Im Gespräch: Hendrik Freund, Jörg Porsche und Markus Urban

Kleine Genossenschaftsbanken rücken enger zusammen

Die kleinen Häuser unter den Genossenschaftsbanken stellen ihre Zusammenarbeit auf neue Füße: Die Interessengemeinschaft kleiner und mittlerer Genossenschaftsbanken professionalisiert sich und will stärker in der Finanzgruppe mitwirken.

Kleine Genossenschaftsbanken rücken enger zusammen

Im Gespräch: Hendrik Freund, Jörg Porsche und Markus Urban

Kleine Genossenschaftsbanken rücken enger zusammen

Interessengemeinschaft professionalisiert sich – Mehr Mitwirkung bei Atruvia-Projekten für die nächsten Digitalisierungsschritte der Gruppe

Von Silke Stoltenberg, Frankfurt

Die kleinen Häuser unter den Genossenschaftsbanken stellen ihre Zusammenarbeit auf neue Füße: Die Interessengemeinschaft kleiner und mittlerer Genossenschaftsbanken professionalisiert sich und will stärker in der Finanzgruppe mitwirken, insbesondere bei der Digitalisierung.

Die kleinen Genossenschaftsbanken wollen ihre Interessengemeinschaft stärker professionalisieren und sich aktiver einbringen in der Finanzgruppe. Veranlasst hierzu fühlen sie sich durch die ihrer Ansicht nach zunehmende Spreizung zwischen kleinen und großen Häusern. „Die Interessenlage und Lösungsansätze zwischen den kleineren und den durch Fusionen zunehmend immer größeren Genossenschaftsbanken fällt immer weiter auseinander, darauf hat die Interessengemeinschaft kleiner und mittlerer Genossenschaftsbanken mit einer neuen Strategie sowie einer Erweiterung des Vorstands reagiert“, sagt Hendrik Freund, Bundessprecher und erster Vorstand der IG Genobanken, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung.

Seit vergangenem Jahr ist die IG daher ein offiziell eingetragener Verein mit einer überarbeiteten Satzung. Bei der jüngsten Mitgliederversammlung wurde ein Generationenwechsel an der Spitze vollzogen. Derzeit wird der Vorstand durch Regionalsprecher und kooptierte Vorstände auf 15 Leute erweitert. „Das Ziel dabei ist, dass wir in unserer Gruppe bei den wichtigen Themen besser mitarbeiten, mitentscheiden und mitentwickeln können, allen voran bei den diversen Aspekten der Digitalisierung“, so Freund, der hauptamtlich Vorstandschef der bayerischen Raiffeisenbank im Grabfeld ist.

Höhere Standardisierung

Im Zentrum stehen die weiteren Schritte bei der Digitalisierung im Rahmen der gruppenweiten Strategieagenda 2030, bei der nun nach fünf Jahren die nächste Etappe bevorsteht. Dazu soll der IT-Dienstleister Atruvia das Kernbankensystem Agree 21 modernisieren, also die IT-Grundlage der Steuerung und Produktion des Bankgeschäfts. Ziel ist hier eine stärkere Standardisierung, um perspektivisch Kosten zu senken und dem zunehmenden Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Für diesen und weitere Digitalisierungsschritte der Gruppe wurde unlängst die eigentlich auslaufende IT-Umlage der vergangenen fünf Jahre, wofür die Primärbanken jährlich 60 Mill. Euro aufbringen mussten, für den laufenden Turnus einmalig verlängert. Ab dem kommenden Jahr steht eine Verdoppelung im Raum, die Diskussionen darüber laufen.

„Wir sind uns alle einig, dass wir investieren müssen. Die Genossenschaftsbanken haben bei der Digitalisierung Aufholbedarf. Wir stehen hinter den geplanten Vorhaben der Atruvia und unterstützen diese gerne. Wichtig ist aber für uns zu wissen: Was bekommen wir für die neuen Investitionen? Und wir möchten, dass die Fortschritte planbar, greifbar und messbar für uns sind“, unterstreicht Freund.

