Prämiensparstreit

Folgt den Narren!

Im Prämiensparstreit gehen die großen Sparkassen in Köln auf ihre Kundschaft zu. Diese teure, scheinbar närrische Idee taugt als Vorbild für andere Geldhäuser.

Folgt den Narren!

Sind die großen Sparkassen in Köln denn jeck geworden? Die Kreissparkasse Köln schreibt die Anlegerschar von 25000 alten Prämiensparverträgen an und stellt ihnen eine Zinsnachzahlung in Aussicht, wie das Institut ankündigte. Die Sparkasse KölnBonn wiederum bereitet 20000 Anschreiben vor, wenngleich sie sich zur Frage der Zinsberechnung nicht festlegt. Viele andere Institute halten sich aber bedeckt und warten ein finales Urteil zur Zinsberechnung ab. Auch gehen sie wie in Frankfurt nur allmählich oder auch gar nicht aktiv auf die Kundschaft zu. Doch nüchtern betrachtet ist der Schritt der Kölner nachvollziehbar. Die Sparkassen sollten ihre Kundschaft anschreiben und ein rasches Vergleichsangebot prüfen.

Ein Kurswechsel fällt nicht leicht, denn in dem alten Rechtsstreit geht es um viel Geld. Nachzahlungen in durchschnittlich vierstelliger Höhe je Kunde sind denkbar. Aufsummiert über tausende Verträge kommt ein Millionenbetrag zusammen, der bei einigen Sparkassen zweistellig ausfallen dürfte. Kein Institut kann es sich leisten, Geld wie Kamelle auszureichen! Ohnehin stehen Sparkassen unter Druck: Die kommunalen Eigner hoffen auf solide Ergebnisse, die Aufsicht fordert hohe Kapitalquoten ein und tiefe Einschnitte ins Filialnetz sind unpopulär. Soll eine Sparkasse wirklich von sich aus Kundinnen und Kunden uralter Verträge darauf hinweisen, dass ihnen vermutlich Geld zusteht? Das ist eine teure, närrisch anmutende Idee.

Doch es ist angemessen, genau das zu tun: Nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs von Oktober zeichnet sich deutlich ab, dass Sparkassen und auch einige Banken auf die uralten Verträge zu wenig Zinsen bezahlt haben. Wenn ein Geldhaus nicht auf die Kundschaft zugeht, vertraut es auf das Unwissen und die Trägheit vieler Menschen, nicht aber auf eine rechtlich gesicherte Position. Sparkassen, und nicht nur sie, sollten ihre Kunden über ihre Ansprüche informieren – auch dann, wenn die Verträge wie vielfach üblich bereits gekündigt sind.

Noch schrecken viele Institute davor zurück. Sie berufen sich darauf, dass die Unklarheit noch immer groß sei. Der Bundesgerichtshof bekräftigte im Oktober zwar wichtige Grundsätze, verwies den Fall aber zugleich an das Oberlandesgericht Dresden zurück, das sich mit Details der Zinsberechnung auseinandersetzen muss. Viele Sparkassen und auch manche Fachleute meinen, dass ein Einigung verfrüht wäre. Sie wollen das Urteil in Dresden abwarten, das noch in diesem Jahr folgen könnte. Eine wichtige Instanz rät im Streitfall aber schon jetzt zu einer Einigung: Die Schlichtungsstelle beim Sparkassenverband DSGV meint, dass die verbliebene Unschärfe nach dem Urteil in Karlsruhe in einer Einigung beseitigt werden kann. Diese Empfehlung hat Gewicht: Sparkassen dürfen sich auf die Schlichterstelle berufen, wenn sie im Sinne der Kreditwirtschaft Position bezieht. Umgekehrt sollten Institute auch Empfehlungen zu ihren Ungunsten ernst nehmen.

Der Unmut mancher Sparkassen reicht tief. Die Finanzgruppe hadert damit, dass der Bundesgerichtshof die gängige Praxis der Sparkassen zur Zinsberechnung gekippt hat. Weil die alten Verträge keine Regeln dazu enthalten, wie der Vertragszins angepasst werden soll, haben die Sparkassen in der Praxis eine sinnvolle Lösung etabliert: Sie koppelten die Zinsen mit einem absoluten Abstand an einen Referenzsatz. Stieg oder sank der Referenzsatz, kletterte und fiel auch der Zins im Sparvertrag um die gleiche Höhe. Der Bundesgerichtshof hatte zwar schon vor Jahren den Bezug zu einem Referenzzins gefordert, die Rechenmethode mit absolutem Abstand später allerdings abgelehnt – obwohl diese Methode betriebswirtschaftlich schlüssig ist. Die Sparkassen-Finanzgruppe erhielt hier leider kein Recht. Nun muss sie mit den Folgen leben.

Ein Einlenken könnte aber im Interesse der Geldhäuser sein, denn früher oder später muss die Kreditwirtschaft womöglich ohnehin auf die Kundschaft zugehen. Die BaFin fordert die Branche auf, die Kunden über die Rechtslage zu informieren. Gegen diese Verfügung haben mehr als 1100 Institute Widerspruch eingereicht. Doch am Ende könnte sie Bestand haben. Ein Aussitzen ist riskant, denn das belastet die Reputation, während ein Erfolg ungewiss ist.

Verschenken sollte eine Sparkasse natürlich nichts. Ein Vergleich darf und sollte mit einem Abschlag versehen sein, der den Wert einer schnellen Einigung sowie die verbliebene Unsicherheit reflektiert. Das Ziel ist eine maßvolle Einigung. Wie hoch sie genau ausfallen sollte, müssen die Sparkassen noch eruieren. Nicht nur im Karneval sind die Augen bald wieder auf Köln gerichtet.

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