Klimarisiken

Kopf­zerbrechen und kreative Annäherung

Wie wirken sich die Klimarisiken auf die Finanzbranche aus? Über diese Frage wurde bei der Euro Finance Week diskutiert und welche Modelle, Stresstests und Daten hierzu notwendig sind.

Kopf­zerbrechen und kreative Annäherung

Von Silke Stoltenberg, Frankfurt

Kopfarbeit und Kreativität – diese Fähigkeiten sind derzeit besonders in den Zentralen von Banken und Sparkassen gefragt, wenn es um die Auswirkungen der Klimarisiken für ihr Haus und mögliche Stressszenarien geht. Dies zeigte sich bei einer Fachdiskussion zum EZB-Klimastresstest und zu Klimarisiken am Dienstag bei der 25. Euro Finance Week. Der zweite Veranstaltungstag galt dem Thema Green Finance. Bei der Fachrunde ging es etwa um physische und transitorische Risiken, die unterschiedlichen CO2-Emissionsrechenmethoden, Modellketten zwischen Klimaveränderung, Realwirtschaft und Finanzrisiken oder neue Risikovariablen für das Risikomanagement. Allein die Vielzahl dieser Schlagworte zeugt von der Komplexität der Herausforderung, vor der Finanzbranche, Politik und Regulatoren wie Aufsicht stehen.

An Projektionsmodellen für verschiedene mögliche Veränderungen in der Zukunft arbeitet derzeit das Network for Greening the Financial System (NGFS), ein internationales Gremium von Zentralbanken und Aufsehern. Ziel sei, Variablen für die finanziellen Risikowerte zu entwickeln, wie Eva Söbbeke sagte, bei der Bundesbank zuständig für die Risikofinanzstabilitätsanalyse für Klimarisiken, Staats- und Unternehmensverschuldung. Wie wirkt sich die kontrollierte oder eine chaotische Transformation der Wirtschaft aus, wie eine Verzögerung beim Erreichen der Meilensteine, wie verschieden hohe globale Erwärmungen? Was bedeuten die jeweils daraus entstehenden Folgen für die Wirtschaft am Ende des Tages für die Finanzrisiken?

„Unser Ziel sind Projektionen der verschiedenen möglichen Veränderungen, aber keine Prognosen“, betonte Söbbeke. Aktuell ginge es dem NGFS darum, das entwickelte grundlegende Modell granularer für einzelne Branchen zu verfeinern, die geografische Abdeckung zu erweitern und einen kürzeren Zeithorizont als die derzeit übliche Jahreszahl 2050 einzuarbeiten, blickte die Bundesbank-Expertin nach vorn.

Trotz fehlender Klarheit, wie sich der Klimawandel auf die Kredit-, Markt-, Underwriting-, Liquiditäts- oder operationelle Risiken der Banken auswirkt, und trotz eines eklatanten Mangels an Unternehmensdaten in diesem Zusammenhang hatte die EZB in diesem Jahr als erste Lernübung und Bestandsaufnahme für Institute wie Aufseher einen Klimastresstest durchgeführt. Als Schlussfolgerung daraus hatte die EZB bemängelt, dass die Einbindung der Klimarisiken in die Risikomodelle der Banken noch nicht weit genug vorangekommen sei. Zugleich hatte die Zentralbank die kumulierten Kredit- und Marktverluste der 41 beteiligten Banken auf 70 Mrd. Euro geschätzt, wenn der Übergang zu einer CO2-armen Wirtschaft in ungeordneten Bahnen verliefe.

In dem Erfahrungsaustausch über diesen Stresstest berichteten Matthias Bornemann von der Hamburg Commercial Bank, Maximilian Hetjens von der Commerzbank sowie Dirk Heithecker von der Volkswagen Bank über viele kreative Wege, wie man durch Näherungswerte – etwas auf Basis bestehender Konzepte in Nachbarländern – fehlende Daten kompensieren kann. Auf diese Weise lieferten die Banken vielfach die gewünschten Daten für den EZB-Test beziehungsweise führen Berechnungen für das eigene Risikomanagement durch.

Beim Privatbankenverband BdB wurden die Erfahrungen des EZB-Stresstests mit den großen Banken dazu genutzt, ein Konzeptpapier für vergleichbare Tests bei kleineren Instituten zu erarbeiten. Dies werde in Kürze vorgestellt, berichtete Torsten Jäger, Head of Sustainable Finance. Darin werden u.a. eine niedrigere Granularitätsebene, Stresstests ohne Zweitrundeneffekte, ein Zeithorizont von zehn statt 30 Jahren, eine geringere Parameterzahl sowie die Nutzung bestehender Stresstest- und Reportingstrukturen empfohlen.

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