Wirecard-Prozess

Im Wirecard-Prozess belastet Ex-Aufsichtsrätin Markus Braun schwer

Am 100. Verhandlungstag im Wirecard-Betrugsprozess belastete die frühere Aufsichtsrätin Anastassia Lauterbach den Hauptangeklagten Markus Braun schwer. Der frühere Vorstandschef habe die Arbeit des Kontrollgremiums massiv behindert und beeinflusst, sagte die Zeugin vor dem Landgericht München.

Im Wirecard-Prozess belastet Ex-Aufsichtsrätin Markus Braun schwer

„Herr Braun hat sich sehr eingemischt“

Wirecard-Prozess: Ex-Aufsichtsrätin belastet Angeklagten

Von Stefan Kroneck, München

Am 100. Verhandlungstag im Wirecard-Betrugsprozess hat ein weiteres früheres Aufsichtsratsmitglied den Hauptangeklagten Markus Braun teils schwer belastet. Vor der 4. Strafkammer des Landgerichts München berichtete Anastassia Lauterbach in ihrer Zeugenvernehmung, dass der ehemalige Vorstandsvorsitzende des Zahlungsabwicklers die Arbeit des Kontrollgremiums erschwert und behindert habe. „Der Informationsfluss war insgesamt sehr, sehr schlecht“, sagte die 51-Jährige auf Fragen des Vorsitzenden Richters Markus Födisch. Der Vorstand habe entweder gar nicht oder nur zögerlich und verspätet dem Aufsichtsrat über entscheidungsrelevante Vorgänge berichtet. In diesem Zusammenhang erwähnte sie die Themengebiete Übernahmen und Kredite.

Die deutsch-russische Expertin für Cybersicherheit und künstliche Intelligenz gehörte nach eigenen Angaben dem Aufsichtsrat von Wirecard von Juni 2018 bis formell November 2020 an – also noch viereinhalb Monate nach dem Zusammenbruch des Unternehmens. Lauterbach ist heute nach eigener Auskunft Buchautorin und Gastdozentin an Universitäten zum Thema Datenschutz. Vor Gericht erschien die Zeugin in Begleitung eines Rechtsanwalts.

Informationen aus der Presse

„Der Aufsichtsrat hat Informationen nur aus der Presse erfahren“, sagte Lauterbach vor Gericht über die Vorgänge im Jahr 2019, als seinerzeit die Betrugsvorwürfe der „Financial Times“ und anderer Medien sich verdichteten. Bis November 2019 habe sich der Aufsichtsrat mit Hilfe von Pressespiegeln von beauftragten Anwaltskanzleien ein allgemeines Bild über die Lage verschaffen können. Zur Erinnerung: Seinerzeit beauftragte das Kontrollgremium KPMG mit der Sonderprüfung der Bücher von Wirecard.

Lauterbach zufolge forderte der Aufsichtsrat den Vorstand im Februar 2019 in einem Brief auf, die Zusammenarbeit deutlich zu verbessern. Dies habe der damalige Aufsichtsratsvorsitzende Wulf Matthias im März des gleichen Jahres in einer E-Mail an den Vorstand bekräftigt. Der langjährige Wirecard-Chefaufseher Matthias verstarb im Oktober 2022 im Alter von 78 Jahren. 

Mobbingvorwürfe

Die Zeugin bestätigte Angaben von anderen, zuvor vor Gericht befragten Ex-Aufsichtsratsmitgliedern, dass Braun Matthias dominiert habe. „Braun hat auf Matthias Einfluss ausgeübt.“ Lauterbach erwähnte in diesem Zusammenhang, dass Matthias Kreditbeschlüsse des Vorstands erst nachträglich unterzeichnet haben soll. Dies gehe aus den Unterlagen des Wirecard-Insolvenzverwalters Michael Jaffé hervor. Letzterer verklagte im Rahmen einer Organhaftungsklage frühere Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats auf Schadenersatz. Darüber wird am 22. Februar in einem gesonderten Zivilprozess vor dem Landgericht München erstmals verhandelt.

„Herr Braun hat sehr stark in die Arbeit des Aufsichtsrats eingegriffen“, führte Lauterbach aus. So habe dieser versucht zu verhindern, dass das Kontrollgremium mit Anwaltskanzleien zusammenarbeitet und eine Sonderuntersuchung anstrengt. Zugleich habe er dem Aufsichtsrat untersagt, Personen zu befragen. „Herr Braun hat sich bei Aufsichtsratspersonalien sehr eingemischt.“ So habe er der Zeugin im August 2019 unterstellt, dass diese Interna an Journalisten weitergegeben hätte. Lauterbach sprach vor Gericht von Mobbing. Zuvor berichteten bereits drei andere Ex-Aufsichtsräte über Missstände.