Frank Dornseifer

Gegen die Greenwashing-Ängste

Ab 2023 gilt der zweite Schritt der EU-Offenlegungsverordnung. Noch sind viele Vorgaben hierzu im Ungefähren. Der BAI legt ein Konzept vor und hat dabei auch die Greenwashing-Debatte im Blick.

Gegen die Greenwashing-Ängste

Von Silke Stoltenberg, Frankfurt

Im Spannungsfeld von fehlenden Nachhaltigkeitsstandards und Ängsten vor Greenwashing-Vorwürfen hat der Bundesverband Alternative Investments (BAI) mit Blick auf die künftig neu auszufüllenden Datenformulare konkrete Umsetzungsvorschläge erarbeitet. Denn gerade im Bereich der alternativen Investments wird auch in Zukunft kaum mit offiziellen Ratings zu ökologischen oder ethischen Aspekten zu rechnen sein, was Investoren und Assetmanager vor besondere Herausforderungen stellt. „Insbesondere die künftigen Berichtspflichten bei Investments zu möglichen nachteiligen Auswirkungen von Investitionsentscheidungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren (Principal Adverse Impacts, PAI) bergen noch so viele Unklarheiten, dass wir mit Mitgliedsunternehmen und Investoren methodische Grundlagen, aber auch konkrete Anwendungsvorschläge zunächst für Immobilien und Infrastruktur erarbeitet haben, die wir nun zur Diskussion stellen“, berichtet Geschäftsführer Frank Dornseifer im Gespräch mit der Börsen-Zeitung.

Diese Vorschläge des BAI sind Grundlage für laufende Gespräche mit der EU-Kommission und der Wertpapieraufsicht ESMA. Denn: „Wir gehen davon aus, dass weder die EU-Kommission noch die europäischen Aufsichtsbehörden alle praktischen Anwendungs- und Zweifelsfragen beantworten wollen beziehungsweise können. Hier setzen unsere Best-Practice-Guidelines an.“ Ziel sei dabei, Assetmanager und Investoren bei „eigenverantwortlichen Evaluierungen und Offenlegungen“ der Private-Markets-Strategien, also Immobilien, Infrastruktur, Private Equity und Private Debt, zu unterstützen.

Konkret geht es dabei um Vorschläge, wie Teile der neuen Nachhaltigkeitsformulare zu den ESG-Kriterien (Environment, Social, Governance) korrekt ausgefüllt werden könnten. Diese ESG-Formulare (European ESG Templates, EET) dienen dem Austausch mit den Aufsichtsbehörden. Wie diese aussehen sollen, wird seit einigen Monaten innerhalb der branchenweiten europäischen Arbeitsgruppe Findatex (Financial Data Exchange Templates) schrittweise erarbeitet (vgl. BZ vom 18.7.2021). Hier geht es um alle künftigen Meldeanforderungen der verschiedenen Ebenen der EU-Regulierung zur Nachhaltigkeit.

Maximal abstrakt

Gerade die neuen PAI-Meldepflichten im Rahmen der EU-Offenlegungsverordnung sind nach Darlegung von Dornseifer nach jetzigem Stand der Dinge maximal abstrakt für Assetmanager und Investoren. „Es gibt bislang nur rudimentäre und vorläufige Vorgaben zu den PAI, die einschlägigen Regulatory Technical Standards (RTS) unter der Offenlegungsverordnung zum Beispiel wurden noch nicht verabschiedet und beantworten zudem viele praktische Fragen nicht.“ So sei es beispielsweise unklar, ob auf Asset- oder auf Portfolioebene berichtet werden solle oder woher die Daten stammen sollen (testierter Jahresabschluss, eigenes ESG-Audit, interne Daten). Ebenfalls stehe nicht fest, ob Stichtage oder Perioden bei der Berichterstattung gelten oder inwieweit Schätzungen zulässig seien. Auch die Frage, wie viele Ebenen bei den nachteiligen Auswirkungen bedacht werden müssen, gehe wirklich ans Eingemachte, moniert Dornseifer. „Wenn etwa eine Immobilie an den Ölkonzern Shell vermietet wird, ist dann die Buchhaltungsabteilung von Shell als Mieter anders zu beurteilen als eine operative Einheit?“

Bereits seit Jahresbeginn mussten Finanzmarktteilnehmer mit der Erhebung von Daten zu PAI beginnen, um erstmals Anfang 2023 berichterstatten zu können. Eine Menge an notwendigen Details sorgt dabei für extreme Komplexität, während zugleich die grundlegende Taxonomie gerade mal Definitionen mit Blick auf das Pariser Klimaabkommen und die Umweltziele der Europäischen Union bietet. Selbst wenn Entwürfe zu vielen Aspekten kursieren – da am Ende des Tages unklar ist, worauf es bei den einzelnen Aspekten hinausläuft, gibt es noch keine Aussichten auf akzeptierte Standards.

„Kurzum: Die Chancen, die ESG-Daten insbesondere für das PAI-Reporting vollumfänglich korrekt zu erfassen und zu bewerten, sind sehr gering, die Fehlergefahr hingegen ist sehr groß“, fasst Dornseifer das Dilemma zusammen. Es sei für Assetmanager und Investoren herausfordernd, „Fehler zu vermeiden, die sich aufgrund von Komplexität oder Unschärfen ergeben können“. Dies sei gerade vor der Diskussion um Greenwashing-Gefahren ein wichtiger Punkt. „Investoren und Assetmanager müssen – zumindest für eine Übergangszeit – gewisse Ungenauigkeiten in Kauf nehmen“, betont der BAI-Geschäftsführer.

Nicht erst seit den gegenüber der DWS erhobenen Vorwürfen machen sich Fondsanbieter Sorgen, dass sie auch mit solchen Vorwürfen konfrontiert werden könnten, mit möglicherweise massiven Folgen für die Reputation. Daher hatten in einer jüngst veröffentlichten Umfrage des BAI 77 % der Assetmanager und 70 % der Investoren Ängste vor Greenwashing bei Investments bejaht. Zugleich gaben Investoren die Vermeidung von Reputationsrisiken als Hauptgrund dafür an, weswegen eine eigene ESG-Strategie entwickelt wurde. Außerdem betonten Assetmanager wie Investoren, dass sie sich lieber auf eine eigene Due Diligence bei Assets verließen, als auf Klarheit durch Regulierung zu hoffen.

Deswegen hatte sich beim BAI im August ein Arbeitskreis von Investoren und Assetmanagern gegründet, um Umsetzungsvorschläge für die Datenerhebung im Private-Markets-Bereich zu ersinnen. Herausgekommen sind Ausfüllhinweise für die PAI-Meldepflichten, die Ermittlung, Verarbeitung und Reporting der Daten erleichtern sollen. Damit soll eine Schneise in das Dickicht an Unklarheiten geschlagen werden. Zugleich geht es nach Darlegung Dornseifers auch darum, kleinen und mittelgroßen Assetmanagern wie Investoren die Chance zu geben, die neuen Anforderungen durch die Regulierung eigenständig erledigen zu können und nicht auf teure Berater zurückgreifen zu müssen.

Austausch im Gange

Neben den EU-Institutionen tauscht sich der BAI über sein Konzept nun auch mit anderen Verbänden der Investmentbranche auf deutscher wie auf europäischer Ebene aus. „Viele Gremien arbeiten ja an Implementierungs- und Standardisierungslösungen, unser Best-Practice-Ansatz ist auf jeden Fall eine Basis und ein Impuls für den weiteren Austausch mit diesen Gremien, der aus unserer Sicht Breitenwirkung entfalten kann.“

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