Immobilien

Immobilien müssen klimaneutral werden

Immobilien müssen so schnell wie möglich klimaneutral werden. Das gilt nicht nur für den Neubau, sondern auch für den Bestand.

Immobilien müssen klimaneutral werden

Es gibt keinen Shareholder Value (mehr) ohne Priorisierung von Klimaneutralität. Der Immobilienmarkt erlebt derzeit einen harten Realitätscheck. Nach zehn Rekordjahren, in denen Transaktionsvolumina, Preise sowie Mieten kontinuierlich gestiegen sind und Leerstände abgebaut wurden, haben sich die Vorzeichen geändert. Steigende Zinsen, Fachkräftemangel sowie der durch geopolitische Krisen verursachte Anstieg von Material- und Energiekosten mit un­terbrochenen Lieferketten lassen viele Immobilienprojekte ins Stocken ge­raten und Investoren zunehmend zurückhaltend agieren. Zusätzlich trifft die Branche mit der EU-Taxonomie ein Schlag der Regulatorik, deren Ziele hinsichtlich Klimaneutralität schon viel früher in die Handlungsmuster der Entscheidungsträger hätten einfließen müssen.

Keine Marketingaufgabe

Die Dekarbonisierung des Immobilienbestandes in Deutschland ist keine Marketingaufgabe. Regulierer, Markt und Finanzierer fürchten das „Greenwashing“. Doch die Akteure ändern ihr Verhalten kaum oder nur sehr langsam. Leider wird in vielen Fällen versucht, über Abkürzungen, wie beispielsweise einfache CO2-Kompensationsmaßnahmen, Greenwashing zu betreiben.

Die Dekarbonisierung des Im­mo­bi­lien­sektors ist aber Grundvoraussetzung, um die ambitionierten Klimaschutzziele überhaupt erreichen zu können. Schließlich entfallen auf Immobilien rund 40% der energiebedingten Kohlendioxidemissionen, ca. 30% des Endenergieverbrauchs, etwa 55% des weltweiten Stromverbrauchs und knapp die Hälfte des Verbrauchs natürlicher Ressourcen durch Bautätigkeiten. Vom gesamten Endenergiebedarf entfallen in Deutschland etwa zwei Drittel auf Wohngebäude (rund 19 Millionen) und ein Drittel auf Nichtwohngebäude (rund zwei Millionen). Büroimmobilien sind in der Bundesrepublik verantwortlich für annähernd 20% des Energieverbrauchs aller Nichtwohngebäude. Dabei sind Raumwärme, Warmwasser und Beleuchtung wesentliche Verbrauchstreiber.

Eine weitere Tatsache, die heraussticht: Mehr als die Hälfte des Büroimmobilienbestandes wurde vor der ersten Wärmeschutzverordnung im Jahr 1977 errichtet. Die Folge: Der Bestand muss dringend transformiert und saniert werden. Hierfür notwendig ist eine Kombination aus Regulierung und Kapital, sowohl aus wirtschaftlicher Sicht als auch im Hinblick auf die erforderliche Lenkungswirkung im nationalen und internationalen Immobiliensektor.

Verluste nur Frage der Zeit

Bleibt die Handlungsmotivation der Branche hinsichtlich der ausgerufenen Klimaschutzziele so verhalten wie bisher, sind (Wert-)Verluste in Bestandsportfolios nur eine Frage der Zeit. Ein wesentlicher Haupttreiber ist die weltweit immer strenger werdende Regulierung der CO2-Bepreisung. Nach dem Shareholder-Value-Ansatz ist die Dekarbonisierung keine idealistisch getriebene Motivation, sondern eine treuhänderische Pflicht in der Kapitalanlage, Vermögenswerte für seine In­ve­storen langfristig und maximiert zu sichern. Daher ist ein plausibler Net-Zero-Plan mit klarer Strategie, genauem Zeitplan und definiertem Budget ein Muss. Andernfalls droht einem Großteil der Objekte die Transformation zum „Stranded Asset“, deren Markt- und Ertragswert drastisch sinkt – bis zur Wertlosigkeit.

Die energetische Optimierung im laufenden Betrieb von Immobilien ist für viele Investoren und Bestandshalter eine erste Möglichkeit, den CO-Fußabdruck ihres Portfolios zu reduzieren – der große Sprung zur Erreichung der Klimaschutzziele ist es nicht. Vielmehr sollte der Fokus zudem auf der CO-Reduktion des Ausstoßes und des Verbrauchs bei umgesetzten Baumaßnahmen liegen, Stichwort „Graue Energie“.

Gleichzeitig müssen die politischen Rahmenbedingungen passen, um die Umsetzungsanreize nicht vollständig im Regulatorik-Wahn zu ersticken. Der Neubau muss in Anbetracht des Klimaschutzes allerdings zwingend hinter der Sanierung des Bestandes zurückstehen, da der Hebel zur CO2-Einsparung im Neubau durch energetische Gebäudestandards weitaus schwächer, weniger kosteneffizient und auch in der Gesamt-Ökobilanz nachteilig ist. Vor diesem Hintergrund muss der Be­standssanierung dringend Vorrang eingeräumt werden. Neuentwicklungen sollten sich auf die Segmente konzentrieren, in denen das Angebot ungenügend ist, wie in den Bereichen „Bezahlbarer Wohnungsbau“ oder „Öffentliche Infrastruktur“.

Die Dekarbonisierung des Gebäudesektors ist alternativlos! Zwar hat der Bund die staatlichen Fördermittel für energieeffizientes Sanieren und Bauen in den vergangenen Jahren deutlich erhöht, doch das wird bei weitem nicht ausreichen, das Gesamtziel der Dekarbonisierung zu erreichen. Die alles entscheidende Frage ist, wie es gelingen kann, institutionelles Kapital für den sanierungsfähigen Gewerbeimmobilienbestand zu mobilisieren – massiv und flächendeckend. Welche Vorzeichen müssen gesetzt werden, um eine Marktsituation zu schaffen, in der es sich deutlich mehr lohnt, in die Sanierung zu investieren, anstatt Gebäude zu veräußern und/oder in Neubau zu investieren?

Langfristig stabile Erträge

Institutionelles Kapital ist auf langfristig stabile Erträge angewiesen und for-profit, nicht non-profit. Dem Markt wird mittelfristig nichts anderes übrig bleiben, als Kaufpreise für den nicht energieeffizienten, aber sanierungsfähigen Gebäudebestand deutlich zu senken, um der Gesamtherausforderung „klimaneutraler Gebäudebestand“ Herr zu werden. Jeder, der sich sträubt und nicht Teil der Lösung ist, ist Teil des Problems.