Bernd Wiemann, Everest Insurance

Everest will Dax-Konzerne versichern

Der deutsche Industrieversicherungsmarkt hatte zuletzt mit tiefroten Zahlen zu kämpfen. Jetzt will Everest Insurance, Tochter des weltweit siebtgrößten Rückversicherers, in den Markt vorstoßen, wie Bernd Wiemann erläutert.

Everest will Dax-Konzerne versichern

Von Antje Kullrich, Düsseldorf

Die stark steigenden Preise in der Industrieversicherung ziehen neue Marktteilnehmer an. Im Oktober ist die Everest Insurance mit einer Niederlassung in Düsseldorf gestartet. Das Unternehmen will sich vor allem als Kapazitätsgeber für Großrisiken einen Namen machen.

Mit Everest Re hat der Newcomer den siebtgrößten Rückversicherer der Welt als Mutter im Rücken. Die in Bermuda ansässige Gruppe verfügt über ein „A+“-Rating. Mit ihrem neuen CEO Juan Andrade, der Anfang 2020 den Chefposten übernahm, setzte Everest vor zwei ­Jahren zur internationalen Expansion an. Mit dem stärkeren Fokus auf die Industrieversicherung will Everest den Geschäftsmix diversifizieren. In der Erstversicherung sieht der aktuelle Drei-Jahres-Plan ein jährliches Beitragswachstum um die 20% vor, in der Rückversicherung ist es nur halb so viel. In Europa startete der Industrieversicherer in diesem Jahr in Spanien, Frankreich und Deutschland.

Everest will in Lücken stoßen, die Wettbewerber durch Kapazitäts­reduzierungen und Marktaustritte geschaffen haben. Der Versicherer konzentriert sich auf Unternehmen mit mindestens 250 Mill. Euro Um­satz. Die Nachfrage komme vor allem von den ganz großen Unternehmen aus dem Dax- oder MDax-Bereich, wie Deutschland-Chef Bernd Wiemann im Gespräch mit der Börsen-Zeitung erläutert. Denn sie haben derzeit Schwierigkeiten, ihre Versicherungsprogramme voll zu bekommen. „Wir sind nicht risiko­avers“, sagt Wiemann. „Aber wir wollen gerade in der Startphase nicht nur hoch exponierte Risiken zeichnen, sondern streben ein ausgewogenes Buch an.“

Everest startet mit Sach-, Haftpflicht- und Financial-Lines-Versicherungen. Ein Augenmerk gilt dabei der Managerhaftpflicht (Directors & Officers, D&O). „Wir sehen D&O nach wie vor als einen sehr interessanten Versicherungsmarkt an“, sagt Wiemann. Viele Anbieter hätten ihr Portfolio saniert, die Risikoqualität habe sich verbessert. „Wir glauben, dass sich der Markt in die richtige Richtung bewegt.“ Die Preise für Managerhaftpflicht sind teilweise extrem gestiegen.

Kapazitäten sind knapp

Fast alle Wettbewerber haben laut Wiemann in der D&O-Versicherung ihre angebotenen Deckungssummen gekürzt, mit Chubb hat sogar einer der Pioniere im deutschen Markt das hiesige Geschäft ganz aufgegeben. Die Makler müssen viel mehr Versicherer als früher ins Boot holen, um ein Programm mit mehreren hundert Millionen Euro Deckungssumme zu stemmen. Das schafft Raum und Bedarf für ein Start-up wie Everest mit finanziell starkem Mutterkonzern im Rücken. Bis zu 15 Mill. Euro Deckungssumme bietet der Versicherer für das Einzelrisiko. Das Unternehmen tritt in allen Sparten ausschließlich als Kapazitätsgeber auf, die Führung von Programmen übernimmt Everest bisher nicht. In der Managerhaftpflicht schreckt der Newcomer auch vor Finanzdienstleistern nicht zurück, die nur noch bei einem eingeschränkten Kreis von Anbietern D&O-Schutz einkaufen können. „Das ist ein ausgewiesenes Feld der Expertise für uns“, betonte Wiemann, der in seiner Karriere über 20 Jahre für Chubb tätig war. „Wir agieren ausgesprochen gern im Finanzdienstleistungssektor und trauen uns das zu.“

Der Track Record von Everest Insurance ist aktuell intakt. Die Schaden-Kosten-Quote ist in den vergangenen Jahren sukzessive gesunken – und trotz einer Belastung durch Hurrikan „Ian“ und roten Zahlen im dritten Quartal wies das Industrieversicherungsgeschäft der Everest-Gruppe in den ersten neun Monaten 2022 eine auskömmliche Combined Ratio von 95,9% auf. Allerdings sind diese Zahlen mit Vorsicht zu genießen, da der Trend nicht einfach auf Europa übertragbar ist: Denn bislang macht das nordamerikanische Geschäft den Löwenanteil aus.

Kleines Team in Düsseldorf

Hierzulande ist das derzeit vierköpfige Team in Düsseldorf noch sehr überschaubar. Wiemann setzt in der Startphase ausschließlich auf sehr erfahrene Leute aus dem Markt. „Für uns besteht die große Herausforderung aktuell, qualifizierte Leute zu finden.“. Die Mannschaft soll im kommenden Jahr auf zehn Beschäftigte anwachsen.

In den Anfangswochen hat Everest Insurance vor allem Sachversicherungsrisiken gezeichnet – ein Markt, in dem die Preise derzeit stark steigen. Im vergangenen Jahr verzeichnete die gewerbliche und industrielle Sachversicherung angesichts vieler Feuerschäden und der Flutschäden an Ahr und Erft ein hohes Defizit mit einer rekordversdächtigen Combined Ratio von 146%.

Perspektivisch will Wiemann das ganze Spektrum von Everest In­surance auch in Deutschland anbieten. Dazu gehören neben Cyber oder Luftfahrt auch spezielle Nischen wie Versicherungen für M&A-Transaktionen (Warranty & Indemnity) oder Börsengänge (Prospekthaftung). „Wir sind auf dem deutschen Markt gut empfangen worden“, zeigt sich Wiemann zuversichtlich.

Auf Marktanteilsziele will er sich nicht festnageln lassen. „Wir wollen für die Kunden relevant werden.“ Wer in der Finanzbranche etwa über den Abschluss der D&O-Police nachdenke, solle Everest Insurance als Anbieter im Kopf haben.

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