Im GesprächKai Ostermann

„Gute Möglichkeiten sehen wir in Nordamerika“

Die Deutsche Leasing will ihr Potenzial in Nordamerika stärker ausschöpfen, sagt Vorstandschef Kai Ostermann im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Darüber hinaus sieht er gute Wachstumschancen in der Transformationsfinanzierung.

„Gute Möglichkeiten sehen wir in Nordamerika“

Im Gespräch: Kai Ostermann

„Gute Möglichkeiten sehen wir in Nordamerika“

Vorstandschef der Deutschen Leasing will US-Markt besser ausschöpfen und rechnet sich Wachstumschancen in der Transformationsfinanzierung aus

Von Tobias Fischer, Frankfurt

Die Deutsche Leasing Gruppe setzt auf Wachstum in den USA und in der Finanzierung der grünen Transformation. Die im Sparkassen-Eigentum stehende Gesellschaft begleitet mit ihren Finanzierungslösungen deutsche Firmen, meist Mittelständler, in 22 Länder. „Gute Möglichkeiten sehen wir in Nordamerika“, sagt Vorstandsvorsitzender Kai Ostermann im Gespräch mit der Börsen-Zeitung.

Im Geschäftsjahr 2022/23 lag das Neugeschäft in Nordamerika bei 215 Mill. Euro. Dort sei in den nächsten Jahren mit zweistelligen prozentualen Wachstumsraten zu rechnen. Schon in den vergangenen Jahren sei das Geschäft in den USA und in Kanada ausgebaut worden. „Wir sind ein kleiner Anbieter in dem Markt“, sagt Ostermann. „Aber in unserem Teilmarkt, deutsche Investitionen zu begleiten, entwickeln wir uns gut.“ Er sehe „kontinuierliche Wachstumsmöglichkeiten“.

Zusätzliche Märkte will die Gruppe mit Sitz in Bad Homburg vorerst nicht erschließen, sagt Ostermann. Man sei in den wesentlichen Märkten der Kunden schon vertreten. Dazu zählen überwiegend europäische Staaten, aber auch China, Brasilien und eben die USA und Kanada. „Bevor wir in ein anderes Land gehen, würden wir versuchen, bereits etablierte Märkte wie zum Beispiel Nordamerika noch besser auszuschöpfen.“ Auch Zukäufe kämen aktuell nicht in Betracht.

Keine Mehrheit an S-Kreditpartner

Eine Absage erteilt er auch einer Übernahme von S-Kreditpartner, die vor allem in der Autofinanzierung aktiv ist. Derzeit gehört die Gesellschaft als Joint Venture zur Deutschen Leasing und zur Landesbank Berlin, also zum Dach der Berliner Sparkasse. Die Berliner wollen ihren Zwei-Drittel-Anteil an S-Kreditpartner seit geraumer Zeit loswerden. Die Deutsche Leasing hält das restliche Drittel. „Auch wenn wir mit der Entwicklung der S-Kreditpartner sehr zufrieden sind, streben wir keine Mehrheiten am Unternehmen an.“

Auch wenn wir mit der Entwicklung der S-Kreditpartner sehr zufrieden sind, streben wir keine Mehrheiten am Unternehmen an.

Aus Russland hat sich die Deutsche Leasing wegen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine mittlerweile komplett zurückgezogen. Die Deutsche Leasing Vostok mit Standorten in Moskau und St. Petersburg sei in einem Management Buy-out unter Beteiligung eines strategischen Investors losgeschlagen worden, sagt Ostermann. Über den Wert der Transaktion sei Stillschweigen vereinbart worden. Das einstige Geschäftsvolumen im Land beziffert Ostermann mit rund 150 Mill. Euro.

Russland-Exit mit Verlust

Mit dem Rückzug seien „leichte Verluste“ einhergegangen, die Ostermann nicht beziffert. Angesichts der Probleme, Geld außer Landes zu transferieren, was hochkomplex und mit monatelangen Vorbereitungen verbunden gewesen sei, zeigt er sich aber zufrieden. „Wir sind da insgesamt noch gut rausgekommen.“

Eine zunehmend bedeutende Rolle habe im vergangenen Geschäftsjahr, das bis zum 30. September 2023 lief, die Transformationsfinanzierung gespielt. „Wir wollen auf diesem Feld eine noch stärkere Position einnehmen“, sagt Ostermann. Das entsprechende Neugeschäft betrug mehr als 900 Mill. Euro und wachse im laufenden Geschäftsjahr munter weiter. „In den ersten fünf Monaten sind wir in diesem Geschäft erneut deutlich zweistellig gegenüber dem Vorjahr gewachsen und gehen auch davon aus, dass das im zweiten Halbjahr anhält.“

Die Produktpalette der Deutschen Leasing sei stimmig, sagt Ostermann. Vom Leasingvertrag über Kleinequipment von 20.000 Euro bis hin zum großen Bahnprojekt von 300 Mill. bis 400 Mill. Euro sei alles dabei. Die Gesellschaft positioniere sich als „Vollsortimenter“.

