Finanzverbund

Die Verantwortung diffundiert

Fehler? Welche Fehler? Das Heilbronner Debakel hat keinen Vater – es ist ein Findelkind.

Die Verantwortung diffundiert

Von Bernd Neubacher, Frankfurt

Im genossenschaftlichen Finanzverbund wird nach der Havarie der Volksbank Heilbronn reihum gemauert. „Grundsätzlich äußern wir uns nicht über Einzelinstitute“, hat Marija Kolak, Präsidentin des Bundesverbands der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR), zur Wochenmitte im Interview der Börsen-Zeitung erklärt. Keinen Kommentar gibt es auch beim Baden-Württembergischen Genossenschaftsverband (BWGV), der als Prüfungsverband die Bücher der Volksbank testierte.

Gerüchten, denen zufolge Prüfberichte auf politischen Druck hin verändert wurden, wird im genossenschaftlichen Lager vehement widersprochen mit der Begründung, dazu hätte der Volksbank Heilbronn die dazu nötige Präsenz in dem über die Besetzung des Verbandsvorstands bestimmenden Verbandsrat gefehlt. Eberhard Spies, Chef der das Institut schluckenden Volksbank Schwäbisch-Hall/Crailsheim, äußert sich auf Anfrage nicht, die Volksbank Heilbronn schickt einen Artikel aus der Regionalzeitung „Heilbronner Stimme“ („Fusion der Volksbanken ist perfekt“).

In Hintergrundgesprächen wird unterdessen deutlich: Ob Aufsichtsrat, Prüfungsverband, Bundesverband oder Finanzaufsicht – jeder der beteiligten Parteien wird, von anderen oder von sich selbst, bescheinigt, keinen Fehler begangen zu haben. Im Umkehrschluss bedeutet dies nichts weniger, dass das momentane System Havarien wie in Heilbronn nicht zu verhindern vermag – oder dass gehörige Verantwortungsdiffusion um sich gegriffen hat. Da wird etwa mit Blick auf den Aufsichtsrat konzediert, die Kontrolleure unter Vorsitz des Geschäftsleiters der Genossenschaftskellerei Heilbronn-Erlenbach-Weinsberg hätten sich während ihrer Tätigkeit um Fortbildung bemüht, und letztlich sei es ja auch, wenn auch spät, zu Wechseln im Vorstand gekommen. Mehr Finanzbildung für Vorstände und Aufsichtsräte tue allerdings not. In einer Zuschrift an die Lokalpresse ist derweil zu lesen, eine Gruppe von Mitarbeitern des Instituts habe dem Aufsichtsratsvorsitzenden Hinweise auf die Cum-cum-Geschäfte gegeben, von diesem aber keinen Termin erhalten.

Andernorts werden die Wechsel im Vorstand unterdessen dem Einwirken der Finanzaufsicht gutgeschrieben. Zur Qualität der Testate des Prüfungsverbands wiederum heißt es, eine ordnungsgemäße Geschäftsführung sei in Heilbronn jederzeit gegeben gewesen. Die Sicherungseinrichtung des BVR, ab 2017 mit einem Konzept zur Neuausrichtung der Volksbank im Ländle befasst, habe zudem im Sanierungsvertrag mit der Volksbank Heilbronn sowie im Anschlusssanierungsvertrag mit der Volksbank Schwäbisch-Hall/Crailsheim darauf bestanden, dass beide Institute im Zuge der Verschmelzung erhebliche Eigenbeiträge leisten.

Offen bleibt einstweilen die Frage von Regressansprüchen. Muss je­mand haften, wenn eine Genossenschaftsbank mit 2 Mrd. Euro Bilanzsumme ohne jede Not in den Niedergang gesteuert wird? Immerhin entspricht allein die jüngst publik ge­wordene Stützung durch den Verbund mit 60 Mill. bis 80 Mill. Euro dem 12- bis 16-Fachen des operativen Ergebnisses der Volksbank 2019. Der offizielle Jahresabschluss 2020 steht noch aus, vorläufig ist von einem Fehlbetrag von 20,2 Mill. Euro die Rede – diesen Jahresabschluss wollte er nicht testieren müssen, meint ein Beobachter.

Wiesloch fordert Regress

Im Rhein-Neckar-Kreis ist die Regress-Frage im Fall eines kleineren Schadens beantwortet. Die Raiffeisen Privatbank Wiesloch-Baiertal war einem Kreditbetrüger aufgesessen, der ein Loch von bis zu 9 Mill. Euro in die Bilanz riss, wie die „Rhein-Neckar-Zeitung“ schrieb – die BVR-Sicherungseinrichtung garantierte Kreditrisiken von 5 Mill. Euro und schoss knapp 1 Mill. Euro Eigenkapital hinzu, die Reserven wurden großteils auf-, der Vorstand abgelöst. Im Januar beauftragte die Generalversammlung den Aufsichtsrat, Schadenersatzansprüche gegen die Ex-Vor­stände wegen pflichtwidriger Vorstandstätigkeit zu verfolgen. Ein vom Aufsichtsrat in Auftrag gegebenes Gutachten, ebenso wie der genossenschaftliche Prüfungsverband und die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, stellte zuvor „schwerwiegende Sorgfaltspflichtverletzungen“ fest.