Ein Kleinaktionär namens Beethoven

Von Detlef Fechtner, Frankfurt Börsen-Zeitung, 10.9.2020 Den österreichischen Notenbankgouverneur erwartet man in Frankfurt eigentlich eher im EZB-Tower zu treffen oder in der Bundesbank. Dass Robert Holzmann gestern auf dem Parkett der Frankfurter...

Ein Kleinaktionär namens Beethoven

Von Detlef Fechtner, FrankfurtDen österreichischen Notenbankgouverneur erwartet man in Frankfurt eigentlich eher im EZB-Tower zu treffen oder in der Bundesbank. Dass Robert Holzmann gestern auf dem Parkett der Frankfurter Börse als Vortragender aufgetreten ist, hat freilich einen guten Grund. Denn die Deutsche Börse hat das 200. Jubiläum des Aktienhandels in Frankfurt gefeiert. Und die ersten Aktien, die in Frankfurt 1820 gehandelt wurden, waren nun einmal die Anteilscheine der “Privilegierten oesterreichischen Nationalbank”, also der Vorgängerin der heutigen OeNB, deren Chef Holzmann ist.In seiner Ansprache erinnerte Holzmann daran, dass ein großer Komponist zu den kleinen Aktionären der 1816 gegründeten Bank zählte. Nein, nicht Holzmanns Landsmann Wolfgang Amadeus Mozart. Denn der war in Sachen Finanzanlage nicht wirklich ambitioniert (und hat ohnehin das Jahr 1820 auch nicht mehr erlebt). Sondern Ludwig van Beethoven. Mit der Aktionärsnummer 3 170 zählte Beethoven zu den Ersten, die in Aktien investierten – eine Anlageform, die seinerzeit für das Investmentpublikum so neu gewesen sein muss wie heute Kryptowährungen.Vieles, was auch heute noch den Aktienhandel prägt, habe es auch damals schon gegeben – etwa Übertreibungen. Book erinnerte an die Hausse der Eisenbahn-Aktien in den 1830ern – “sozusagen die New Economy des 19. Jahrhunderts”. So waren die Aktien der Taunusbahn zwischen Frankfurt und Wiesbaden bei Anlegern heißbegehrt und bei ihrer Begebung vierzigfach überzeichnet. Auch gab es damals schon emissionsbegleitende Banken wie Johann Goll & Söhne.Anderes kam erst im Laufe der Jahre und Jahrzehnte hinzu, etwa fortgeschrittene Verwahrlösungen für Wertpapiere. So übernahm in den 1850ern die “Frankfurter Vereins-Kasse”, eine Vorvorgängerin der Deutsche Börse Clearing, die Abwicklung von Wertpapiergeschäften. Und doch: Trotz aller Anpassungen und Modernisierungen des Geschäfts habe sich am Auftrag der Börse in den vergangenen 200 Jahren nichts geändert, unterstrich Book. Es gehe noch immer um die Preisermittlung an einem zentralen Marktplatz auf Basis von Neutralität, Transparenz und Vertrauen. Dass eben jenes Vertrauen durch den Fall Wirecard angeknackst sei, versteht Book als Auftrag – und plädiert für Gesetzesänderungen, die es der Börse erlauben, in ihrer öffentlich-rechtlichen Rolle schnell handlungsfähig zu sein, etwa was zügigere Sanktionsverfahren angehe.Gestern übrigens erinnerte der Parketthandelssaal ein klein wenig an frühere Zeiten. Nicht nur, weil jenseits der Ringe der Skontroführer zahlreiche Menschen auf dem Parkett versammelt waren. Sondern auch, weil sie coronabedingt in Grüppchen über den Raum verteilt waren. Fast hätte man durch die ringförmigen Formationen den Eindruck gewinnen können, die Gäste hätten gehandelt.——Vieles, was auch heute den Aktienhandel prägt, hat es schon vor 200 Jahren gegeben.——