In der zweiten Hälfte des Jahres wird unser eigenes Grünstrom-Projekt ans Netz gehen.

Die grüne Transformation will die Deutsche Leasing auch als Arrangeur von Grünstrom vorantreiben. „In der zweiten Hälfte des Jahres wird unser eigenes Grünstrom-Projekt ans Netz gehen“, kündigt Ostermann an. „Dabei finanzieren wir nicht nur, sondern sind auch Co-Investor für eine eigene Fotovoltaikanlage.“ Die Gesellschaft werde nicht nur sich selbst, sondern auch andere Unternehmen der Sparkassen-Finanzgruppe mit Strom versorgen. Sie nutzt dabei Financial Power Purchase Agreements (PPA), also virtuelle Stromlieferungen, die Preissicherheit bieten. Die Kapazität der Anlage soll bei rund 53 Megawattpeak liegen.  

Neugeschäft leicht gesunken

Insgesamt hat die Deutsche Leasing im Geschäftsjahr 2022/23 ein Neugeschäft von 10,1 Mrd. Euro erzielt. Damit verharrte sie leicht unter dem Vorjahreswert von 10,4 Mrd. Euro. Blieb das Volumen bei den beweglichen Investitionsgütern stabil, so konnte die Gesellschaft im Immobiliengeschäft nicht an das vorherige Geschäftsjahr anknüpfen, was laut Ostermann im Wesentlichen auf ein großes Immobiliengeschäft mit einer Handelskette im Geschäftsjahr 2021/22 zurückzuführen gewesen sei. Am 86 Mrd. Euro schweren Leasingmarkt in Deutschland hat die Gesellschaft nach eigener Schätzung einen Marktanteil von rund einem Viertel.

Deutsche Leasing Gruppe
Konzernzahlen nach HGB
in Mill. Euro*2022/232021/22
Neugeschäft10.07110.397
Substanzwert2.3872.298
Wirtschaftliches Ergebnis180177
Eigenkapital1.0381.005
Reserven für allgemeine Bankrisiken468440
Bilanzsumme 24.19023.273
*Geschäftsjahr per Ende September

Das wirtschaftliche Ergebnis lag mit 180 Mill. Euro leicht über dem Vorjahreswert von 177 Mill. Euro. „Wir sind mit unseren Zahlen zufrieden“, resümiert Ostermann. Die vorgeschlagene Ausschüttung an die Gesellschafter, also die Sparkassen, liegt wie in den Jahren zuvor bei 40 Mill. Euro. Auch risikoseitig sei das vergangene Geschäftsjahr sehr gut gelaufen. „Was Ausfälle angeht, sieht es auch bis dato im laufenden Jahr noch ordentlich aus“, sagt er zum Verlauf des aktuellen Geschäftsjahres seit Anfang Oktober.

Gleichwohl geht Ostermann von mehr Firmeninsolvenzen aus. Wenn sich die Nachfrage schwach entwickele, die geopolitische Lage schwieriger werde und Zinsen und Energiepreise hoch blieben, könne sich die eine oder andere Firma schwertun.

Auch wenn die Zahl der Firmeninsolvenzen voraussichtlich steige, sei Dramatik nicht angebracht. Nach den historisch niedrigen Insolvenzquoten, bedingt durch staatliche Corona-Hilfsmaßnahmen, sieht er eine Rückkehr zur Zeit davor anbrechen. „Wir sehen keine Insolvenzwelle vor uns, eher eine Normalisierung auf der Risikoseite.“

Geschäftsjahr gut angelaufen

Der bisherige Verlauf des aktuellen Geschäftsjahres 2023/24 stimmt den Vorstandschef recht optimistisch. „In den ersten fünf Monaten liegen wir sowohl im Volumen als auch im operativen Ergebnis leicht über dem Vorjahr, was ja gut verlief.“

Unser Geschäft repräsentiert ja weite Teile des Mittelstands in Deutschland. Und unsere Kundschaft zeigt schon ein gewisses Maß an Verunsicherung, was immer belastend für Investitionen ist.

