Klageverfahren

Gericht entscheidet im Mai über Wirecard-Bilanzen

Michael Jaffé, Insolvenzverwalter bei Wirecard, will weitere Mittel aus der Insolvenzmasse des Zahlungsanbieters für Gläubiger anfordern. Im Mai soll ein Gericht darüber entscheiden, ob dem stattgegeben wird.

Gericht entscheidet im Mai über Wirecard-Bilanzen

sck München – In einem Klageverfahren des Wirecard-Insolvenzverwalters Michael Jaffé gegen den Mitte 2020 zusammengebrochenen Zahlungsabwickler zeichnet sich im kommenden Frühjahr eine Entscheidung des zuständigen Landgerichts München über die Konzernbilanzen der Jahre 2017 und 2018 ab. Nach einer ersten Verhandlung gab die 5. Zivilkammer für Handelssachen unter dem Vorsitzenden Richter Helmut Krenek bekannt, am 5. Mai kommenden Jahres zu verkünden, wie in der Causa weiter verfahren wird. Dabei kann es sich entweder um ein Urteil handeln oder um einen Beschluss des Gerichts, die Beweisaufnahme auszuweiten.

Im Kern geht es um die Frage, ob die Kanzlei von Jaffé für die Wirecard-Gläubiger weitere Mittel aus der Insolvenzmasse einfordern kann. Das sind vor allem die Dividenden für die Geschäftsjahre 2017 und 2018 und möglicherweise zu hoch ausgewiesene Steuern an das Finanzamt. Diese Summe könnte er von den Anlegern (Dividenden) und vom Staat (Steuern) zurückfordern. Allein im Fall der Dividenden handelt es sich um 47 Mill. Euro.

Thema Luftbuchungen

Jaffé sieht es nach seinen Angaben als bewiesen an, dass Wirecard seit 2015 die Bilanzen manipulierte und Aktivitäten überdimensioniert in den Geschäftsberichten auswies, obwohl diese nach den Erkenntnissen seiner Kanzlei niemals existierten. Deshalb klagte er darauf, die Abschlüsse der beiden Jahre und die Beschlüsse der Hauptversammlungen vom Gericht gemäß Aktiengesetz für nichtig zu erklären.

Sollte das Landgericht seiner Auffassung folgen, hätte das möglicherweise rechtliche Konsequenzen für frühere Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats sowie für den Abschlussprüfer EY. Insbesondere im letzteren Punkt könnten geschädigte Wirecard-Aktionäre dies als Rechtsgrundlage dafür verwenden, EY auf Schadenersatz zu verklagen. Das Gericht wies allerdings darauf hin, dass es in dem Verfahren nicht um die Verantwortlichkeit ehemaliger Organe von Wirecard und des Abschlussprüfers gehe.

Jaffés Klage hätte dann Erfolg, wenn das Gericht zum Schluss kommt, dass es zu einer „erheblichen Überbewertung von Posten auf der Aktivseite der Wirecard-Bilanz ge­kommen ist – diese also mit einem höheren Wert angesetzt sind als nach den Bilanzierungsregeln zulässig“. Jaffé macht geltend, dass von Wirecard auf Treuhandkonten in Südostasien angegebene 1,9 Mrd. Euro Luftbuchungen gewesen seien. Das Geschäft mit Drittpartnern in Asien sei erfunden worden. Das einstige Dax-Mitglied hatte im Juni 2020 Insolvenz angemeldet, nachdem sich EY auf Basis eines Bilanzgutachtens von KPMG geweigert hatte, den Abschluss für 2019 zu testieren. Der Betrugsskandal sorgte für ein Beben am Finanzplatz Deutschland. Ex-CEO Markus Braun sitzt seit Mitte 2020 in Untersuchungshaft, Ex-Vorstand Jan Marsalek befindet sich immer noch auf der Flucht.

In der Verhandlung meldete Brauns Rechtsbeistand Zweifel an Jaffés Darstellung an. Das Geld habe auf den Treuhandkonten existiert. Marsalek habe die Summe ver­untreut. EY beruft sich derweil darauf, selbst getäuscht worden zu sein. Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft weist die gegen sie erhobenen Vorwürfe, bei den Abschlussprüfungen unsauber gearbeitet und daher Pflichten verletzt zu haben, zurück.

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