Bundesgerichtshof

Karlsruhe öffnet Tür für Lösung im Prämiensparstreit

Quälend lange schon streiten Verbraucherzentralen und Sparkassen über die genaue Höhe der Zinsnachzahlung auf uralte Prämiensparverträge. Der Bundesgerichtshof empfiehlt in einem Urteil eine rasche Klärung.

Karlsruhe öffnet Tür für Lösung im Prämiensparstreit

jsc Frankfurt

Im Streit über die Verzinsung alter Prämiensparverträge zeichnet sich eine Lösung für die nachträgliche Berechnung der Zinsen ab: Für das weitere Verfahren in einem Streitfall zwischen der Sparkasse Vogtland und der Verbraucherzentrale Sachsen empfahl der Bundesgerichtshof am Dienstag, bereits erstellte Sachverständigengutachten aus anderen Verfahren heranzuziehen, um auf diese Weise schneller zu einer Lösung zu gelangen (Az. XI ZR 257/21). Das Karlsruher Gericht bezog sich dabei zwar lediglich auf den einzelnen Streitfall. Es deutete damit aber auch einen Weg in anderen Musterfeststellungsklagen an, die Verbraucherzentralen gegen verschiedene Sparkassen in Bewegung gesetzt hatten.

Punktsieg für Sparkassen

Das Urteil von Dienstag dürfte beklagten Sparkassen in den Verfahren entgegenkommen. Denn für sie könnten sich geringere Zinsnachzahlungen ergeben als von den Verbraucherzentralen gefordert. Die bevorzugte Rechengrundlage der Verbraucherzentralen – eine bestimmte Zeitreihe der Bundesbank und die Kalkulation mit sogenannten gleitenden Durchschnitten – stellt nicht die einzige Variante dar, die Fachleute diskutieren. Stattdessen gerät ein Gutachten des Sachverständigen Friedrich Thießen, Professor für Finanzwirtschaft und Bankbetriebslehre an der Technischen Universität Chemnitz, mit dem Urteil erneut in den Blick.

Das Oberlandesgericht Dresden berief sich in einem Streitfall bereits auf den Experten. Das Gericht verwarf in einer Musterklage gegen die Ostsächsische Sparkasse das Prinzip gleitender Durchschnitte und zog eine andere Zeitreihe der Bundesbank heran (Az. 5 U 1973/20). Auch die Ombudsleute der Sparkassen empfehlen in ihrem Tätigkeitsbericht für das Jahr 2021 die Methode und berufen sich auf den Sachverständigen Thießen. Die Nachzahlung fällt nach einer beispielhaften Berechnung der Stiftung Warentest damit um einige tausend Euro geringer aus als nach der von den Verbraucherzentralen bevorzugten Methode.

Der Streit dreht sich um Verträge, die zum Teil noch vor der Jahrtausendwende abgeschlossen worden waren. Vor allem Sparkassen, aber auch einige Genossenschaftsbanken boten Prämiensparpläne oder vergleichbare Verträge in der Breite an. Genaue Regeln zur Zinsänderung gab es damals nicht – erst nach späterer Rechtsprechung war klar, dass Banken und Sparkassen die Zinsen an einen Referenzwert koppeln müssen. Trotzdem führten viele Geldhäuser die Verträge mit den ungültigen Klauseln fort, koppelten die Zinsen aber gleichwohl an einen Referenzsatz. Doch das reichte nicht: Im Oktober 2021 verwarf der Bundesgerichtshof die über Jahre verbreitete Rechenmethode der Sparkassen (Az.XI ZR 234/20). Mit dem neuen Urteil bekräftigt das Gericht seine damalige Position. Zinsnachzahlungen sind also vorgezeichnet, doch die Details der Methodik sind bis heute unter Fachleuten umstritten. Einige Sparkassen haben aber gleichwohl mit ihren damaligen Kunden eine Einigung erzielt.

In Kürze folgen weitere Urteile: Nach Auskunft der Verbraucherzen­trale Sachsen sprechen im Februar das Oberlandesgericht Naumburg und voraussichtlich das Oberlandesgericht Dresden ein Urteil. Auch das Bayerische Oberste Landesgericht sowie das Brandenburgische Oberlandesgericht verhandeln derzeit Streitfälle. Das letzte Wort könnte der Bundesgerichtshof haben.

Kommentar Seite 2