, da sie mit Dezentralität, Förderung von Kultur und Sport sowie sozialem Engagement ein stimmigeres Bild vermitteln können.

Woran genau stoßen sich junge Leute?

Sicherlich haben die Finanzskandale, die aber nicht in allen drei Bankengruppen gleichermaßen anzutreffen waren, das Bild der Branche negativ beeinträchtigt. Vor dem Berufseinstieg stehende junge Menschen stellen sich auch die Frage, ob ein Institut ein attraktiver und verlässlicher Arbeitgeber ist, insbesondere wenn über Stellenabbau berichtet wird. Die Frage nach Karriere wird heute anders gestellt und beantwortet. Die Bankenbranche muss sich daran gewöhnen, nicht mehr die Rolle innezuhaben, Ausbildung zu gewähren. Sondern Banken und Sparkassen müssen sich verkaufen und so attraktiv sein, dass sie von Jugendlichen nicht nur wahrgenommen werden, sondern sich auch bewerben. Das ist ein Imagethema.

Mit wem konkurrieren Finanzinstitute um Nachwuchskräfte?

Die beiden großen Verbünde stehen schon einmal untereinander sehr stark im Wettbewerb. Die hohe Attraktivität, die eine Ausbildung in Bank oder Sparkasse einst hatte, hat in den vergangenen 15 Jahren kontinuierlich abgenommen. Heute erleben wir eine umgekehrte Welt: Banken müssen sich strecken, damit sie die Besten eines Jahrgangs bekommen. Banken und Sparkassen stehen als Arbeitgeber auch sehr stark in Konkurrenz zum öffentlichen Dienst. Studien zeigen, dass sich in den Top 10 der beliebtesten Berufe keine Bank mehr findet, sehr wohl aber Verwaltungen, das Finanzamt, die Polizei.

Woran liegt das?

Es besteht bei vielen jungen Menschen ein ausgeprägtes Bedürfnis nach Sicherheit, und dafür steht der öffentliche Dienst. Außerdem verkauft er sich moderner und bietet Beschäftigten ein besseres Paket in Sachen Work-Life-Balance als viele Unternehmen der freien Wirtschaft. Das hat bei jungen Leuten einen hohen Stellenwert. Sie möchten ein sicheres Einkommen und Karriere, allerdings nicht um jeden Preis.

Was raten Sie Banken und Sparkassen, um junge Kräfte zu gewinnen und zu halten?

Es muss ihnen gelingen, schon in der Schule, am besten ein, zwei Jahre vor Beendigung der Schulzeit, aktiv ins Bewusstsein der Jugendlichen zu treten, sich zu präsentieren und Einstiegs-, Ausbildungs- sowie Studienangebote darzulegen. Frühzeitig aufzuzeigen, welche Möglichkeiten es gibt, etwa durch Praktika, Bachelor- oder Masterarbeiten, die mit Unternehmen beziehungsweise in Unternehmen ge­schrieben werden. Wichtig ist, mit potenziellen Bewerberinnen und Bewerbern zur rechten Zeit in Kontakt zu treten und zu erklären, welche Entwicklungsmöglichkeiten sich in dieser Branche ergeben und wie leistungsfähig sie ist. Sicherlich hat sie trotz aller Herausforderungen immer noch einen gewissen Vorteil. Beispielsweise ist das Gehaltsniveau deutlich besser als in anderen Branchen. Aber wenn es darum geht, mit großen Beratungsgesellschaften oder IT-Dienstleistern wie Microsoft oder Google zu konkurrieren, wird die Luft dünn.

Das Interview führte

BZ+
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