Gleichwohl macht er deutlich, dass sich die gute Entwicklung nicht fortsetzen müsse. Wie das zweite Halbjahr ausfällt, werde wesentlich davon abhängen, dass Investitionsanreize zurückkommen. „Unser Geschäft repräsentiert ja weite Teile des Mittelstands in Deutschland. Und unsere Kundschaft zeigt schon ein gewisses Maß an Verunsicherung, was immer belastend für Investitionen ist.“

Millionenkosten durch Cyberangriff

Die Cyberattacke, die im Juni vergangenen Jahres Teile Gruppe traf und die Arbeit über viele Wochen beeinträchtigte, hat Ostermann zufolge etwa „einen mittleren einstelligen Millionen-Euro-Betrag“ an Kosten verursacht, die mit der Bewältigung des Vorfalls zusammenhingen. „Also Beratungskosten, IT-Kosten und dergleichen. Am stärksten ins Gewicht fiel aber der Einsatz der eigenen Kolleginnen und Kollegen, die in ganz vielen Nachtschichten und in Wochenendarbeit dafür gesorgt haben, dass wir das bewältigen“, sagt Ostermann.

Ertragsausfälle infolge des Cyberangriffs ließen sich hingegen nicht ganz klar beziffern, da sich zu diesem Zeitpunkt auch die Wirtschaft insgesamt abschwächte. „In der zweiten Jahreshälfte haben wir im Neugeschäft vermutlich einen kleinen dreistelligen Millionen-Euro-Betrag eingebüßt.“ So hätten Unternehmen ohnehin wegen hoher Energiepreise und Konjunkturflaute Investitionen verschoben, und die Deutsche Leasing habe verschärft auf die Rentabilität ihres Neugeschäfts geachtet.

Lösegeld verweigert

Es habe sich um einen klassischen Ransomware-Angriff gehandelt, bei dem die Täter Daten verschlüsseln, nachdem sie in ein IT-System eingedrungen sind, und Lösegeld für die Entschlüsselung verlangen. Sollte dem nicht nachgekommen werden, drohen sie mit der Veröffentlichung der Daten. Lösegeld wurde Ostermann zufolge nicht gezahlt. Tatsächlich tauchten rund drei Monate nach der Cyberattacke Dokumente, die teils Kundendaten enthielten, im Darknet auf. Mit Schadenersatzforderungen sehe sich die Gesellschaft deshalb nicht konfrontiert, sagt Ostermann.

Teile der Gruppe und IT-Systeme seien überhaupt nicht von dem Angriff betroffen gewesen, so die DAL Deutsche Anlagen-Leasing und die Deutsche Factoring Bank. Da die Deutsche Leasing zum Zeitpunkt des Angriffs im Begriff war, ihr IT-Rechenzentrum zu verlagern, habe es nur ungefähr ein Drittel der IT-Systeme getroffen. Zwei Drittel seien schon umgezogen oder in andere Strukturen überführt worden,. Zudem hätten sich die Täter nur relativ kurz in den Systemen aufgehalten, sich also nicht lange unbemerkt dort breitmachen können, sagt Ostermann.

Zurück zu Stift und Papier

Die Recovery-Maßnahmen zogen sich über Wochen hin, und Anwendungen wurden nach Prioritäten hochgefahren. Teilweise mussten sich Mitarbeiter über Wochen mit Notlösungen behelfen, mitunter wieder zu Stift und Papier greifen. „Bis wir wieder im uneingeschränkten Normalbetrieb arbeiten konnten, vergingen zwei, drei Monate“, erinnert sich Ostermann. „Wir haben diesen Live-Stresstest, wenn man so will, bewältigt.“

„Das ist eine Erfahrung, die man nicht machen möchte. Es hat sich aber auch gezeigt, dass sich mit viel Einsatz und entsprechender Unterstützung eine solche Phase meistern lässt.“

Die Deutsche Leasing will ihr Potenzial in Nordamerika stärker ausschöpfen, sagt Vorstandschef Kai Ostermann im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Darüber hinaus sieht er gute Wachstumschancen in der Transformationsfinanzierung. Das Neugeschäft im vergangenen Geschäftsjahr lag ihm zufolge mit 10,1 Mrd. Euro leicht unter dem Vorjahreswert, das wirtschaftliche Ergebnis mit 180 Mill. Euro etwas darüber.

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