Erfreut zeigt sich Freund, dass die kleineren Genossenschaftsbanken seit geraumer Zeit bei den Projekt- oder Fokusgruppen der Atruvia, die mit den künftigen Digitalisierungsschritten der Gruppe zusammenhängen, stärker als in der Vergangenheit eingebunden sind. Auch gebe es viel mehr Kontakte und Gespräche mit den Atruvia-Vorständen als früher. Noch vor einem Jahr hatte die IG Genobanken die mangelnde Einbindung kleinerer Häuser bei der Entwicklung neuer IT-Lösungen beklagt. Dies vor dem Hintergrund, dass die kleineren Häuser bei den 735 Primärbanken zahlenmäßig trotz der vielen Zusammenschlüsse weiter deutlich in der Mehrheit sind: Mehr als 500 Adressen sind kleiner als 1,6 Mrd. Euro, derzeit die durchschnittliche Bilanzsumme. 320 davon vertritt die Interessengemeinschaft. „Immer mehr können auch kleine und mittlere Banken sich beteiligen, so zum Beispiel bei der Entwicklung von Referenzprozessen und -modellen für die Modernisierung von Agree 21“, betont der IG-Sprecher. „Eine ausgewogene Beteiligung, gemessen an der Größenverteilung der Volks- und Raiffeisenbanken, ist jedoch noch bei weitem nicht erreicht.“

Dünne Personaldecke

Bei der Einführung neuer IT-Anwendungen kommen die kleineren Genossenschaftsbanken aufgrund der dünneren Personaldecke gegenüber größeren Häusern und hohen Kosten im Verhältnis zur Größe häufig an ihre Grenzen. „Hier bietet die Atruvia ab sofort stärkere Unterstützung vor Ort. Dies haben wir in gemeinsamen Gesprächen vereinbart. Konkret können z.B. bei der Implementierung der Omnikanalplattform Gruppen kleinerer Häuser gebildet und von einem Atruvia-Mitarbeiter dann eng begleitet werden“, zeigt sich Jörg Porsche, stellvertretender IG-Sprecher und Vorstand bei der Volksbank Gescher im Münsterland, zufrieden.

Weniger zufrieden ist die IG-Führung mit der Repräsentanz ihrer Mitglieder in den diversen Gremien der genossenschaftlichen Gruppe, ob beim BVR oder bei Verbundunternehmen. „Hier sind wir bislang nur in Einzelfällen vertreten. Wir fühlen uns mit Blick auf eine faire Besetzung weiterhin unterrepräsentiert“, betont Markus Urban, ebenfalls stellvertretender IG-Sprecher und Vorstand bei der Raiffeisenbank Oberes Gäu in Baden-Württemberg.

Bei aller Bereitschaft, das Bankgeschäft weiter zu digitalisieren, ist es den kleineren Häusern aber auch ein Anliegen, dass die Filiale und die dortige Kundenberatung auch in Zukunft einen hohen Stellenwert haben müssen. „Uns ist wichtig, dass trotz neuer digitaler Anwendungen und einem hohen Standardisierungsgrad vor allem im Bereich der Produktion die individuelle Marktbearbeitung und die eigenen Geschäftsmodelle der einzelnen Banken erhalten bleiben können“, unterstreicht Freund.

Zielgerichtet statt Gießkanne

Gerade in diesem Zusammenhang sind Freund und seine Vorstandskollegen sehr angetan von der neuen Digitaltochter Truuco, die u.a. von Atruvia und Union Investment gegründet wurde. Hier geht es um datengestützten Vertrieb und Marketing. „Dies wäre sehr gut für unsere Kunden, denn diese wollen zielgerichtet angesprochen werden und nicht nach dem Prinzip Gießkanne. Voraussetzung ist allerdings, dass mit Blick auf den Datenschutz die Lösungen rechtlich sauber sind“, so Freund. Dieser Aspekt hatte zwischen dem BVR und Datenschützern zu längeren Diskussionen geführt. Ebenso positiv wie Truuco betrachten die Sprecher der IG Genobanken die BVR-Tochter Amberra, die Digitallösungen rund um Ökosysteme über das klassische Bankgeschäft hinaus innerhalb und außerhalb der genossenschaftlichen Gruppe finden und zum weiteren Ausbau in der Gruppe investierfähig machen soll.

Doch nicht nur in der Gruppe finden die Belange der kleinen Häuser mehr Beachtung, sondern auch bei der Aufsicht. „Wir haben mit der BaFin Gespräche über die zunehmenden Belastungen für die kleineren Häuser durch die Regulierung geführt. Dabei zeigte sich der zuständige Exekutivdirektor Raimund Röseler sehr offen. Konkret geht es um die Möglichkeiten, die Vorgaben der europäischen Bankenaufsicht EBA durch die darin vorhandenen Öffnungsklauseln national angepasst auszulegen, also etwa im Sinne von Erleichterungen für kleinere Banken. Bei den jüngst überarbeiteten Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk) zum Beispiel wurden im Rahmen der Konsultation einige unserer Punkte in der nationalen Umsetzung aufgegriffen und angepasst“, berichtet Urban. Allerdings: „Die Proportionalität in der Regulierung ist noch lange nicht ausreichend.“

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