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Die Vorbereitungen auf Clearingpflicht nehmen Fahrt auf

Von Grit Beecken, Frankfurt Börsen-Zeitung, 16.4.2014 Nach einem holprigen Start mit etlichen Verzögerungen scheint die Einführung der Derivaterichtlinie Emir (European Market Infrastructure Regulation) mittlerweile besser voranzukommen. Inzwischen...

Die Vorbereitungen auf Clearingpflicht nehmen Fahrt auf

Von Grit Beecken, FrankfurtNach einem holprigen Start mit etlichen Verzögerungen scheint die Einführung der Derivaterichtlinie Emir (European Market Infrastructure Regulation) mittlerweile besser voranzukommen. Inzwischen sind drei Clearinghäuser als zentrale Gegenparteien unter Emir zugelassen worden – darunter befindet sich mit Eurex Clearing ein großer Spieler im Markt. Die Liste der von dem Trio abgerechneten Derivate gibt einen ersten Anhaltspunkt, welche außerbörslich gehandelten Termingeschäfte clearingpflichtig werden.Emir soll die Märkte für außerbörslich gehandelte Termingeschäfte, die sogenannten Over-the-Counter- (OTC)-Derivate, sicherer und transparenter machen, nachdem die Finanzkrise die Risiken der bislang oftmals intransparenten und mitunter unbesicherten Geschäfte offengelegt hat. Sie können ein systemisches Risiko darstellen, wenn wichtige Marktteilnehmer in Schieflage geraten und ihre Verpflichtungen nicht länger erfüllen können. Ein wichtiger Meilenstein der Richtlinienumsetzung war das Inkrafttreten der Meldepflicht am 12. Februar. Seitdem müssen alle Termingeschäfte, nicht nur die außerbörslichen, an sogenannte Transaktionsregister gemeldet werden.Die Derivaterichtlinie ist als europäische Verordnung unmittelbar gültig, das heißt, eine Umsetzung in nationales Recht ist nicht erforderlich. Die Inhalte der Richtlinie werden durch technische Regulierungsstandards (RTS, Regulatory Technical Standards) und technische Durchführungsstandards (ITS, Implementing Standards) konkretisiert, die ebenfalls EU-Verordnungscharakter aufweisen und daher auch unmittelbar bindendes Recht darstellen.RTS und ITS werden von der europäischen Wertpapieraufsichtsbehörde ESMA (European Securities and Markets Authority) verfasst und anschließend im Rahmen des sogenannten Trilogs von Europäischer Kommission, Europaparlament und EU-Ministerrat verabschiedet. Lange Liste mit GeschäftenAm 18. März wurde mit Nasdaq OMX der erste zentrale Kontrahent zugelassen und gleichzeitig eine Liste der abgerechneten Derivate erstellt. Die wächst mit jeder neuen Zulassung und umfasst mittlerweile eine ganze Reihe von Termingeschäften (siehe Kasten). Damit haben Finanzbranche und Realwirtschaft einen Indikator dafür, was clearingpflichtig wird – die Liste hilft ihnen allerdings nur bedingt. Denn die Angaben sind sehr allgemein.So ist nun zwar klar, dass beispielsweise Zinsderivate sicherlich abrechnungspflichtig werden. Doch es ist offen, in welcher Ausgestaltung. Schließlich können Marktteilnehmer im Rahmen eines Derivatekontrakts so ziemlich alles vereinbaren, was ihnen in den Sinn kommt. Zentrale Gegenparteien hingegen können nur standardisierte Kontrakte verrechnen und nicht für jedes Geschäft ein eigenes Angebot starten.Eines steht aber schon fest: Die Derivate, die clearingpflichtig werden, müssen rückwirkend verrechnet werden. Der Starttermin für die sogenannte Frontloading-Periode fällt auf den 18. März, den Tag der Nasdaq-Zulassung. Die ESMA hat zugesagt, zügig Details für das genaue Vorgehen zu liefern, damit die Branche sich vorbereiten kann. Da es sich dabei aber auch um RTS handelt, ist der oben beschriebene Prozess zu durchlaufen. Experten rechnen damit, dass noch wenigstens sechs Monate vergehen, bis klar ist, wie genau das Frontloading vonstattengehen soll und welche Geschäfte konkret betroffen sein werden.”Wann im Einzelnen das Frontloading beginnt, ist aus unserer Sicht jeweils zu spezifizieren”, sagt Bernhard Egger, Emir-Spezialist der BayernLB. “Ob im nun konkret vorliegenden Fall die Frontloading-Periode tatsächlich mit Zulassungsdatum der Nasdaq OMX beginnt oder von einem späteren Zulassungsdatum anderer Clearinghäuser wie Eurex oder LCH.Clearnet berechnet werden wird, ist derzeit offen.”Kreditinstitute haben die Vorbereitungen dennoch gestartet, schließlich ist viel zu tun: Durch die nachträgliche Verrechnung werden sich unter anderem Marginanforderungen und auch die Bepreisung der Geschäfte ändern. Schließlich macht es einen wichtigen Unterschied, ob ein Geschäft vergleichsweise sicher über einen zentralen Kontrahenten verrechnet wird oder bilateral – und womöglich gar unbesichert. Realwirtschaft zieht mitMit diesen Fragen müssen sich auch die Unternehmen der Realwirtschaft auseinandersetzen, die OTC-Derivate mit einem Gesamtnominalvolumen von mehr als 100 Mill. Euro oder mehr als 100 OTC-Derivatekontrakte eingegangen sind. Die Meldepflicht unter Emir gilt übrigens unabhängig von einer Schwelle für alle Unternehmen der Realwirtschaft. In der Regel übernehmen die Hausbanken die entsprechenden Verpflichtungen.Da nicht alle OTC-Derivatetransaktionen unter die Clearingpflicht fallen werden – weil sie nicht standardisierbar sind oder aus anderen Gründen nicht über eine zentrale Gegenpartei verrechnet werden können -, haben die europäischen Aufseher der ESMA in Zusammenarbeit mit der European Banking Authority (EBA) und der European Insurance and Occupational Pensions Authority (EIOPA) am Montag einen ersten Entwurf technischer Regulierungsstandards für Risikominderungstechniken entsprechender OTC-Termingeschäfte vorgelegt.Dabei setzen sie stark auf Schwellenwerte, um kleinere Marktteilnehmer nicht zu überfordern. Auch für große Spieler sind Erleichterungen geplant, beispielsweise sollen Änderungen bei der Sicherheitenstellung nur erforderlich sein, wenn sie bestimmte Beträge übersteigen. Darüber hinaus wollen die Aufseher strikte Anforderungen an die zu stellenden Sicherheiten erlassen und fordern robuste Risikoüberwachungsprozesse von Marktteilnehmern, die weiterhin außerbörslich und ohne Einbindung eines zentralen Kontrahenten handeln wollen. Die Branche kann zu den Vorschlägen bis zum 14. Juli Stellung nehmen.—– Bericht Seite 2