IM BLICKFELD

Immer mehr Regionalbanken verschwinden

Von Tobias Fischer und Silke Stoltenberg, Frankfurt Börsen-Zeitung, 4.12.2020 Hoher Wettbewerbsdruck, Niedrigzins, Regulierungskosten und die Notwendigkeit, in Digitalisierung zu investieren, sind Konstanten der Konsolidierung im deutschen...

Immer mehr Regionalbanken verschwinden

Von Tobias Fischer und Silke Stoltenberg, FrankfurtHoher Wettbewerbsdruck, Niedrigzins, Regulierungskosten und die Notwendigkeit, in Digitalisierung zu investieren, sind Konstanten der Konsolidierung im deutschen Bankwesen. Ein Corona-Effekt, der zusätzlichen Druck auf die zum Jahreswechsel noch 1 717 Institute ausübt, ist derzeit unter Regionalinstituten jedoch nicht zu beobachten. So fusionieren Sparkassen, Volks- und Raiffeisenbanken zwar munter weiter, allerdings nicht häufiger als in den Jahren zuvor. Der generelle Trend weist seit Jahrzehnten nach unten: In der Betrachtung der vergangenen 30 Jahre zeigt sich Jahr für Jahr ein Rückgang der Zahl aller Kreditinstitute in Deutschland. Derer hatte es 1990 laut Bundesbank noch rund 4 750 gegeben, davon 3 377 Genossenschaftsbanken und 782 Sparkassen. Per 31. Dezember 2019 war von ihnen ziemlich genau ein Viertel bzw. die Hälfte übrig.Verschwanden 2019 drei Sparkassen fusionsbedingt von der Bildfläche, so werden es im laufenden, von der Pandemie gezeichneten Jahr ebenso viele sein. Mit der Verschmelzung von Stadtsparkasse Bad Sachsa und Sparkasse Osterode am Harz, von Stadtsparkasse Blomberg/Lippe und Sparkasse Paderborn-Detmold sowie der Sparkassen Münden und Göttingen verbleiben Ende des Jahres noch 376 Institute. Für 2021 sind bislang drei Fusionen spruchreif, kündigt der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV) an. Gesetzt sind, mit rechtlicher Wirkung per 1. Januar, die Verschmelzung von Kreis- und Stadtsparkasse Kaiserslautern, der Sparkassen Germersheim-Kandel und Südliche Weinstraße sowie der Sparkassen Parchim-Lübz und Mecklenburg-Schwerin. Eine vierte Fusion zeichne sich ab, heißt es vom DSGV, womit nicht die freie Sparkasse Mittelholstein AG gemeint sei, die einen umstrittenen möglichen Zusammenschluss mit der Förde Sparkasse sondiert. DSGV schließt Welle ausIn den vergangenen Wochen haben weitere Institute angekündigt, eine vertiefte Zusammenarbeit bis hin zu einer Fusion prüfen zu wollen: die Sparkassen Koblenz und Rhein-Nahe sowie die Sparkassen Mainz und Worms-Alzey-Ried. Käme es dort 2021 zu Fusionen, würden zumindest fünf Institute verschwinden, Mittelholstein nicht berücksichtigt. Das wäre mehr als 2019 und 2020, entspräche aber dem Schwund von 2018 und läge noch weit unter den Werten der Jahre 2016 (-10) und 2017 (-13). Der DSGV spricht von der Fortsetzung einer jahrelangen moderaten Entwicklung. “Eine Fusionswelle sehen wir aber definitiv nicht”, so ein Sprecher. Mit der Pandemie haben die Zusammenschlüsse seines Erachtens schon gar nichts zu tun. Selbst wenn im größeren Stil Firmenpleiten und Kreditausfälle auf die Institute durchschlügen, vermochten diese damit in aller Regel umzugehen. Der Grund für Fusionsdruck sei andernorts zu suchen: in überbordender Regulierung.Auch beim Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) bestätigt eine Sprecherin auf Anfrage, dass die Pandemie keinen größeren Fusionsdruck bei den Instituten erzeugt hat. Im Gegenteil: Da Vertreterversammlungen im Frühling wegen der Pandemie verschoben werden mussten, verzögerten sich die Prozesse. Sie fanden dann zeitverzögert oder digital statt. Für das laufende Jahr hatte der Verband im Frühjahr eine Prognose von 40 Fusionen abgegeben. 2019 waren es 34 gewesen, am Jahresende gab es noch 841 Genossenschaftsbanken. An der Prognose habe sich durch Corona nichts geändert, bestätigt die Sprecherin. Da die Primärinstitute unterjährig keine Meldungen über ihre Fusionen an den BVR abgeben, ist unklar, wie viele zum jetzigen Zeitpunkt unter Dach und Fach sind, welche eventuell abgeblasen wurden oder wie viele womöglich neu dazugekommen sind. Erst Anfang nächsten Jahres hat der Verband darüber Klarheit.Die Schätzung von 40 Fusionen für das laufende Jahr ist keine Größenordnung, die im Vergleich zu den Vorjahren besonders herausragt. So gab es etwa 2017 mit 57 Fusionen deutlich mehr Hochzeiten als in diesem Jahr erwartet. “Die Gründe für den seit Jahren andauernden Strukturwandel sind bekannt – verändertes Kundenverhalten, Digitalisierung und Regulierung -, der Wandel setzt sich in diesem Jahr kontinuierlich und moderat fort”, so die BVR-Sprecherin. Auch für die nächsten Jahre erwartet der Verband keine wesentliche Änderung. Fusionsfreudige FrankfurterBei den Fusionen sind Häuser jeglicher Größe beteiligt. Zuletzt wurde etwa eine Dreierhochzeit im mittelfränkischen Raum bekannt. Die VR Bank Nürnberg will sich mit den Verbundinstituten in Fürth-Neustadt-Uffenheim und Erlangen-Höchstadt-Herzogenaurach zusammenschließen. In der Rhein-Main-Region gab es jüngst zwei Neuigkeiten dieser Art. Die Frankfurter Volksbank, zweitgrößte ihrer Art nach dem Berliner Pendant, plant mit der VR-Bank Alzenau die 20. Fusion in den zurückliegenden drei Dekaden. Die zweite angekündigte Fusion in der Rhein-Main-Region: Die Wiesbadener Volksbank lässt die VR Bank Untertaunus aus Idstein unter ihr Dach schlüpfen.Aus der Reihe fällt dagegen die Übernahme der Volksbank Heilbronn: Zinswetten und Cum-cum-Abenteuer kosten sie die Eigenständigkeit. Sie schließt sich mit der VR Bank Schwäbisch Hall-Crailsheim zusammen. Jüngste Nachricht bei den Volksbanken war die Fusion der Volksbanken Karlsruhe und Baden-Baden Rastatt.