Datenschutz

EuGH-Anwalt sieht Schufa-Scoring kritisch

Die Bonitätsbewertung von Auskunfteien wie der Schufa sorgt immer wieder für Streit. Betroffene Privatpersonen müssen mehr eingebunden werden, hält der Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof fest.

EuGH-Anwalt sieht Schufa-Scoring kritisch

rec/jsc Brüssel/Frankfurt

Am höchsten europäischen Gericht regen sich Vorbehalte gegen die Geschäftspraxis der Schufa. In beiden Verfahren geht es um den Schutz personenbezogener Daten. Nach Auffassung des Generalanwalts am Europäischen Gerichtshof (EuGH) setzt die automatisierte Erstellung eines sogenannten Score-Werts, auf dessen Grundlage Banken und Händler über die Kreditvergabe an Kunden entscheiden, die Einbindung der betroffenen Personen voraus. Kritisch sieht er auch, dass die Schufa, anders als Behörden, mehrere Jahre Informationen über eine abgeschlossene Privatinsolvenz speichert.

Hintergrund sind laufende Verfahren am Verwaltungsgericht Wiesbaden. Die Richter haben den EuGH eingeschaltet, um grundlegende Fragen des Datenschutzes zu klären. Die Stellungnahmen des Generalanwalts sind grundsätzlich unverbindlich. Die Richter am EuGH schließen sich aber der Sichtweise in der Regel an.

Die Schufa erstellt auf Grundlage von Daten einen Score, also eine Schätzung zur Kreditwürdigkeit eines Kunden. Banken und Händler nutzen die Daten der Schufa, sind aber im Grunde frei darin, wie sie diese Daten einsetzen. Es geht in dem Verfahren also gewissermaßen um das grundsätzliche Geschäftsmodell von Auskunfteien. Der Branchen­riese Schufa erfasst Daten von rund 68 Millionen Menschen.

In einem konkreten Fall ist einer Privatperson ein beantragter Kredit verweigert worden. Sie verlangte daraufhin von der Schufa, ihren Eintrag zu löschen, und forderte Einsicht in Daten und Methodik. Die Schufa teilte ihr ihren Score-Wert mit und machte allgemeine Angaben zur Methodik. Nähere Auskünfte lehnte sie mit Verweis auf Geschäftsgeheimnisse ab. Auch in einem weiteren Fall hatte eine Person gegen das Land Hessen geklagt. Der Datenschutzbeauftragte des Landes ist für die Schufa mit Sitz in Wiesbaden zuständig.

Generalanwalt Priit Pikamäe sieht in der Praxis ein automatisiertes „Profiling“ im Sinne der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Ein solches Verfahren ist laut Regelwerk nur möglich, wenn das Verfahren für Abschluss und Erfüllung eines Vertrags erforderlich ist und die betroffene Person einwilligt. Die Vorgabe soll Personen vor Entscheidungen schützen, die ausschließlich auf einer automatisierten Verarbeitung von Daten beruhen.

Für Generalanwalt Pikamäe sind die Voraussetzungen, um sich auf die Rechte aus der Datenschutzgrundverordnung zu berufen, erfüllt. Das gelte auch dann, wenn auf Grundlage des Score-Wertes Banken oder andere selbst noch über die Kreditwürdigkeit eines Kunden entscheiden. Demnach stehen Kreditnehmern nähere Informationen zu, wie ihr jeweiliger Score-Wert zustande gekommen ist. Die Auskunftei arbeitet derzeit an weiteren Angeboten, damit Privatpersonen die Auswirkung bestimmter Merkmale auf den Score-Wert besser nachvollziehen können. Mit einer Entscheidung aus Luxemburg könnten dem Unternehmen dabei neue Vorgaben drohen.

Neustart nach sechs Monaten

In dem anderen Fall geht es um die Frage, wie lange der Abschluss eines Privatinsolvenzverfahrens und der damit einhergehenden Restschuldbefreiung vermerkt werden darf. Aus den öffentlichen Registern werden diese Informationen nach sechs Monaten gelöscht. Die deutschen Auskunfteien speichern die Information aber in der Regel drei Jahre ab, wie sie in einem Verhaltenskodex festgelegt haben. Die Schufa begründet dies mit einem höheren Ausfallrisiko nach einer Privatinsolvenz – allein im ersten Jahr nach einer Restschuldbefreiung ist das Risiko einer Zahlungsstörung annähernd sechsmal so hoch wie für Personen ohne Negativmerkmal (siehe Grafik). Der Verzicht auf die Information führe zu häufigeren Kreditausfällen, sagte Schufa-Chefin Tanja Birkholz zur Jahreswende im Interview der Börsen-Zeitung. „Das führt zu einem Wohlstandsverlust und stellt eine Art Umverteilung dar.“

Nach Ansicht von Generalanwalt Pikamäe beeinträchtigt das mehrjährige Speichern solcher Daten Betroffene unverhältnismäßig stark. Seine Begründung: Eine einmal gewährte Restschuldbefreiung soll ihnen ermöglichen, wieder am Wirtschaftsleben teilzunehmen. Dieses Ziel werde vereitelt, wenn private Wirtschaftsauskunfteien Daten über eine zurückliegende Insolvenz länger als Behörden speichern.

Der Vorstoß des EuGH-Generalanwalts ist auch für ein laufendes Verfahren in Deutschland relevant. Am 28. März wird der Bundesgerichtshof sein Urteil verkünden, wie lange eine Restschuldbefreiung am Ende eines Privatinsolvenzverfahrens von einer Auskunftei vermerkt werden darf.

Wertberichtigt Seite 2